Der Wecker klingelt. Haare verstrubbelt, den Schlaf noch im Gesicht. Erst mal in die Küche. Schlurf ... Tasse aus dem Schrank, Knopf gedrückt, die Maschine rattert, Plätschern. Schlürf ... Mit dem ersten Schluck Kaffee erwachen die Lebensgeister. Das braune Gebräu gibt Auftrieb, schiebt an.
Doch im Sommer, wenn die Sonne vom Himmel knallt, sehnt sich kaum einer nach Heißgetränken. Der Koffein-Kick für zwischendurch darf trotzdem nicht fehlen. Dann also kalter Kaffee? Der ist vielseitig, trendy, und ... na ja ... eben alles andere als kalter Kaffee. Schon mal von Espresso-Tonic oder Dalgona-Kaffee gehört? Oder gar vom Razzpresso?
Kalter Kaffee – alles andere als abgestandene Plörre
Den hat der 36-Jährige Kaffee- und Barexperte Timon Kaufmann aus München kreiert. 2015 gründete Kaufmann die Marke "brewing bartender" (zu Deutsch: der brühende Barmann). Seitdem gibt er Kurse, in denen er zeigt, wie Kaffee richtig geht. Der Razzpresso ist eine "abgewandelte Form eines Espresso sour", sagt Kaufmann. Eine Melange aus Espresso, Zitronensaft, Zucker und Himbeeren. Eiswürfel dazu, fertig. Ein Tipp des Razzpresso-Erfinders: "Wer’s gerne mit Schuss mag, kann das Ganze mit gereiftem Rum oder Haselnusslikör erweitern."
So wird aus kaltem Kaffee flugs ein vollwertiger Cocktail. Kein Einzelfall, weiß der Münchner Kaffeespezialist. "Bar- und Kaffeebranche öffnen sich füreinander", sagt er. Auch wenn Kaffee an der Theke "weiterhin ein Nischenthema ist", findet das braune Gebräu seit rund fünf Jahren mehr und mehr Einzug ins Nachtleben. So haben es neben etablierten Drinks mit Kaffee-Anteil wie dem Espresso Martini oder White Russian, der mit dem Film "The Big Lebowski" Ende der 90er Jahre Kultstatus bekam, auch zunehmend alkoholfreie "Kaffee-Longdrinks" auf die Getränkekarten geschafft.
Wie etwa der Bumble Coffee, auf Deutsch Hummel-Kaffee. Der Mix aus Espresso und Orangensaft, dessen gelb-braune Farbgebung ihm seinen Namen verleiht, war im vergangenen Jahr ein wahrer Internet-Hit. Mehrere Millionen Menschen klickten Video-Anleitungen im Netz. Noch eine coole Kreation, die an heißen Sommertagen Erfrischung und Koffein liefert, ist der Espresso Tonic. Und ja, der ist genau das, was sein Name verspricht – eine Mischung aus Espresso und Tonic Water. Im Verhältnis eins zu drei, um genau zu sein. Meist klimpern noch Eiswürfel ins Glas und fertig ist der fruchtig-herbe Muntermacher.
Um die Frage, ob Kaffee nun gesundheitsschädlich ist oder nicht, ranken sich seit jeher Mythen. Die einen sagen, er belaste Herz und Kreislauf, die anderen behaupten genau das Gegenteil. Aber was stimmt? Die Apothekenumschau liefert eine klare Antwort: "Menschen, die über Jahrzehnte hinweg täglich Kaffee trinken, haben ein geringeres Risiko für eine ganze Reihe von Krankheiten."
Das Getränk könne beispielsweise Parkinson, Typ-2-Diabetes, Depressionen und Demenz vorbeugen. Sogar das "Image als Herz-Kreislauf-Killer" sei längst überholt, so das Fachmagazin. Insgesamt gelten drei bis vier Tassen für gesunde Menschen in jedem Fall als unbedenklich. Kaffee-Enthusiasten können also aufatmen. Darauf erst mal eine Tasse pur. Oder wie wäre es mit einer Spezialität aus Asien – dem Dalgona-Kaffee?
Viel Schaum um nichts: Was sagen Kenner zum Instant-Dalgona?
Der sieht ein bisschen aus wie ein auf dem Kopf stehender Cappuccino: Milch unten, Kaffeeanteil oben. Die Zutaten für das Trendgetränk, das seinen Namen einer koreanischen Zuckersüßigkeit zu verdanken hat, sind – zumindest was die Nährwerte angeht – gelinde gesagt fragwürdig. Zucker, löslicher Fertigkaffee und Wasser. Fürs Aussehen hingegen gibt es Note Eins – wenn die Zubereitung denn gelingt. Dabei gilt: den Schneebesen schwingen, bis die Arme brennen und die Masse schön fluffig ist. Fast wie beim Sahne steif schlagen. Bis die Creme das typische Hellbraun bekommt, kann es einige Minuten dauern.
Optisch lohnt sich der Einsatz auf alle Fälle, doch der Schein trügt. Bei Kennern kommt der Fertig-Kaffee geschmacklich nicht gut an. "Die Qualität leidet da meistens", sagt Kaufmann. Außerdem gibt er zu bedenken: "Man muss auch aufpassen, was den Koffeingehalt angeht." Wer einen Dalgona nach dem anderen kippt und das Pulver zu hoch dosiert, dem drohen Magen-Darm Beschwerden.
Apropos "einen nach dem anderen": Rund 170 Liter Kaffee trinkt jeder Deutsche dem Deutschen Kaffeeverband zufolge jährlich. Damit zählt der Koffeinlieferant zu den beliebtesten Getränken des Landes. Nur Wasser und Fruchtsaftgetränke – je nachdem, ob Schorlen mitgezählt werden oder nicht – werden häufiger getrunken.
Ein Dauerbrenner unter den kalten Heißgetränken ist noch immer der Eiskaffee. Der schmeckt am besten mit frisch aufgebrühtem Kaffee, der rasch heruntergekühlt wird, sagt Kaufmann. Alternativ lässt sich auch kalt gebrühter Kaffee, sogenannter Cold Brew, verwenden, etwas höher konzentriert als üblich, damit der Kaffee eine schmackhafte Allianz mit dem Eis eingehen und sich so das optimale Aroma entfachen kann.
Woher kommt das Sprichwort "Kalter Kaffee macht schön"?
Eines betont Kaufmann allerdings: Bei aller Theorie und Tüftelei und egal ob günstiger Instant-Kaffee oder Edelbohne – "erlaubt ist, was schmeckt". Dafür brauche es oft gar kein ausgefeiltes Rezept. Das zeigt der Café frappé: kalter Kaffee und Eiswürfel, das war's.
Umso wichtiger sei die Qualität. Als grobe Orientierung gibt Kaufmann 20 Euro pro Kilo Kaffeebohnen vor. Dann könne man sich "relativ sicher sein, dass es guter, fairer Kaffee ist". Generell merkt der Fachmann in seinen Kursen, dass die Menschen insbesondere seit Corona mehr auf die Güte achten. "Viele haben sich in der Zeit verstärkt mit der Materie auseinandergesetzt und gemerkt: Kaffee ist nicht gleich Kaffee."
Ein oft unterschätztes Kriterium sei die Frische des Produkts. "Nach dem Rösten sollte Kaffee innerhalb drei Monaten getrunken werden", sagt Kaufmann. Danach würden die Bohnen zwar nicht umgehend verderben. Aber der Kaffee verliert deutlich seine Aromen, wird lasch und schmeckt nicht mehr – egal ob heiß oder kalt.
Dass kalter Kaffee gerade im Sommer die elegantere Variante ist, haben die Menschen übrigens schon im 17. Jahrhundert festgestellt. Denn heiße Getränke ließen das mühsam aufgetragene Make-up der Edelfrauen und - männer verlaufen. Nicht selten sahen die Herrschaften dann aus, als wären sie Gesicht voran in einen Sack Mehl gefallen und anschließend von einem Regenschauer überrascht worden.
Um in der Öffentlichkeit im wahren Sinne des Wortes ihr Gesicht zu wahren, tranken Adlige lieber kalten Kaffee – zumindest, wenn sie zwischen den Bürgerinnen und Bürger wandelten und sie jedermann sehen konnte. Der Legende nach ist das auch der Ursprung des Sprichworts "Kalter Kaffee macht schön". In diesem Sinne: Hoch die Tassen!
Rezept für einen Razzpresso nach Timon Kaufmann:
Zutaten:
- 1 frischer doppelter Espresso (ca. 40ml)
- 20 ml frischer Zitronensaft
- 1 gehäufter Teelöffel Vanille- oder Puderzucker
- 3 tiefgekühlte Himbeeren
- Eiswürfel
Zubereitung:
Alle Zutaten kräftig shaken und durch ein Teesieb auf Eis abseihen und mit Himbeeren garnieren. Tipp: Wer keinen Shaker zur Hand hat, kann sich auch mit einem Marmeladenglas oder allen anderen dicht verschließbaren Behältnissen helfen. Je nachdem, wie viel Säure der Espresso bereithält, kann man die Menge an Zucker dosieren und nach eigenem Gusto anpassen. Wer’s gerne mit Schuss mag, kann das Ganze mit etwas gereiftem Rum oder Haselnusslikör erweitern.
Rezept für einen Dalgona-Kaffee:
Zutaten:
- 4 TL Fertig-Kaffeepulver
- 4 TL Zucker
- 4 TL heißes Wasser
- Eiswürfel
- Milch
- (Schoko- oder Karamellcreme)
Zubereitung:
Das Kaffeepulver zusammen mit Zucker und dem heißen Wasser in eine Schüssel geben und mit einem Schneebesen zu einer festen Creme aufschlagen. Das dauert in der Regel fünf bis acht Minuten. Anschließend die Eiswürfel und die Milch in eine Tasse oder in ein Glas füllen und mit der Creme garnieren. Wer mag, darf noch Schoko- oder Karamellcreme auf dem Kaffee verteilen.