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Hörbuch-Tipps – acht Empfehlungen der Redaktion

Liebesbriefe, Abgründe, Fußballfreunde : Acht Hörbuch-Empfehlungen der Redaktion
Foto: stock adobe
Hörbuch-Tipps

Liebesbriefe, Abgründe, Fußballfreunde : Acht Hörbuch-Empfehlungen der Redaktion

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    Mascha Kaléko: Ich tat die Augen auf und sah das Helle

    Als Großdichterin sah sie sich nicht, zählte sich nur zu den „zweitbesten Namen“. Aber dafür sang sie einst „im deutschen Dichterwald, Abteilung für Großstadtlerchen“, wie Mascha Kaléko reimte. Und was für ein Gesang. Gewitzt und leichtfüßig, schräg und schnodderig, melancholisch und tieftraurig: „... so müde macht dies bisschen Lebenslauf, an solchen Tagen dreht man den Gashahn auf“. Zum fünfzigsten Todestag der Dichterin, die in den goldenen Jahren der Weimarer Republik das Berliner Lebensgefühl in Lyrik fasste, bevor sie als Jüdin mit Schreibverbot belegt und mit Mann und Kind in die USA emigrieren musste, hat der Schriftsteller Daniel Kehlmann Gedichte und Prosatexte gesammelt: „Ich tat die Augen auf und sah das Helle“. Das gleichnamige Hörbuch (GoyaLit) ist mindestens genauso oder sogar noch etwas mehr zu empfehlen: Katharina Thalbach, Katja Danowski, Marion Elskis, Julia Nachtmann und Rosa Thormeyer interpretieren so variantenreich wie es Kalékos Verse über Emigration, Heimat, Liebe und Verlust sind – lesen zärtlich, spöttisch, sehnsüchtig und nüchtern. „Gewiss, ich bin sehr happy“, dichtet Kaléko aus Amerika: „Doch glücklich bin ich nicht.“ Stefanie Wirsching

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    Barbara Kingsolver: Demon Copperhead

    Wie viel Elend erträgt ein Mensch? Damon Fields hat eine Alkoholiker-Mutter und einen gewalttätigen Stiefvater, wird mit zehn Jahren zum Vollwaisen, von Pflegefamilien ausgebeutet, gerät in die Opioid-Abhängigkeit, ist von roher Gewalt und Armut umgeben. Und selbst als es mal so aussieht, als könne er all dem Elend entkommen, wird er zurückgeworfen auf ein noch dreckigeres Nichts. Es ist der ganze ländlich-amerikanische Albtraum, den Barbara Kingsolver in „Demon Copperhead” da beschreibt, zugleich Sozialkritik und Geschichts-Exkurs. Angelehnt hat sie ihren Roman an Charles Dickens „David Copperfield”, versetzt in heutige Zeiten. Aber damit lässt sich das Ausmaß des Unglücks ermessen: schier unendlich. Dafür, dass man mit dem Ich-Erzähler durch sein schmerzhaftes Leben schlittert, verfliegen die gut 20 Hörbuch-Stunden (Argon Verlag) – umgerechnet 864 Seiten – dann aber überraschend schnell. Elend als Unterhaltung? Nein. Fabian Busch gelingt es, zugleich nüchtern und empathisch zu lesen. Sogar den Sinn für das Gute und Schöne, den Damon nie verliert, kann man erfühlen. Und wenn es nur um ein paar Glühwürmchen geht, stellenweise ist es „so schön, dass man glatt ausflippen könnte.“ Ingrid Fuchs

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    Dörte Hansen: Zur See

    Dieses Buch und diese Stimme, da haben zwei zusammengefunden, die perfekt passen, die sich ergänzen und etwas schaffen, das wie ein Drittes wirkt. Dörte Hansens „Zur See“ entführt einen auf eine kleine Nordseeinsel, aber nicht als Tourist, sondern zu den Menschen, die dort schon immer und seit Generationen gelebt haben und leben. Menschen, die mit dem Salz in der Luft und dem Wind und dem Meer aufgewachsen und groß geworden sind. Aber auch dort ändern sich die Umstände, hat die Moderne Einzug gehalten, ändert sich der Bezug zum Meer, selbst wenn vor dem Reet-gedeckten Hausdach ein Zaun aus Walfischknochen aufgebaut ist. Dieses fein gezeichnete Bild einer Familie auf der Nordseeinsel lässt Nina Hoss unaufgeregt und uneitel in der Hörbuchversion lebendig werden. Sie haucht den Figuren eigene Nuancen ein, immer im Dienst des Ganzen. Hoss kann nicht nur die große Bühne und den abgründigen Film, sondern auch das Buch. Und in der Dauer entfalten die Sätze einen Zauber, entsteht mit ihrem Klang und ihren sanften Färbungen das Bild einer Nordseeinsel, spürt man den Wind, den Sand, die Gefahr und vergisst das nicht mehr – lange. Richard Mayr

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    Michael Bulgakow: Der Meister und Margarita

    Hier ist der Platz für einen Großen unter den allzu oft vergessenen Helden. Und nein, gemeint ist nicht der Kater nebenan, der gehört längst zum Olymp der Literaturgeschichte: Es ist der launische Teufelsgehilfe Behemoth aus Michail Bulgakows Wunderwahnroman „Der Meister und Margarita“. Und dieses Werk wiederum gibt es als großartiges Hörspiel-Erlebnis, erschienen 2014 (als Kooperation von BR und Hörverlag), mit den Stimmen unter anderem von Michael Rotschopf, Manfred Zapatka, Felix von Manteuffel, Dietmar Bär, und – jetzt kommt’s – produziert von: Klaus Buhlert. Was der inzwischen 75-Jährige hier komponiert hat, ist große Kunst. Wieder einmal. Denn der hatte zuvor ja schon Großes vollbracht, etwa mit den Hörspielinszenierungen von Elias Canettis „Die Blendung“ und auch der Urbarmachung des „Ulysses“ von James Joyce. Nach seinem wohl vergnüglichsten Streich mit Bulgakow kamen zum Beispiel hinzu: Franz Kafkas „Das Schloss“ und – samt Sicherung der Rechte nicht weniger als die Besteigung eines literarischen Mount Everest – Thomas Pynchons „Die Enden der Parabel“. Unfassbar, kunstvoll, herrlich. Ein Hoch auf Klaus Buhlert. Wolfgang Schütz

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    Ingeborg Bachmann, Max Frisch: Wir haben es nicht gutgemacht

    „Ich liege neben Dir Ingeborg, und Du bist nicht da“. Spätestens ab diesem Satz – er kommt früh – muss man immer weiterhören. Im Frühjahr 1958 beginnt der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann (gelesen von Johanna Wokalek) und Max Frisch (Matthias Brandt). Sie, 32, gefeierte Lyrikerin, gerade wird ihr Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan“ gesendet. Er, 47, ist mit den Inszenierungen von „Biedermann und die Brandstifter“ beschäftigt.

    Das Paar schreibt sich manchmal zwei-, dreimal am Tag, teilt Sehnsüchte, Verzweiflung, Ängste, tüftelt an Titeln, mahnt sich an, ja zu schreiben und weniger Whisky zu trinken, seziert Gefühle tief hinein in ihre einzelnen Bestandteile. „Ich bin nicht verliebt in Dich, ich bin erfüllt von Dir“, schreibt etwa Max Frisch. Man spürt aber auch sehr schnell das Ringen dieses Paares und später auch eine Rivalität. 300 überlieferte Schriftstücke gibt es – vor allem im Nachlass von Frisch. Bachmann zerstörte wohl viele Briefe, erklärt Herausgeberin Barbara Wiedemann, die im Hörbuch „Wir haben es nicht gut gemacht“ (speak low, 2 CD) immer wieder kommentiert und einordnet. Nie war ein Beziehungskrimi poetischer. Doris Wegner

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    Marc-Uwe Kling: Die Känguru-Chroniken

    Als Vater der Känguru-Chroniken lässt Marc-Uwe Kling „witzig“ oder „nicht witzig“ kein sozialkritisches Thema aus. Doch besser als die Bücher sind die Hörbücher, die der selbst ernannte Wirtschaftsflüchtling aus Baden-Württemberg vorliest. Denn Marc-Dieter, also Marc-Uwe – Namensverwechselungen sind ein Running-Gag in Klings Büchern – trifft stets den richtigen Ton. Was man so lernt, wenn man mehrmals sein Philosophiestudium abbricht und stattdessen seit über 20 Jahren auf den Bühnen Berlins seine Poetry-Slams vorträgt. Weiter ging es für Kling vor dem Mikrofon: Im Podcast bei Radio Fritz „Neues vom Känguru“ erzählte Kai-Uwe, Entschuldigung, Marc-Uwe, von seinen Erlebnissen mit dem Känguru und erhielt dafür 2010 den Deutschen Radiopreis. Darauf folgten Bücher, Filme, Hörbücher.

    Einer, dem man also gerne zuhört! Wenn er von einem gewissen Kleinkünstler – Marc-Kai-Dieter-Uwe eben – und seinem Känguru erzählt, das in den „Känguru-Chroniken“ (Hörbuch Hamburg Verlag) mit kommunistischen Parolen umher wirft. Das kann man gar nicht oft genug hören, denn jedes Mal versteht man ein paar Anspielungen mehr. Elisabeth Marx

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    Walter Moers: Die Stadt der träumenden Bücher

    Kongenial ist ein Wort, das eher zu oft verwendet wird. Aber hier trifft es natürlich zu. Denn genial ist doch bitte fraglos das Buch „Die Stadt der träumenden Bücher“, vielleicht noch immer Höhepunkt in der inzwischen vielteiligen Romanserie aus dem fantastischen Zamonien – wo Walter Moers ja nur der Übersetzer des dort heimischen Autors Hildegunst von Mythenmetz (siehe hier im Moers’schen Autorenporträt) ist. Und genial, das heißt auf gut Zamonisch: Da fließt das Orm. Und das tut es eben auch bei dem, der das Buch dann nicht einfach nur eingelesen, sondern zu nichts weniger als einem Ein-Mann-Hörspiel gemacht hat. Für die, die bei dem Namen nur an „Dschungelcamp“ oder anderen Fernsehquatsch denken, das nämlich war die große Kunst von: Dirk Bach! Der hat zum Beispiel auch hinreißend „Das Urmel aus dem Eis“ eingesprochen. Kongenial also, was Bach aus Moers macht – mehr Orm geht nicht: „Die Stadt der träumenden Bücher“ (der Hörverlag, 2005), eine wilde, siebzehneinhalbstündige Abfahrt. PS: Der seit nach dem Tod Bachs den Moers einlesende Andreas Fröhlich ist übrigens auch toll (siehe etwa „Der Schrecksenmeister“). Günf Schaltzgow

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    Sammy Drechsel: Elf Freunde sollt ihr sein

    Irgendwie haben sie alle mal so angefangen: Messi, Musiala, Schweinsteiger, Kane. Mit dem Bolzen auf Straßen, Höfen oder schlammigen Wiesen. Wie Heini Kamke eben, der Held eines Fußballbuchs, das zwar 70 Jahre alt ist, aber immer noch ein Standardwerk unter den Kinder-Fußballbüchern: „Elf Freunde müsst ihr sein“. Sammy Drechsel, Sportreporterlegende und leidenschaftlicher Balltreter, erzählt darin von Heini Kampke, dem Kapitän und Mittelstürmer des „Teams“, das im Berlin der 1930er-Jahre unbedingt Schulmeister werden will.

    Im Hörbuch (Hörverlag) wird der Kabarettist Dieter Hildebrandt, Freund und Fußballkamerad Drechsels, zum mitreißenden Sportreporter, der in seine Stimme genau die richtige Mischung aus Emotion und Sachlichkeit legt. Man sieht es vor sich, wie Heini die Verteidiger austrickst und Elfmeter antäuscht, Matze das Spiel über die Flügel antreibt und Hermann den Ball über die Latte schiebt. Dazwischen geht es auch noch um anderes, nämlich ein paar Jungs, denen Fußball alles ist, die dabei aber Fairness und Freundschaft nicht vergessen. Und auch dafür findet Hildebrandt einen wunderbaren Ton Birgit Müller-Bardorff

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