Im November 2017 erschütterte ein starkes Erdbeben die Region um die südkoreanische Stadt Pohang. Auffällig war, dass die Erschütterung ihr Epizentrum in unmittelbarer Nähe einer Geothermiestation hatte. Forschende kamen später zu dem Schluss: Das Beben der Stärke 5,4 war nicht natürlichen Ursprungs, sondern von Menschen verursacht.
„Allein dadurch, dass heute weltweit in viel größerem Umfang der Untergrund genutzt wird als noch vor wenigen Jahrzehnten, haben induzierte Erdbeben langfristig zugenommen“, sagt Marco Bohnhoff, Leiter der Abteilung für Geomechanik und Wissenschaftliches Bohren am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam. „Wenn man in mehreren Kilometern Tiefe Eingriffe in den geologischen Untergrund vornimmt, sei es im Rahmen von Bergbau, durch das Verpressen und Fördern von Wasser in der Geothermie oder zur Förderung von Öl und Gas, kann es zu solchen induzierten Erdbeben kommen. Diese Beben sind allerdings in den allermeisten Fällen weder spür- noch messbar.“
Erdbeben wurden in Deutschland oft bei der Steinkohleförderung ausgelöst
Dabei seien menschengemachte Erdbeben an sich kein neues Phänomen, erklärt Bohnhoff. „Das gibt es schon seit mehr als hundert Jahren – damals vornehmlich im Kohlebergbau. Im Ruhrgebiet gab es sehr häufig induzierte Erdbeben, die direkt an den Bergbau geknüpft waren und auch zu Rissen in Häusern führten.“
In den letzten 30 Jahren seien in Deutschland pro Jahr im Durchschnitt etwa 60 induzierte Erdbeben gemessen worden, sagt Gernot Hartmann von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Im Magnitudenbereich 3 und größer seien es jährlich rund vier gewesen. „Tendenziell hat die induzierte Seismizität in Deutschland abgenommen“, sagt Hartmann. Das sei zum einen auf die Einstellung der Steinkohleförderung im Saarland und im Ruhrgebiet zurückzuführen, aber auch auf bessere seismische Monitorings zur Steuerung von Geothermieanlagen. Heute stünden andere Aktivitäten als Ursache im Vordergrund, darunter der Salzbergbau.
In den USA, Kanada und China entstehen beim Fracking oft Erdbeben
„In mehr als 50 Prozent der Projekte, die mit induzierten Erdbeben in Verbindung gebracht wurden, wurde Flüssigkeit entweder in den Boden eingespeist oder daraus entnommen“, fasst Mohammad Moein von der Freien Universität (FU) Berlin die Ergebnisse einer aktuellen Studie zusammen. Mit einem internationalen Forschungsteam untersuchte Moein Prozesse, durch die menschengemachte Erdbeben ausgelöst werden.
Vor allem in den USA, Kanada und China entstünden Erdbeben heute etwa bei der Öl- und Gasförderung durch die umstrittene Fracking-Methode. Dabei werden Wasser und Chemikalien in tiefe Reservoire gepumpt, um Erdgas oder Erdöl leichter verfügbar zu machen. Bei der Förderung entstünden auch große Mengen an Abwasser. „Eine weit verbreitete Methode ist etwa in den USA, dieses Schmutzwasser zurück in die Erde zu pressen“, sagt Shapiro.
„Zu den Hochzeiten der Ölproduktion wurde pro Monat ungefähr das Volumen des Großen Wannsees in Oklahoma in den Untergrund eingepumpt“, erläutert Langenbruch. „Wenn so viel Wasser in den Untergrund eingepumpt wird, steigt der Druck an und breitet sich langsam im Untergrund aus.“ Bruchflächen würden durch die Druckzunahme auseinandergedrückt, bis sich die dort gespeicherte Energie entlädt – und die Erde bebt.
Bei der Speicherung von Kohlendioxid können Erschütterungen entstehen
Auch beim Thema der CO2-Sequestrierung werde die Gefahr durch induzierte Erdbeben diskutiert, sagt Shapiro. Bei dem Prozess soll Kohlendioxid aus der Atmosphäre gefiltert oder bei der Produktion von CO2-Emissionen aufgefangen und unterirdisch in geologische Schichten eingepresst werden. „Es gibt Forschungen und Überlegungen dazu, wo man das Kohlendioxid am besten einpresst“, so Shapiro. Infrage kämen ehemalige Lagerstätten von Erdöl oder Erdgas. Durch den geringeren Druck sei die Wahrscheinlichkeit von Erdbeben dort geringer.
Wer oder was für ein Erdbeben verantwortlich ist, lässt sich nicht immer klar festmachen. „Es gibt keinen direkten Beweis, dass ein gegebenes Erdbeben durch eine bestimmte Aktivität verursacht wurde. Denn ein Erdbeben ist ein natürliches Phänomen, das sich nur durch den Menschen schneller ereignet“, sagt Shapiro. Anhand vergleichender Statistik könne man aber nachweisen, ob sich die Anzahl der Erdbeben seit Beginn eines Projekts erhöht hat.
Die Kontrolle der induzierten Seismizität sei ein wichtiger Faktor für die Akzeptanz der Energiewende, sagt Bohnhoff. Denn so könnten negative Effekte bei der geothermischen Energiegewinnung und der CO2-Speicherung reduziert werden. Ziel der Forschung sei es, Konzepte zu entwickeln, mit denen Erschütterungen kontrolliert oder vermieden werden können. (Jacqueline Melcher, dpa)