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Moshpit auf Konzerten: Warum wird auch auf Hip-Hop-Konzerten gemosht?

Festival

Tanzen bis zum Umfallen: Warum wird auf jedem Konzert ein Moshpit eröffnet?

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    Ein Moshpit gehört zu Metal- oder Punkkonzerten wie Bier und Nietengürtel. Inzwischen wird aber auch auf Konzerten anderer Musikgenres gemosht.
    Ein Moshpit gehört zu Metal- oder Punkkonzerten wie Bier und Nietengürtel. Inzwischen wird aber auch auf Konzerten anderer Musikgenres gemosht. Foto: Konstantin Kondrukhov, Adobe Stock

    Neulich auf einem Hip-Hop-Konzert gewesen und gestaunt: Der Bass dröhnt, die Fans tanzen, da ruft der Rapper plötzlich: „Macht den Kreis auf!“ Schon strömt die Menge auseinander und mit dem Beat springen alle durcheinander und schupsen sich. Hat der Rapper da gerade einen Moshpit losgetreten?

    Stünde eine Punk- oder Metalband auf der Bühne, wäre das nicht weiter erwähnenswert, die Fans hätten vermutlich auch ohne Aufforderung einen Moshpit gestartet, denn das aggressive Getanze gehört zur Szene wie Nieten, Bier und Springerstiefel. Auf Metalkonzerten und Festivals bilden Fans fast immer einen Kreis, um im richtigen Moment zur Musik hineinzuspringen und sich anzurempeln. Gemosht wird spontan, beim bekanntesten Lied, wenn der Refrain einsetzt oder das Gitarrenriff besonders fetzt. Schwitzende Körper, die aneinanderprallen, eskalieren, abgehen, Aggressionen rauslassen – im Metal und Punk ist das seit Jahrzehnten normal.

    Das Gemoshe hat seinen Ursprung im Punk der 1970er-Jahre

    Aber im Hip Hop? Da ging es bisweilen doch recht entspannt zu. Mit dem Kopf nicken, Arme in die Höhe, vielleicht noch mit dem Handtuch wedeln oder mit dem Hintern wackeln, mehr war da an Bewegung eigentlich nicht zu erwarten. Eher wurde noch ein Joint angehauen als der Tanznachbar. Aber das scheint vorbei. Auch auf Hip-Hop-Konzerten wird mittlerweile gemosht. Auf Instagram und Tiktok kursieren tausende Videos von Fans, die das Getümmel filmen und kommentieren. Epic Pit! Crazy Circle! Krasses Gemoshe! Rapper heizen ihre Fans oft noch an, fast wirkt es, als würden sie sich nicht mehr um die kreativsten Punchlines, sondern die heftigsten Moshpits batteln. „Moshpit, ich will, dass ihr alle springt. Mit Anlauf in die Mitte, Ellenbogen trifft dein Kinn“, heißt es in einem Song des deutschen Rap-Duos Lugatti & 9ine.

    Festivalbesucher werden beim Wacken Open Air Festival beim Crowdsurfen über die Menge getragen. Das Wacken gilt als größtes Heavy-Metal-Festival der Welt.
    Festivalbesucher werden beim Wacken Open Air Festival beim Crowdsurfen über die Menge getragen. Das Wacken gilt als größtes Heavy-Metal-Festival der Welt. Foto: Daniel Reinhardt, dpa

    Von solchen mehr oder weniger gehaltvollen Texten mal zur eigentlichen Wortbedeutung: „Mosh“ ist ein Kunstwort, das Metalbands in den 1980er-Jahren prägten, um „starke Gefühle“ oder „Chaos“ auszudrücken, das englische Wort „pit“ bedeutet Grube oder Hölle. Chaotische Grube voller Emotionen – trifft es relativ gut. Seinen Ursprung hat das Gemoshe im Punk der 1970er-Jahre, als Bands wie die Sex Pistols, Ramones oder The Clash die Musikszene aufmischten. Damals hieß das Getanze noch Slamdance oder Pogo, später wurde gemosht, vor allem auf Metalkonzerten. Jetzt also auch im Hip Hop.

    Das einstige Underground-Genre ist längst Mainstream geworden, damit haben sich auch die Genre-Grenzen verschoben. Es wird experimentiert und kooperiert, Musikrichtungen und Stile werden gemischt, das hat Gruseliges (Capital Bra’s Coverversion von „Cherry Cherry Lady“) hervorgebracht, aber auch Spannendes und Innovatives. Rapper wie Jpegmafia, Lil Uzi Vert oder Tyler, the Creator verbinden punkige Elemente mit Hip-Hop-Beats, mit XXXTentacion oder $uicideboy$ hat sich der aggressivere Trap Metal etabliert. Mit dem alternativen Sound hat sich auch das Gemoshe im Hip Hop durchgesetzt.

    Es mag chaotisch wirken, aber auch im Moshpit gelten klare Regeln

    Inzwischen wird auch auf Konzerten anderer Musikgenres gemosht. Das ist an sich nicht schlimm, denn das Getümmel kann unheimlich Spaß machen, wenn man weiß, worauf man sich einlässt und man sich auf die anderen Fans verlassen kann. Problematisch wird es, wenn sich Feiernde nicht an die Regeln halten. Von außen mag es chaotisch wirken, aber auch im Moshpit gelten klare Regeln: Niemand wird unfreiwillig ins Getümmel geschupst oder mutwillig verletzt. Wer stolpert oder hinfällt, dem wird sofort wieder auf die Beine geholfen. Kurz, man nimmt Rücksicht aufeinander. Bei den meisten Konzerten klappt das gut, aber leider nicht immer. Gerade außerhalb der Punk- und Metalszene, in Musikgenres, in der die ungeschriebenen Regeln noch nicht seit Jahrzehnten klar sind, wird teils rücksichtlos gemosht.

    Auch beim Modular Festival in Augsburg haben Fans schon Moshpits eröffnet.
    Auch beim Modular Festival in Augsburg haben Fans schon Moshpits eröffnet. Foto: OG Keemo

    Da wundert es nicht, wenn Konzertbesuchende genervt sind vom Geschupse oder sich unwohl fühlen. Es muss auch nicht zu jeder verzerrten Gitarre oder jedem fetten Beat gleich ein Moshpit losbrechen. Ist auch nicht ganz ungefährlich, wenn sich die Menge plötzlich teilt und sich Fans bei einer „Wall of Death“, wie sich die aggressivere Variante des Moshpit nennt, wie Krieger in zwei Fronten gegenüberstehen, losrennen und gegeneinanderprallen. Selbst manchen Influencern und Musikerinnen geht der Trend inzwischen zu weit, Deutschland habe ein Moshpit-Problem, schreiben manche auf Instagram. Das Gerempel werde inflationär auf jedem Konzert losgetreten. Manche sehen im Moshpit ein Sinnbild für männliches Alphatiergehabe. Mann will Härte beweisen, wer keine Lust hat auf das Getümmel, hat Pech gehabt und wird an den Rand gedrängt. Für andere ist es einfach eine Form der friedlichen Eskalation.

    Rücksichtsloses Gemoshe kann gefährlich werden

    Wenn aber rücksichtlos geschubst wird, kann es gefährlich werden. Beim Auftritt des Rappers Travis Scott, dessen Konzerte für besonders heftige Moshpits bekannt sind, brach 2021 eine Massenpanik aus, zehn Menschen starben im Gedränge. Schlechte Planung, Drogen, aber auch das Gemoshe sollen dazu beigetragen haben. Beim Münchner Hip-Hop-Festival „Rolling Loud“ wollten die Veranstalter im vergangenen Jahr auf Nummer sicher gehen und untersagten Moshpits und die Wall of Death. Die Fans hat das wenig interessiert, sie haben trotzdem gemosht, zum Glück ohne schlimmere Zwischenfälle oder Verletzungen.

    Der Moshpit hat sich im Mainstream durchgesetzt. Bleibt zu hoffen, dass sich bald auch alle an den Moshpit-Kodex halten. Übrigens noch so eine ungeschriebene Regel: Metalheads würden im Moshpit niemals ihr Handy hochhalten, weil sie aus Erfahrung wissen, dass ihnen das Gerät nach zwei Sekunden um die Ohren fliegt. Im Moshpit geht es ja gerade ums Loslassen, wer den Moment festhalten will, bleibt vielleicht besser draußen.

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    3 Kommentare
    Sebastian Mohr

    Da lob ich mir doch die deutlich entspanntere Variante des Schlagerstrudels von einer der wohl bekanntesten Bands aus Augsburg...

    Walter Betz

    "Wenn aber rücksichtlos geschubst wird, kann es gefährlich werden. Beim Auftritt des Rappers Travis Scott, dessen Konzerte für besonders heftige Moshpits bekannt sind, brach 2021 eine Massenpanik aus, zehn Menschen starben im Gedränge." (Zitat) Es ist hatl heutzutage leider festszustellen, dass manche ihr Ego nicht mehr im Griff haben und extrem überreagieren. Da sind halt in erster Linie die Veranstalter in die Pflicht zu nehmen, die ja auch von dem Konsum der Gäste leben.

    Thomas Keller

    Herr Betz, ich erinnere mich wie es mal(oder noch) auf den Eintrittskarten aufgedruckt stand: Der Veranstalter hat keinen Einfluss auf Dauer und Art der Darbietung. Eine schöne Freizeichnungsklausel.

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