Ausreichend zu schlafen kann beim Abnehmen helfen. Das legt zumindest eine Untersuchung amerikanischer Medizinerinnen nahe, deren Ergebnisse im Fachblatt „JAMA Internal Medicine“ veröffentlicht wurden. Studienteilnehmer, die üblicherweise zu wenig schliefen, verringerten ihre Kalorienaufnahme demnach deutlich, wenn sie ihre Schlafdauer verlängerten.
Dass Schlaf und Körpergewicht zusammenhängen, ist bereits bekannt: So fanden Forscher in Studien Verbindungen zwischen der Schlafdauer und den Blutzuckerwerten und zeigten, dass ein zu kurzer Schlaf das Sättigungsgefühl verringert, zu Heißhungerattacken sowie zu einer verstärkten Fettspeicherung führt. Wer zu wenig schläft, hat dementsprechend ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und damit auf lange Sicht für Adipositas und Typ-2-Diabetes.
US-Medizinerinnen haben nun untersucht, ob dieser Zusammenhang auch umgekehrt gilt: „Wenn das bei Schlafmangel passiert, können wir dann den Schlaf verlängern und einige dieser negativen Folgen umkehren?“, formuliert es Hauptautorin und Medizinerin Esra Tasali, Direktorin des Schlafzentrums an der Universität Chicago, in einer Mitteilung zur Studie. Tasalis Team rekrutierte 80 Probanden, alle übergewichtig und im Schnitt mit weniger als 6,5 Stunden Schlaf pro Nacht – sieben bis neun Stunden sollten es sein, das empfiehlt die National Health Foundation in den USA. Die eine Hälfte der Teilnehmer änderte als Kontrollgruppe über den vierwöchigen Studienzeitraum nichts an ihrem Verhalten. Die Teilnehmer der anderen Hälfte erhielten eine individuelle Beratung, um ihre Schlafhygiene zu verbessern und so letztendlich länger zu schlafen – mit Erfolg: Diese 40 Probanden verlängerten ihre Nachtruhe im Durchschnitt um 1,2 Stunden. Jene längere Schlafdauer ging mit einer verringerten Energieaufnahme von durchschnittlich 270 Kilokalorien pro Tag einher.
Kein Versuch im Labor - die Probanden schliefen in ihren eigenen Betten
Dabei fand der Versuch nicht in einem Labor statt, sondern unter realen Bedingungen: Die Probanden schliefen in ihren eigenen Betten, zeichneten ihren Schlaf durch tragbare Tracker auf und pflegten ansonsten ihren normalen Lebensstil, ohne Anweisungen zu Ernährung oder Sport – ein Vorgehen, das von Karsten Müssig, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Franziskus-Hospital Harderberg, positiv bewertet wird: „Empfehlungen zur Gewichtsabnahme sind nicht selten Resultat von Untersuchungen unter Laborbedingungen, bei denen immer die Frage bleibt, ob diese in die Realität übertragbar sind.“
Hier schließe die vorliegende Studie eine Lücke: „Bislang fehlte eine Untersuchung unter Alltagsbedingungen, die zeigt, dass der Stoffwechsel durch eine Modifizierung der Schlafgewohnheiten günstig beeinflusst werden kann“, so Müssig in einer unabhängigen Einordnung. Es werde also nicht nur ein epidemiologischer Zusammenhang, sondern eine Interventionsmöglichkeit für Menschen mit einem entsprechend erhöhten Risiko beschrieben.
Eben jene Intervention war zudem sehr einfach gestaltet: Sie bestand aus einer einzigen Schlafberatung, die Medizinerin Tasali wie folgt beschreibt: „Wir haben die Teilnehmer zu einer guten Schlafhygiene angeleitet, ihre persönliche Schlafumgebung besprochen und ihnen maßgeschneiderte Ratschläge für Änderungen gegeben, die sie zur Verbesserung ihrer Schlafdauer vornehmen konnten.“ Obwohl in der Studie keine systematische Bewertung einzelner Faktoren vorgenommen wurde, die das Schlafverhalten beeinflusst haben könnten, „erwies sich die Einschränkung der Nutzung elektronischer Geräte vor dem Schlafengehen als eine der wichtigsten Maßnahmen“.
Ein Viertel der erwachsenen Deutschen gilt als adipös
Die Einfachheit der Intervention stellt für Karsten Müssig denn auch eine Stärke der Studie dar: „Sie gibt Betroffenen eine Möglichkeit an die Hand, wie sie ihren Stoffwechsel aktiv günstig beeinflussen können.“ Das sei nicht zuletzt wichtig angesichts der Tatsache, dass Übergewicht und Adipositas auch in Deutschland auf dem Vormarsch seien, so Müssig, der auch Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie ist. Tatsächlich sind hierzulande nach Angaben des Robert-Koch-Instituts gut zwei Drittel der Männer und über die Hälfte der Frauen übergewichtig, ein Viertel der Erwachsenen gilt als adipös.
Wie Internist Müssig betont, habe Adipositas vielfältige Ursachen – eine einzelne Maßnahme wie etwa die Verlängerung der Schlafdauer würde nicht reichen, um sie zu behandeln. Nichtsdestotrotz könnten schon kleine Schritte auf lange Sicht Effekte erzielen: „Es mag trivial klingen, aber wenn ich Gewicht verlieren will, muss ich weniger Energie zuführen, als ich verbrenne.“ Er verweist in diesem Zusammenhang auf die Hochrechnung der Studienautorinnen: Diese hatten berechnet, dass die beobachtete verringerte Energieaufnahme einem Gewichtsverlust von zwölf Kilogramm entspräche, würden die Teilnehmer ihr verändertes Schlafverhalten über drei Jahre beibehalten.
Zuviel an Schlaf? Auch das könnte ungünstig sein
Offen bleibt, so sagt Karsten Müssig, inwieweit sich die Studienergebnisse auf andere Gruppen übertragen ließen, etwa auf Menschen, die bereits ausreichend schliefen. So gebe es Hinweise darauf, dass ein Zuviel an Schlaf auch ungünstig sein könnte – ein Zusammenhang der bislang nur epidemiologisch herausgearbeitet wurde, erklärt der Mediziner: „Hier wäre noch eine experimentelle Modifikation der Schlafdauer nötig.“ (dpa)