Natürlich suchen wir Wein aus nach Geschmack und Qualität. Nicht zu unterschätzen beim Einkauf ist allerdings das Etikett auf der Flasche. Eigentlich soll es Orientierung geben. Unter anderem über Jahrgang, Qualität und Herkunft. Doch der Bürokratie-Wahn und manch unverständliche Entscheidung der zuständigen „Wein-Behörden“ machen es einigen Winzern, die hochqualitative Weine produzieren, unmöglich, Ihre Weine auf dem Etikett darzustellen. Hier eine Auswahl von Weinen, die richtig Freude machen – jenseits der vorgeschriebenen Etikette.
Statt Lagen Abkürzungen auf dem Etikett: Ziereisen
„Ziereisen“: Wenn dieser Name fällt, dann verfallen die Wein-Freaks in Schnapp-Atmung. Die einschlägigen Wein-Führer überschlagen sich mit höchsten Bewertungen für die Tropfen aus Baden. Dann der Blick aufs Etikett. Verstörend. Keine Lage, kein Prädikat. Im Gegenteil: Da steht doch glatt „Badischer Landwein“. Weniger Würdigung geht schon fast nicht mehr. Ein Synonym für die Zwei-Liter-Flasche, die unter der Brücke getrunken wird, umgangssprachlich auch „Penner-Glück“ genannt.
Es war im Jahr 2004, als die Weine von Hanspeter und Edeltraud Ziereisen durch die „Amtliche Qualitätswein-Prüfung“ gefallen sind mit der Begründung, dass sie nicht gebietstypisch seien. Unter anderem wurde der niedrige Alkohol-Gehalt moniert. Die Ziereisens waren jedoch zutiefst von ihren Gewächsen aus den Weinbergen um Efringen-Kirchen überzeugt und versuchten gar nicht erst, sie so aufzuhübschen, dass sich die Wein-Prüfer vielleicht doch noch erbarmen würden. Sie machten exakt das Gegenteil: Sie verzichteten auf all diese Prädikate und verkauften ihre Weine mit dem vermeintlichen Stigma.
Im Nachhinein gesehen war diese Entscheidung die beste Werbung für das Weingut
Im Nachhinein gesehen war diese Entscheidung die beste Werbung für das Weingut, deren Lagen im Markgräflerland schon aufs schweizerische Basel blicken. Und in der Tat: Die weißen Gutedel aus diesem Haus suchen ihresgleichen mit ihrer stillen Tiefe, Aromen nach Brotkruste, weißen Blüten und einer diskreten Säure, die fast unmerklich den Gaumen streichelt und für immer leise und dennoch prägnant bleibt. Auch bei den Weinen aus der französischen Rebsorte Syrah ist Ziereisen ganz weit vorne in Deutschland. Man muss geradezu ins Schwärmen geraten ob den herausragenden Burgundern-egal, ob es Weiß-, Grau-, Spätburgunder ist oder Chardonnay.
Hanspeter Ziereisen hat also die offiziellen Namen für Lagen, die er nicht mehr gebrauchen durfte, ersetzt durch alte Flurnamen oder Namen der ehemaligen Besitzer der Weinberge. Am Beispiel von einem der grandiosen Gutedel sei der bürokratische Wahnsinn einmal erklärt: Der Tropfen stammt aus der alten Parzelle „Steingrüble“. Mit der Begründung, der Name sei „Lage-erinnernd“ wurde den Ziereisens der Gebrauch untersagt. Daraufhin änderte der Winzer den Begriff auf „Steinkrügle“. Damit konnte die Behörde einige Jahren leben, genauer gesagt bis zum Jahrgang 2020, ehe sie den Gebrauch auch dieses Namens untersagte. So geschehen auch bei allen anderen Weinen des renommierten Betriebes. Nun hat Ziereisen die Minimal-Lösung auf den Flaschen und hofft darauf, dass ihm nicht eines Tages auch noch der Gebrauch eines Etiketts verboten wird. Mittlerweile hört also der besagte Wein seit dem Jahrgang 2021 auf den Namen „ST“. Die Verkaufs-Liste des Weinguts liest sich wie eine Enzyklopädie der Initialen: LÜ, MUS, V, HA, TS, TAL, RH, GE. Abgekürzt gesagt: Alles großartig.
2021 ST, € 22.60, www.weingut-ziereisen.de
Der einsame Kämpfer
Das Weinviertel im Nordosten des Landes ist das größte Weinanbaugebiet Österreichs. Es steht zu größten Teilen für absolut trinkbare Alltags-Weine zu niedrigen Preisen, die man auch im Supermarkt erwerben kann. Es ist eine Rechnung, die für viele einheimische Winzer aufgeht: Sie stellen blitzblanke Weine her. Technisch-geprägt, primär-fruchtig, im Stahl ausgebaut.
Klar, dass es ein Winzer wie Herbert Zillinger da schwer hat. Seine Weine aus den Lagen um seinen Heimat-Ort Ebenthal haben oft einen Hefe-Schleier, sind Terroir-bezogen, weit weg von plakativer Fruchtigkeit und zeigen sehr genau, woher sie kommen. In der internationalen Weinwelt, auf den Weinkarten in Kopenhagen, Berlin und New York ist genau dieses ungeschminkte Abbild der Herkunft, das Naturweine transportieren, gefragt wie nie zuvor. Auch der Name von Herbert Zillinger repräsentiert dort die spannende österreichische Wein-Szene. Nicht umsonst exportiert der Winzer 90 Prozent seiner Tropfen ins Ausland.
Denn bei der sensorischen Prüfung der Weinkontrolle fielen Zillingers Weine glatt durch. Dadurch kann er die Herkunft nicht mehr auf der Flasche belegen. „Leider darf ich das Weinviertel nicht mehr transportieren“, wundert sich Zillinger. „Und das ist paradox, denn eben genau diese Weine zeigen genau ihren Lagen-Charakter, weil ich halt keine Chemie aus dem Lagerhaus kaufe und sie damit zurecht poliere.“ Und so steht nun schlicht „Wein aus Österreich“ auf der Flasche. Seine Lagen wie „Ried Vogelsang“, „Hirschenrain“ und „Hohes Eck“, auf denen unverwechselbare Grüne Veltliner wachsen, mussten auf dem Etikett verschwinden. Phantasie-Namen wie „Neuland“, „Horizont“ und „Radikal“ haben sie ersetzt. „Das Qualitäts-Wein-System war ja ein wichtiges Instrument nach dem Wein-Skandal von 1985 gegen die Panscherei in unserem Land, aber jetzt ist das schon lange kein Thema mehr“, sagt der Winzer, der mit bio-dynamischem Ausbau Weine produziert, die dem Weinviertel alle Ehre machen.
2022 Horizont, Grüner Veltliner, € 17, www.zillinger.bio
Wehe, wenn die „Geschmackspolizei“ ermittelt
Was Richard Östreicher in seinem Betrieb im fränkischen Sommerach so anstellt, lässt die Verkoster zucken vor Freude. Es ist ein ganz eigener Weg, den der fränkische Winzer da eingeschlagen hat. Zugegeben, die Weine unterscheiden sich erheblich vom fränkischen Mainstream. Sie sind keiner Mode unterworfen, welcher der Winzer atemlos hinterherhechelt. Sie stehen ganz für sich und blicken in der weißen Abteilung klar ins Burgund mit ihrer Reduktivität und ihrer Kargheit, die Großes im Glas verheißt und dann auch einlöst. Will sagen, diese Gewächse verzichten auf jede Art von Baby-Speck und Holz-Lastigkeit. Sie schmeißen sich nicht an den Konsumenten ran mit den, oft künstlich hin gezimmerten, Aromen nach Gletschereis und dem Blendwerk einer leichten Kohlensäure. Diese Weine wollen einfach erobert werden.
Ein Silberstreif verdeckt nun den Lagen-Namen
Das Geraune früherer Tage mancher Granden der fränkischen Wein-Welt, dass Östreichers Weine nicht gebietstypisch seien, hat ihn nicht angefochten. Schließlich waren seine Gewächse ohnehin chronisch ausverkauft. Dann allerdings fiel der 2022er Silvaner aus der Dettelbacher Lage Honigberg, der auf lehmhaltigen Muschelkalk gewachsen war, gleich zwei Mal bei der Qualitätswein-Prüfung durch. Der berühmte Baden-Winzer Fritz Keller gab ihr weiland den Namen „Geschmacks-Polizei“.
Nur: Ohne amtliche Prüfnummer dürfen die Östreichers (und auch deren Kollegen) keine Weine mit der Herkunft „Franken“, der Nennung der Lage oder des Gewannes in den Verkehr bringen. Der Winzer und seine findige Frau Kerstin, die auf berufliche Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit bauen kann, hatten die richtige Antwort: Sie modifizierten ihr Logo auf dem Etikett, das die in Silber gehaltenen Schleifen des Mains symbolisiert und führten es mit einem Silber-Streif am unteren Rand des Etiketts fort, der den Lagen-Namen nun verdeckt. Würde man die Vorgeschichte nicht kennen, so könnte man das auch für einen gelungenen Relaunch des Etiketts halten.
Neu-Regelung im deutschen Weinrecht
Die geschilderten Wirrungen haben entscheidend mit dem neuen Weingesetz zu tun, das 2021 in Kraft getreten ist mit einer Übergangsphase bis zum Wein-Jahrgang 2026. Es soll den Transfer vom gemachten Wein hin zum gewachsenen Wein darstellen-also vom germanischen zum romanischen Weingesetz. Die Idee, die Herkunft wieder in den Mittelpunkt zu stellen, ist durchaus nachvollziehbar. Sie hat nur einen Haken, den Ernst Büscher, der Sprecher des „Deutschen Weininstituts“ (DWI) benennt: „Das Problem ist, dass die Prüfer ein vorgegebenes Bild von einem Wein im Kopf haben, das veraltet ist. Mit diesen Bewertungen tun sie sich und den Winzern keinen Gefallen. Es liegt nun im Aufgaben-Bereich der Prüfstellen, das Anforderungs-Profil zu verändern.“
Mittlerweile ist im Anbaugebiet Franken Bewegung in die Sache gekommen. Nach einer Erörterung der Sachlage sollen nun charakterstarke, Terroir-geprägte, handwerklich hergestellte Weine bei sensorischen Prüfung anerkannt werden. Fünf mögliche Punkte gibt es zu vergeben. Mit 1,5 Punkten, also quasi „vier minus“ als Schulnote, dürfen die Winzer in Franken wieder etwas von der Herkunft ihres Weines auf dem Etikett erzählen.
Vielleicht lohnt es sich gerade deshalb, schnell noch ein paar Flaschen des silbernen „Fehldrucks“ der Blauen Mauritius des fränkischen Silvaners zu erwerben.
2022 Silvaner sur lie, € 22, www.weinhalle.de
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