Herr Fürmann, Sie verloren als Kind und Jugendlicher Ihre Eltern und Großeltern. Sie selbst überlebten einen schweren Unfall als S-Bahn-Surfer. Auch Ihre beruflichen Anfänge als Gerüstbauer und Türsteher waren nicht gerade einfach. Würden Sie es sich nicht wünschen, dass es einem das Leben leichter macht?
BENNO FÜRMANN: Doch, unbedingt manchmal! Es ist wie bei physischem Schmerz. Schmerz ist das Signal des Körpers, dass da was nicht stimmt. Wenn ich mir mit dem Hammer auf den Finger haue, sagt mir mein Schmerz, dass ich das lieber lassen sollte. Aber 30 Prozent von der Message würden mir reichen, und die Message käme immer noch an. Das Gleiche gilt für seelischen Schmerz. Beängstigend, welche Register da gezogen werden können. Aber ich glaube, das Schlechteste, was wir machen können, ist das, was das Leben von uns will, nicht an uns ranzulassen. Die Buddhisten nennen das bekannterweise Karma, und ich finde das Prinzip ziemlich klug erklärt: Du kannst es aufschieben, du kannst dich ablenken, aber solange das energetisch nicht gelöst ist, bleibt diese Energie im Raum, die sich ausdrücken will und dich früher oder später bei den Eiern kriegen wird. Du hast da keine Chance. Das gilt übrigens auch über das Leben hinaus. Alles, was du aus buddhistischer Sicht in diesem Leben nicht löst, um das musst du dich im nächsten Leben kümmern.
In Ihrem aktuellen Hörbuch „Als das Böse kam“ geht es auch um Ängste. Inwieweit sind diese bei Ihnen ausgeprägt?
FÜRMANN: Ich wäre nicht lebensfähig, wenn ich keine Ängste hätte. Nur diejenigen unserer Vorfahren, die ängstlich waren, haben überlebt.
Wie schaffen Sie es aber, dass Ihre Ängste nicht überhandnehmen?
FÜRMANN: Indem ich sie akzeptiere. Du bist nicht gut beraten, wenn du die ganze Zeit so tust, als hättest du keine Angst. Denn wenn sie da sind, dann wollen sie angenommen werden. Angst ist ja eigentlich ein sehr zartes Gefühl, das drastische Ausmaße annehmen kann. Das lässt sich ein wenig mit dem Verhältnis eines Vaters zu seinen Kindern beschreiben. Ein Junge oder ein Mädchen hat Angst, und wenn du ihm zuhörst und sagst, „Du hast Angst und wir sind hier zusammen“, in dem Moment, wo das ausgesprochen wird, ist dieses Gefühl nicht mehr so krass, wie wenn das Kind alleine im dunklen Bett liegt. Für uns Erwachsene verhält es sich genauso. Allerdings haben wir die schlechte Tendenz, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, indem wir uns vorstellen: ‚Was könnte sein? Was hat das zur Folge?“ Einer der klügsten Sätze, die es gibt, ist „Glaub doch nicht alles, was du denkst.“
Das klingt ja alles sehr vernünftig, aber man muss das auch umsetzen.
FÜRMANN: Nicht, dass ich das jederzeit schaffen würde! Manchmal pfeife ich im Dunkeln! Ich versuche jedoch, mir immer wieder klarzumachen: Was ist die Faktenlage? Und was ist das Narrativ, das ich daraus entspinne? Oft gibt es da ja einen riesigen Unterschied. Als halbwegs vernunftbegabter Mensch versuche ich zu differenzieren: Was ist die Wurzel? Ist damit eine kindliche Angst verbunden? Was braucht es gerade? Führsorge wird immer in Bezug auf Andere gedacht, aber es ist ja auch ein bisschen so wie im Flugzeug: Du ziehst zuerst dir die Atemmaske auf, erst dann kannst du helfen. Und Selbstfürsorge heißt, mir meinen Schlamm anzuschauen, mich darum zu kümmern und das anzunehmen, was ist. Und da hilft es nicht, wenn ich mir sage, dass ich keine Angst habe und irgendetwas drüber lege. Dann drehe ich mich ja im Kreis und kümmere mich nicht um das, was dran ist. Was macht mir Angst? Was liegt darunter? Und, puff, kann sich etwas entspannen und die Angst ist vielleicht nicht mehr so groß.
Aber manche Ängste sind ja berechtigt.
FÜRMANN: Natürlich. Wenn du faktisch Dinge tun kannst, um Probleme zu vermeiden, dann leite sie in die Wege. Wenn du Angst vor Altersarmut hast, schaffe dir eine kleine Lebensversicherung an. Hast du Angst vor einem Fremden, laufe weg oder überlege dir, wie du ihn zu Boden werfen kannst. Aber gieße kein Öl ins Feuer, um Chimären riesengroß werden zu lassen, die mit der Realität gerade wenig zu tun haben. Und in dem Moment, wo ich auf dem Zahnfleisch gehe, macht es, glaube ich, auch keinen Sinn, über die Zukunft nachzudenken. Da produziere ich nur Hirngespinste. In Phasen, wo wir nicht stabil sind, ist alles noch schlimmer. Im Dunkeln neigt unsere Welt nicht dazu, bunter und rosaroter zu werden, sondern eher im Gegenteil. Das ist dann eine Frage der Selbstkultivierung. Sein eigenes Spiel zu durchschauen. Ich weigere mich manchmal erfolgreich, Zukunftsszenarien im Kopf durchzuspielen. Und manchmal fahre ich in meinem Kopf wieder Karussell.
Sie setzen sich auch intensiv mit den Gefahren für die Umwelt auseinander. So haben Sie das Buch „Unter Bäumen“ veröffentlicht. Und am 25. Dezember wird Ihre Öko-Dokumentation über die Ostsee ausgestrahlt. Wie gehen Sie mit solchen Befürchtungen um?
FÜRMANN: Das ist schwieriger, weil das nicht nur ein Hirngespinst ist. Das ist ja akut. Ich kenne sehr wohl das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das mich immer wieder anspringen will. Aber dem begegne ich, indem ich mir bewusst mache, dass mich das Leben im Hier und Jetzt haben will. Würde ich mir wünschen, dass unser Planet weniger strapaziert ist? Ja. Ist es so, wie es ist? Auch ja. Ist es bisweilen bedrückend und müssen wir dringend unser Verhalten ändern? Ja! Aber es bringt nichts, in Depressionen zu verfallen. Aus meiner Sicht ist Depression auch die Definition von einer Entmachtung und dadurch einer Lethargie. Die Folgen bestehen darin, dass du antriebslos bist, alles sehr, sehr düster siehst und dir deiner eigenen Wirkmächtigkeit nicht unbedingt bewusst bist. Aber du kannst ja das Pferd auch andersrum aufzäumen. Anstatt dir ständig Hiobsbotschaften zu Gemüte zu führen, was alles schlimm ist, kannst du dich fragen: Welcher Mensch will ich denn sein? Wenn ich mich so verhalte, wie ich es richtig finde, dann setzt das eine Energie bei mir frei. Das macht ja dann auch Spaß.
Wie definieren wir, was für ein Mensch wir sein wollen?
FÜRMANN: Die Frage ist: Was ist dir wichtig? Und was heißt das für Andere? Wenn du einen Herzenswunsch hast, der permanent auf Kosten der anderen geht, und du gibst ihm nach, dann ist das ein pubertäres Verhalten. Wir sollten uns auch bewusst machen, dass wir hierzulande zu den Gewinnern der Geburtenlotterie zählen. Wir genießen den Luxus einer Grundversorgung, aber die ist eben nicht selbstverständlich. Menschen anderer Nationen zahlen den Preis dafür. Wir sind keine getrennten Individuen, wir sind ein Teil dieser Welt. Und damit geht auch eine gewisse Verantwortung einher.
ABER WAS MACHEN SIE KONKRET?:
FÜRMANN: Indem ich mir über meinen CO2-Abdruck bewusst bin, über die Spuren, die mein Handeln hinterlässt, den Preis, den es kostet. Verkehr, Konsum, Ernährung usw. Und indem ich mich gerne mit Menschen umgebe, die zukunftsfähig leben, oder indem ich mich in der Natur aufhalte. Wenn du traurig bist, dass die Natur leidet, dann gehe selbst in die Natur, dann kommst du wieder ein bisschen gestärkter heraus. Ein geiler Waldspaziergang oder eine Bergtour beruhigen deine Seele. Und vor allem weißt du dann wieder mehr, was du schützen willst. Ansonsten wird das wieder so ein Kopfkarussell, „Oh Gott, die Welt geht unter“, und das gibt keine Kraft, auch wenn die Sorge unbedingt berechtigt ist. In dem Moment, wo du nur auf Probleme schaust, wird dir deine eigene Welt eng. Und ich will sie immer wieder weiten, indem ich die Schönheit des Himmels, der Sterne, eines Baumes, eines Berges, des Meeres genieße. Mich von etwas berühren lasse, mich mit etwas verbinde, das größer ist als ich. Dann erlebst du dich selbst als ein Teil der Natur und nicht als ein davon abgetrennter, machtloser, hilfloser Großstädter.
Sie haben für Ihre Dokumentation die Ostsee besegelt. Was haben Sie da für Eindrücke mitgenommen?
FÜRMANN: Einerseits gibt es da aufgrund der Überdüngung durch die Agrarindustrie regelrechte Todeszonen, wo nichts mehr ist. Andererseits siedelt sich in anderen Bereichen wieder die Kegelrobbe an, was die Naturschützer freut, aber die Fischer nicht unbedingt zu Freudensprüngen animiert, weil sie sich an deren Stellnetzen bedient wie an einem Büfett. Ich bin zu Seegraswiesen getaucht, die man als CO2-Speicher einsetzt. Zum einen Teil war das ernüchternd, zum anderen aber auch sehr hoffnungsvoll. Auf jeden Fall liegt es bei allen Partikularinteressen im Interesse aller, dass wir diesen Lebensraum erhalten. Keiner will, dass die Welt zugrunde geht. Wir nehmen absurderweise Kredite auf, um unseren Kindern eine Uniausbildung zu ermöglichen, aber wir versagen darin, den Planeten so zu schützen, dass er für künftige Generationen noch eine Mutter Erde sein kann. Wir können uns nicht mehr verstecken und sagen: Das habe ich nicht gewusst. Wir wissen alles. Es stellt sich nur die Frage: Was machen wir mit diesem Wissen?
Aber woran liegt dieses Versagen, wenn die Probleme allseits bekannt sind?
FÜRMANN: Das hat natürlich auch mit der Komplexität der Phänomene zu tun. Es ist ja nicht so, dass du in den Flieger steigst, und dann brennt ein Busch, der eine Auswirkung deines Verhaltens widerspiegelt. Was wir brauchen, ist ein kollektives Bewusstsein, dass alles zusammenhängt. Nichts ist unabhängig voneinander. Meine Handlung macht etwas mit dir, und deine etwas mit mir. Die Frage, wie wir das hinkriegen mit uns und der Welt, kann einen erdrücken, aber sie kann auch sehr spannend sein.
Zur Person
Benno Fürmann, 1972 in West-Berlin geboren, zählt zu den meistbeschäftigten deutschen Fernseh- und Filmschauspielern. Gerade ist sein Hörbuch „Als das Böse kam“ erschienen, am ersten Weihnachtsfeiertag läuft seine Umweltdokumentation „Ostsee am Limit“ in der ARD. Beide Projekte spiegeln die Gedankenwelt des Schauspielers, der sich intensiv mit seinen persönlichen Ängsten auseinandersetzt.
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