Sie spielen in Ihrem neuen Film eine Mutter mit extremen Beschützerinstinkten. Inwieweit flossen da Ihre eigenen Erfahrungen als Mutter zweier Kinder ein?
HALLE BERRY: Seit ich Mutter bin, prägt das all meine Arbeiten unauslöschlich und bereichert mein Spiel. Das gilt natürlich insbesondere dann, wenn ich Mütter spiele. Ich kann die intensive Liebe und das Bedürfnis, zu beschützen, im Innersten verstehen. Selbst wenn die Frau in diesem Film auch von düsteren Gefühlen angetrieben wird, weiß ich, dass damit immer auch Mutterliebe verbunden ist. Genau diese Kombination hat die Rolle für mich so spannend gemacht.
Ihre Kinder sind inzwischen zehn und 16. Wie hat sich das entwickelt?
BERRY: Die Leute hatten mich vorher gewarnt: „Es wird nicht immer rosig sein.“ Und es ist richtig: Kinder können dir auf die Nerven gehen. Es gibt Momente, wo du sagst: „Hör mal mit dem Krach auf.“ Aber gleichzeitig ist meine Liebe bedingungslos. Ich habe immer wieder bedacht: Jedes Mal, wenn du ungeduldig oder sogar grausam zu deinem Kind bist, kann Wunden hinterlassen, die ein Leben lang nicht heilen. Als Elternteil hast du eine gewaltige Verantwortung, und der wollte ich gerecht werden.
Sie hatten ja auch schon Mütter gespielt, bevor Sie selbst Kinder bekamen. Vermittelte Ihnen das vorab Erkenntnisse?
BERRY: Ich habe durch die Arbeit mit Kindern herausgefunden, dass ich bestimmt war, eine Mutter zu sein. Der Umgang mit ihnen fiel mir ganz leicht, war total natürlich. Da wusste ich: Das will ich auch in meinem Leben haben.
Hätten Sie selbst mal einen Beschützer gebraucht?
BERRY: Ich hatte es einmal mit einem Einbrecher zu tun. Zum Glück gelang es mir, mich in einen kleinen Verschlag in der obersten Ebene meines Hauses zu flüchten. Von da aus rief ich die Polizei an. Später drehte ich sinnigerweise den Thriller „The Call – Leg nicht auf“, wo es um einen Notruf geht. Man hat mir die Aufnahme von damals vorgespielt: Meine Stimme klang total schrill, und ich habe pausenlos vor mich hingesprochen.
Aber die Polizei ist damals schon gekommen?
BERRY: Ja, aber das Problem war, dass ich nicht mehr aus diesem Verschlag herauskam. Vor lauter Panik hatte ich es geschafft, mich da hineinzuzwängen, aber als ich mich beruhigt hatte, war das ziemlich schwierig. In meinem Leben hatte ich nie mehr Angst als damals.
Könnten Sie selbst Gewalt ausüben, wenn es sein muss?
BERRY: Ich kann kämpfen, als ginge es um mein Leben, wenn es um Rollen geht. Aber ich bin selbst sehr sanftmütig. Einmal sollte ich meinen Kater einschläfern lassen, der an einem Gehirntumor erkrankt war. Weil du mit Tieren nicht sprechen kannst, wusste ich nicht, ob er Schmerzen hatte. Er schien mir noch lebensfähig zu sein, aber der Arzt hat mich dann überzeugt, dass es für den Kater besser war, weil er sonst leiden müsste. Ich habe eingewilligt, doch es hat mir das Herz gebrochen.
Müssen Sie als Oscargewinnerin überhaupt um Rollen kämpfen?
BERRY:
Es ist ein Mythos, dass du nach einem Oscar mehr Chancen erhältst. Alle Leute denken: „Oh, jetzt kommt die Oscarfee und bringt dir all diese schönen Geschenke.“ Aber das passiert nicht. Der Moment der Preisverleihung ist großartig, aber er ist gleich vorbei, und dein normales Leben geht weiter. Dass ich bestimmte Rollen bekomme, ist alles andere als selbstverständlich. Denn die Verantwortlichen haben nur diesen Tunnelblick: Wenn du so oder so aussiehst oder wenn du dich ausziehst, dann kannst du nur dies oder jenes machen. Die Angebote für wirklich gute Rollen gehen erst mal an andere. Deshalb versuche ich mich neu zu erfinden und die Leute weiterhin davon zu überzeugen, dass ich auch etwas anderes machen kann. Man soll mich in keine Schublade stecken.
Sie haben indes mit bestimmten Rollen auch Reinfälle erlitten – etwa für „Catwoman“, für die Sie die Goldene Himbeere als schlechteste Darstellerin erhielten.
BERRY: Aber die Erfahrung des Drehs war großartig. Nicht immer kommt dabei der Film heraus, den du dir erhoffst. Ich gebe jedenfalls immer 150 Prozent von mir selbst. Doch mehr kann ich nicht tun. Film ist das Medium des Regisseurs. Über das Endprodukt habe ich keine Kontrolle. Bei „Catwoman“ habe ich mich jedenfalls physisch an die Grenzen gebracht, um diese Figur zum Leben zu erwecken. Das hatte etwas Kathartisches an sich – wie eigentlich jede meiner Rollen.
Sie fürchten sich also nicht vor schlechten Kritiken?
BERRY: Nein. Denn auch darüber habe ich keine Kontrolle – ebenso wenig über den Kassenerfolg. Meine Verantwortung besteht darin, hart zu arbeiten, professionell zu sein und meine ganzen Recherchen zu machen. Ich will das bestmögliche Produkt schaffen. Aber meine einzige Angst ist es, nicht mehr zu arbeiten, weil mir jemand nicht erlaubt, das zu tun, was ich liebe.
Doch Sie haben keine Angst vor richtigen Flauten?
BERRY : In all den Jahren in der Branche habe ich gelernt, dass das ganze Leben aus Gipfeln und Tälern besteht. Ich versuche die Höhepunkte zu genießen und auf der Welle zu reiten, im Bewusstsein, dass ich nicht eben auf dem Gipfel bleiben kann und dann wieder ein Tal kommen wird. Das gehört zum Leben dazu und ich setze mich mit den Krisen auseinander, wenn es so weit ist. Letztlich wird das alles von einer größeren Macht gelenkt, die ich nicht steuern kann. Aber ich bin nur auf dieser Erde, um diese Erfahrungen zu machen. Und ich habe ein großes Vertrauen in den Prozess namens Leben.
: Gipfelpunkte Ihres Lebens dürften die Oscarverleihung 2002 und die Geburten Ihrer Kinder gewesen sein. Können Sie noch von anderen berichten?
BERRY: Es gibt einen Moment, an den ich mich für alle Ewigkeiten erinnern werde. Ich war damals in London, wo ich den James-Bond-Film drehte. Um vier Uhr morgens bekam ich einen Anruf: Mein Manager sagte mir, dass ich gerade für meinen Film „Monster’s Ball“ für den Oscar nominiert wurde. Und das war so weit von dem entfernt, was ich mir als Afroamerikanerin je erträumen konnte. Mir war klar, was das für ein bedeutsamer Moment war. Ich werde nie vergessen, wie ich aus dem Bett sprang, im Zimmer auf und ab hüpfte und aus Leibeskräften brüllte. Das war eine der besten Erfahrungen meines Lebens.
In Ihrem Beziehungsleben ist nicht alles so glattgelaufen. Immerhin sind Sie dreimal geschieden. Würden Sie etwas ändern?
BERRY: Nein, denn ich glaube an das Schicksal. Alles, was passiert, ist uns vorbestimmt. Ja, ich habe Fehltritte gemacht, aber gerade aus diesen Momenten habe ich besonders viel gelernt. Ich wäre ohne sie nicht an den Punkt gekommen, an dem ich jetzt bin. Ich bin auch nicht zu so einer desillusionierten Person geworden, die Beziehungen hasst und nicht daran glaubt, dass du einen seelenverwandten Partner fürs Leben finden kannst. Jeder Mensch kommt eben mit einer bestimmten Aufgabe auf diese Welt. Und meine Aufgabe ist es, eine Beziehung richtig hinzubekommen, die richtige Balance zu finden. Ich habe gekämpft, ich habe es nicht so gut hinbekommen wie manch anderer, und ich bin noch nicht ganz am Ziel. Aber die gute Nachricht ist: Ich kann es schaffen.
Haben Sie einen Punkt erreicht, an dem Sie sich als glücklich bezeichnen würden?
BERRY: Absolut. Aber ich bin grundsätzlich eine sehr glückliche Person. Und falls es mir mal schlecht geht, dann weiß ich, dass dieses Tief mir bei meiner persönlichen Entwicklung hilft. Momentan zeigt aber der Trend steil nach oben, und das fühlt sich ziemlich gut an.
Sie hatten es als Kind ziemlich schwer, wurden auch rassistisch gemobbt? Woher kommt diese positive Lebenseinstellung?
BERRY: Meine Mutter hat mir diese Haltung vermittelt. Sie hat mir überhaupt das Beste gegeben, mich auf eine wunderbare Schule geschickt und mich ganz stark gefördert. Wir haben alle den gleichen Ursprung. Äußerlichkeiten sind unwichtig; allein die inneren Werte zählen. So gehe ich an das Leben heran.
Zur Person
Halle Berry, geboren 1966 in Cleveland/Ohio, nahm als junge Frau an mehreren Schönheitswettbewerben – unter anderem der „Miss World“ -Wahl – teil. Ihren ersten Auftritt als Schauspielerin hatte sie 1991 in der US-Comedyserie „Living Dolls“, international bekannt wurde sie mit dem Film „Flintstones“ (1994). Als erste Afroamerikanerin gewann sie 2002 für ihre Hauptrolle in „‚Monster’s Ball‘ einen Oscar, im selben Jahr war sie als Bond-Girl in „Stirb an einem anderen Tag“ zu sehen. Im eben angelaufenen Horrorfilm „Never let go – Lass niemals los“ spielt Halle Berry eine Mutter, die mit ihren Söhnen in einer abgelegenen Waldhütte lebt und von böswilligen Monstern bedroht wird. Die Schauspielerin war dreimal verheiratet, seit 2020 lebt sie in einer Beziehung mit dem Musiker van Hunt.
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