Missbrauchsskandale, zu wenig Rechte für Frauen, einfach keine Lust, Kirchensteuer zu bezahlen - die Zahl der Menschen, die der Kirche halb oder ganz den Rücken kehren, wächst seit langem stetig. Kirche und Kirchengemeinden stemmen sich unter anderem mit ungewöhnlichen Aktionen gegen den Trend. Auch im kommenden Jahr ist so einiges geplant.
Näher zu Gott mit Musik
Der erste Taylor-Swift-Gottesdienst mit Songs des Megastars im Mai war schon ein Renner, nun wartet die Heiliggeistkirche in Heidelberg 2025 erneut damit auf. Unter dem Motto «Take me to Church, Taylor!» startet die Neuauflage in dem Gotteshaus am 16. März 2025. Der Gottesdienst werde aber mit anderen Liedern des Popstars und anderen Texten gestaltet, betont eine Sprecherin der Evangelischen Landeskirche Baden. Zu erleben auch beim Kirchentag in Hannover.
Nicht nur Händefalten, sondern Köpfe rhythmisch schütteln - darum geht es 2025 im Mai und Dezember bei zwei katholischen Headbanger-Gottesdiensten zu Metal-Musik in Obergrombach (Kreis Karlsruhe). Für die Erzdiözese Freiburg sei es wichtig, in einer zunehmend individualisierten und fragmentierten Gesellschaft ein möglichst vielfältiges Gottesdienst-Angebot zu haben, betont ein Sprecher.
Spezielle Zielgruppen
Lasset die Kindlein zu uns kommen - und zwar auch die im Bauch. In Tübingen sei im kommenden Jahr wieder ein Gottesdienst für Schwangere geplant, berichtet ein Sprecher der Evangelischen Landeskirche Württemberg. «Wir ermutigen unsere Gemeinden sehr, neue Wege zu gehen und eigene Konzepte zu entwickeln.» Längst üblich seien zudem sogenannte Nachteulen-Gottesdienste wie in Ludwigsburg und Nachtschicht-Gottesdienste wie in Stuttgart.
Gott kann man auch antanzen
Christen, bewegt euch - und zwar im Rahmen des Streetdance-Gottesdienstes «God is a dancer» ebenfalls in der Heiliggeistkirche Heidelberg. Das Event soll im Rahmen der Tanzbiennale am 2. Februar 2025 in der 600 Jahre alten gotischen Kirche stattfinden. «Es wird direkt in der Kirche getanzt und performt», sagt Pfarrer Vincenzo Petracca. Gottesdienstbesucher und -besucherinnen seien ausdrücklich zum Mitmachen aufgefordert. Es wird «gebattlet» und «gejudgt», sagt Petracca. Sprich: Tänzerinnen und Tänzer können sich mit anderen messen und von Profis beurteilt werden.
Gottesliebe geht (auch) durch den Magen
Mit vollem Bauch betet es sich besser: Die Gemeinde Schillingstadt im Main-Tauber-Kreis denkt darüber nach, irgendwann im kommenden Jahr einen Flammkuchen-Gottesdienst zu organisieren - im Innenhof eines Bäckers, wie Pastor Philipp Tecklenburg berichtet. Gläubige sollen dabei einer Predigt lauschen und gleichzeitig mit Flammkuchen bewirtet werden. Einen Termin gibt es bisher nicht.
In Tübingen versucht Tobias Heisig vom Vorbereitungsteam der Gesamtkirchengemeinde Menschen an sogenannten spirituellen Nachmittagen in die leer geräumte St. Petrus-Kirche zu bekommen, Essen, Musik, künstlerische Performances inklusive. «Wir möchten alle Sinne ansprechen», sagt er. Katholische Gottesdienste seien oft wenig berührend, das wolle er ändern. Im kommenden Jahr könnte das Thema «Trost» im Vordergrund stehen. «Trost brauchen wir dringend.»
Singen, trinken, tierisch gut
In Pforzheim gibt es diverse Angebote der Citykirche: etwa ein Rudelsingen von Friedensliedern in der Schlosskirche am Gründonnerstag (17. April). Oder die Aktion «Mahl ganz anders» in der Fußgängerzone sowie einen Tiergottesdienst unter dem Titel «Vier Pfoten für ein Halleluja». Im zweiten Halbjahr 2025 soll ein Bibel- und Whiskey-Tasting den Weg zu Gott ebnen - notfalls in Schlangenlinien.
Gottes Wort ganz laut
Nach einem Jahr Pause findet 2025 in einem Stadtteil von Boxberg (Main-Tauber-Kreis) wieder ein sogenannter Ortsfunk-Gottesdienst statt. Den gibt es schon seit einigen Jahren und die Idee war vor allem während der Coronazeit die Rettung für so manchen Christen, wie Pfarrer Philipp Tecklenburg sagt. Der Gottesdienst wird dabei über die Ortslautsprecher in die Gassen des Ortsteils übertragen und die Lieder von einer Klarinettistin begleitet. Ist das Wetter schön, versammeln sich die Menschen draußen und hören beim Grillen oder Picknick zu. Bei schlechtem Wetter könne man einfach die Fenster öffnen und Gottes Wort lauschen - auch auf diese Weise sei Gemeinschaft da, erläutert Tecklenburg.
Gottes Wort ganz klein
Ziemlich trendy seit einiger Zeit und auch aus anderen Bundesländern schon bekannt: Eine fahrbare Kirche im Stil eines Tiny House macht sich auf den Weg zu den Gläubigen. In Hinterzarten (Breisgau-Hochschwarzwald) gibt es das schon in Form der sogenannten Schäferwagenkirche. In Karlsruhe entsteht gerade eine TinyMusicChurch, eine kleine nachhaltige Holzkirche auf Rädern. «Insgesamt wächst bei den Kirchenmitgliedern die Kreativität, der Erfindungsreichtum und die Lust, etwas auszuprobieren», sagt die badische Landesbischöfin Heike Springhart. «Das finde ich super und will es stärken.»
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