Dies ist ein Text über Taylor Swift. Es könnte sein, dass mit diesem Text gerade irgendein verrückter Rekord gebrochen wird. Dass es zum Beispiel der einmillionste Artikel innerhalb von so und so vielen Monaten ist und dass das davor noch nie eine Musikerin oder ein Musiker geschafft hat. Also, dass so viel über ihn in so kurzer Zeit geschrieben wurde. Die US-amerikanische Sängerin Taylor Swift nämlich bricht alle Rekorde. Auch jene, von denen man gar nicht ahnte, dass es sie gibt beziehungsweise sich bis dato kein bisschen darum scherte. Wie zum Beispiel, dass ihre Ballade „All Too Well“ mit ihren zehn Minuten und 13 Sekunden die längste Nummer 1 der US-Charts aller Zeiten ist. Aha. Oder dass niemand vor ihr mit den Songs eines Albums die ersten zehn Plätze der US-Billboard-Charts belegte. Mhm. Spannender aber für alle jene, die eher gelegentlich durchs Pop-Universum streifen, vielleicht dieser Rekord: Eben wurde Taylor Swift vom Forbes-Magazin in die Liste der reichsten Menschen der Welt aufgenommen, wobei sie laut Forbes - Vorsicht Rekord - der erste Mensch ist, der allein durch den Verkauf von Musik und Konzertauftritte ein Milliardenvermögen angehäuft hat.
Nur durch ihre Musik. Verrückt, oder? Vor allem für jene, die an dieser Stelle sich fragen: mit welcher Musik noch mal?
Und falls Sie zu denen gehören, die dann vielleicht noch vor sich hinmurmeln, Taylor, Taylor, Taylor, das soll mir bitte mal einer erklären, was alle an dieser Frau finden … Darum geht es in diesem Text: Sich das alles bitte mal in Ruhe erklären zu lassen, das Phänomen, der Mensch, die Musik. Und zwar bevor am kommenden Freitag mit der Veröffentlichung ihres 11. Albums „The Tortured Poets Department“ im Taylorverse schon wieder Korken knallen. Befragt wurden dafür zwei bekennende Swifties, nicht unbedingt typisch, aber - kleiner Spoiler - gleich wird man erfahren, den typischen Swiftie gibt es gar nicht.
Die Lieblingskekse von Swift - Chai-Cookies mit Zimt
Jedenfalls: Zum einen Jörn Glasenapp, Professor für Literatur und Medien in Bamberg, 53, der eben ein Buch über die Pop-Ikone veröffentlicht hat, im Sommersemester eine Vorlesungsreihe halten wird und der bereits zwei Konzerte der The-Eras-Tour besucht hat und noch vier weitere besuchen wird, womit er unter deutschen habilitierten Akademikern vermutlich einen Rekord aufstellen wird. Und zum anderen Karin Chao, 17, Schülerin, die zwar bei noch keinem Konzert war, aber der man fast jeden x-beliebigen Song von Taylor Swift anspielen kann und die dann die Zeilen vervollständigt. Und die zum verabredeten gemeinsamen Anschauen des Konzertfilms „The Eras Tour“ die selbstgebackenen Lieblingskekse von Taylor Swift mitbringt, Chai-Cookies, sehr zimtig und wunderbar fluffig.
Vielleicht jetzt aber einfach mal reinhören beziehungsweise reinschauen? "The Eras Tour", 0:09:15, Taylor Swift hat gerade ihren Bizeps geküsst, ihren Fans zugerufen: "You just made me feel so powerful", und zieht sich nun übers Glitzertrikot ein hellgraues Glitzersakko, entworfen übrigens von Donatella Versace, dazu Louboutin-Glitzerboots.
I’m so sick of running as fast as I can
Wondering if I’d get there quicker
If I was a man
And I’m so sick of them coming at me again
‘Cause if I was a man
Then I’d be the man
Wäre ich schneller am Ziel, wenn ich ein Mann wäre? Singt also die erfolgreichste Sängerin der Jetztzeit, gerade eben mal 34 Jahre alt. Noch schneller? Welche Ziele? Noch mehr Grammys (zwölf, viermal für das Album des Jahres), noch mehr Streams (schon jetzt ist sie die Rekordhalterin bei Spotify), noch mehr Follower, noch mehr Fans? Noch mehr Hype?
Stopp, sagt da Jörn Glasenapp am Telefon, weil er an dieser Stelle gleich mal etwas richtigstellen möchte. „Hype, völlig falsches Wort“, weil beim Hype gehe es um ein kurzfristiges Phänomen. Um etwas Aufgeblähtes, das dann wieder zusammenfällt. Taylor Swift aber ist seit fast zwanzig Jahren im Geschäft.
Zeit für Theodor W. Adorno.
Mit dem Kollegen Max Horkheimer stellte der einst die These auf, dass die moderne Kulturindustrie den Menschen durch die Massenmedien standardisierte belanglose Ware aufzwingt, im Musikbereich beispielsweise durch ständiges Gedudel die Menschen mit Seichtem einlullt. Stark vereinfacht gesagt natürlich. Glasenapp sagt, er sieht das anders. Er sagt, auf Dauer irrt die Masse nicht. Weil die Masse sich vielleicht ein hochgeputschtes Album gefallen lässt, aber kein achtes. „Der Geschmack der Leute ist ganz schön gut in letzter Konsequenz. Das ist wirklich mein Plädoyer“, sagt Glasenapp. Mit Glasenapp also könnte man auch sagen: Über zwei Jahrzehnte hinweg hält sich kein Sternchen, sondern verglüht ... Taylor Swift aber überstrahlt derzeit alle.
Der Stern Taylor Swift beginnt im November 2004 zu strahlen
Im Buch „Taylor Swift. 100 Seiten“, erschienen bei Reclam, beschreibt er diesen ersten Abend, mit dem Swifts Stern 2004 zu strahlen begann: Die Bühne des winzigen legendären Bluebird Cafe in der Country-Hochburg Nashville, das blonde Mädchen mit seiner Gitarre, 14 Jahre alt, das seine Eltern überreden konnte, der Musik wegen von Pennsylvania nach Tennessee zu ziehen – und im Publikum der Musikunternehmer Scott Borchetta, der Taylor an diesem Novemberabend sofort einen Plattendeal anbietet, obwohl sein Label noch gar nicht existiert.
15 Jahre und sechs Alben später wird er die Rechte daran verkaufen, nicht an Swift, wie sie es sich wünschte, sondern an den Talentmanager Scooter Braun, der dann wieder weiterverkauft - und Swift wird sich darüber so ärgern, dass sie kurz darauf beginnt die alten Alben noch einmal aufzunehmen - in der Taylor Version. Da ist sie tatsächlich schon so einiges leid, aber dazu gleich mehr. Jörn Glasenapp erkennt jedenfalls schon im Teenager etwas, das - „neben ihrem musikalischen Genie“ - auch den heutigen Star ausmacht: „Außerordentlich durchsetzungsstark zu sein, wenn es um ihre Kunst geht.“
„The Man“, das war übrigens das Lied, mit dem Karin Chao Taylor Swift für sich entdeckte. „Sie müssen sich mal das Video anschauen“, rät sie, da gibt Swift den Mann, der sich alles erlaubt. Sie hat darüber auch ein Referat gehalten. Jedenfalls: So hat es begonnen, so kam sie über das Video, die Musik, dann die Lyrics zum Menschen Taylor Swift. By the way - ihr Englisch sei dadurch wesentlich besser geworden.
Swifties lesen den Film "The Eras Tour" wie ein Tagebuch
Wenn man so weit gelangt ist, also beim Menschen, dann spätestens ist man ein Swiftie: Kann die sogenannten Easter-Eggs decodieren, die geheimen Swift-Botschaften für ihre Fans. Weiß, was es mit der 13 auf sich hat, Geburtstag, Glückszahl. Kennt nicht nur alle legendären Tracks mit der Nummer fünf, sondern vermutlich auch die Namen ihrer drei Katzen und entscheidet sich bewusst, entweder die alten Originalaufnahmen zu hören - „aus Nostalgie“, wie Karin Chao vermutet, oder wie sie aus Solidarität nur noch die neu eingespielten Taylor-Versions. Und trägt Freundschaftsbändchen, wie Swift im Lied „You’re on Your Own, Kid“ rät, Karin vier insgesamt, aber die Zahl wechselt, man tausche ja auch immer wieder.
Als Swiftie kann man den Film „The Eras Tour“ lesen wie einen Entwicklungsroman, wie eine Art Tagebuch, das die Sängerin offenherzig mit ihren Fans teilt. „Es gibt keine andere Sängerin, die öffentlich so runtergemacht wurde, so viel kritisiert wurde, weil sie zu viele Beziehungen habe, weil sie zu jung sei, zu dünn, zu dick, zu unpolitisch, und dennoch steht sie da immer noch strahlend.“ Sagt jetzt Karin, wird so Taylor auf dem Bildschirm später auch singen, wenn die Kekse schon fast gegessen sind: 2:15:04, Taylor Swift im dunkelpinken Glitzerlook. Ein Lied, das Karin Chao für ein wenig überschätzt hält. Es gäbe bessere ...
I stay out too late
Got nothing in my brain
That’s what people say, mm-mm
That’s what people say, mm-mm
‘Cause the players gonna play, play, play, play, play
And the haters gonna hate, hate, hate, hate, hate
Baby, I’m just gonna shake, shake, shake, shake, shake
I shake it off, I shake it off
Wenn einen Menschen beim Thema Swift mit diesem fragenden Blick anschauen, welche Musik noch mal, dann reicht es eigentlich, wenn man „Shake it off“ sagt und dazu ein bisschen summt, und schon erklären sie: „Ah doch, das habe ich schon mal im Radio gehört ...“ Es schwingt da manchmal auch ein bisschen Herablassung mit, weil: Die richtig gute Musik kennt man ja schließlich ...
Was Teenagerinnen schätzen, wird oft als unwichtig abgewertet
Diese Art des Belächeltwerdens hat vor allem die jüngere Taylor Swift begleitet und nicht nur mit Musikgeschmack zu tun. Sondern für Jörn Glasenapp auch mit einer ordentlichen Portion Misogynie, Frauenfeindlichkeit also. „Swift wurde lange Zeit als Popkünstlerin wahrgenommen, die insbesondere von jungen Frauen gehört wurde. Und es hat in der Gesellschaft leider eine sehr lange Tradition, dass gerade im Popbereich, aber auch beispielsweise bei Fernsehserien, das, was Teenagerinnen schätzen, als unwichtig abgewertet wird. Es gibt da regelrecht ein Abwehrverhalten gegen den sogenannten Mädchenkram.“ Was interessiert die Mädchen nämlich schon: Liebe, Freundschaft, Schmetterlings-Haarspangen, ach. Was interessiert also auch deren Vorbild, deren Identifikationsfigur, deren Heldin? Eben. Die jedoch rät: Kümmert euch nicht, schüttelt es ab!
Jetzt aber am Keks weiterknabbern, kurz zurückspulen, und wieder reinhören: „The Eras Tour“, 2:07:43, Taylor Swift, schon leicht verstrubbelt, lehnt im beigen langen Kleid an einen Balken im stilisierten Holzhaus.
And when I felt like I was an old cardigan Under someone’s bed
You put me on and said I was your favorite.
Manchmal werden Swift-Songs als wärmende Decken beschrieben, unter die man sich in dunklen Tagen kuscheln kann, seit dem Song „Cardigan“ aus dem Album „Folklore“ gibt es alternativ dazu die Strickjacke! 2020, mitten in der Pandemie, überraschend erschienen, gilt „Folklore“ gemeinhin als Swifts Meisterwerk. Warum? Für Karin Chao, weil die Sängerin da ihr ganzes Können als Geschichtenerzählerin entfalte, zum Beispiel eine Liebesbeziehung in drei Songs aus unterschiedlichen Perspektiven schildere, also eine ganz eigene Welt erschaffe. Jörn Glasenapp ist da ganz bei ihr. Er sagt, die Wahrnehmung von Swift habe sich spätestens mit diesem Album geändert, in dem sie die nächste Wandlung hin zum Indie-Folk vollzog - an ihrer Seite zum Beispiel ein Star wie Justin Vernon, Kopf von Bon Iver. Kein Mädchenkram mehr, sondern coole Sache plötzlich und für Indies weltweit der Freibrief, Swift nun nicht nur hören, sondern dies auch noch öffentlich zugeben zu dürfen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb übrigens über „Folklore“, dass mit diesem Album „noch dem letzten verschrumpelten Bob-Dylan-Fan klar wurde, dass Swift die bedeutendste Songwriterin ihrer Generation ist“. Kann man so auch im Buch von Jörn Glasenapp nachlesen.
Darum wählte das Time-Magazin Swift zur Person des Jahres: Eine Quelle des Lichts
An dieser Stelle kann man vielleicht auch mal kurz das Time-Magazine zitieren und seine Begründung, warum es 2023 die US–Sängerin als Person des Jahres auf das Cover hob - nach dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj: „In einer geteilten Welt, in der zu viele Institutionen scheitern, hat Taylor Swift einen Weg gefunden, Grenzen zu überschreiten und eine Quelle des Lichts zu sein.“
Weiter zum Film und jetzt zu einem der Lieblingslieder von Karin Chao und auch von Jörn Glasenapp. „Tolerate it“. Taylor Swift sitzt im gelben langen Kleid an einem langen Tisch und erzählt von einer tolerierten, aber nicht erwiderten Liebe: 0:54:10.
If it’s all in my head, tell me now
Tell me I’ve got it wrong somehow
I know my love should be celebrated
But you tolerate it
Ist das aber Universitätsstoff? Auch so ein Thema, bei dem man ja leicht lächeln kann. Shakespeare und Swift? Sylvia Plath und Swift? Jetzt mal ehrlich, Herr Professor Glasenapp? Er findet das aber gar nicht komisch. Im Wintersemester hat er erstmals ein Seminar zu Taylor Swift angeboten, diesen Sommer nun eine Vorlesungsreihe. Glasenapp ist damit nicht allein. An mehreren renommierten Universitäten beschäftigen sich mittlerweile Dozenten und Studentinnen mit ihren Texten. „Und zwar ganz ernsthaft, mit ihrer Kunst“, sagt Glasenapp, der ein erstauntes Luftschnappen darüber wenn dann eher außerhalb seines akademischen Umfeldes wahrnimmt. Als Literaturwissenschaftler kann er da nur sagen: Was die Lyrics betrifft, die Texte, könne Taylor Swift gerade niemand „nur ansatzweise das Wasser reichen“. Die Sängerin schreibe zwar hoch subjektive Texte, die aus ihrer eigenen Lebenswirklichkeit kommen, aber arbeite mit Leerstellen, mit Ambivalenzen – „so wie es auch große Lyrik macht“. Damit liefere sie Fans den Interpretationsspielraum, diese Songs dann wiederum selbst auszulegen: Nähe und Freiraum in einem sozusagen, also das, woran die meisten Beziehungen scheitern. Aber nicht die zwischen den Swifties und Swift. Unterschiedliche Communitys würden daher auch zu ganz anderen Lesarten der Songs kommen.
Teure Tickets - und dann erinnern sich manche Swifties nicht mehr ans Konzert
Das beantwortet übrigens auch die Frage nach dem typischen Swiftie, jung, weiblich, den es so stereotyp nie gegeben habe, und mittlerweile immer weniger. „Nehmen Sie mich“, sagt Glasenapp: „Ich bin auf den Konzerten schon bei den ältesten, aber so selten ist mein Typus auch nicht.“
Jörn Glasenapp zählt übrigens nicht zu den Fans, die sich an ihre Konzertbesuche nicht mehr erinnern können - ein bestauntes und auch wieder gern belächeltes Kuriosum. Aber wie der Literaturwissenschaftler sagt, leicht zu erklären. In einem adrenalinhaften Ausnahmezustand, wie ihn Swifties während der Eras-Tour erleben, kann der Hippocampus angesichts der exzessiv ausgeschütteten Botenstoffe blockieren. Die Folge: Man erinnert sich schlechter, manchmal sogar gar nicht. Die Post-Konzert-Amnesie sei also ein Tribut an die unbändige Freude während des Konzerts. Im Buch schreibt Glasenapp: „Irgendwie beneide ich sie sogar. Zumal es ja auch Handyaufnahmen gibt.“ Perfekte Überleitung zum nächsten Song, 1:38:00. Taylor Swift steht im überlangen roten, ins Schwarze changierenden Glitzermantel mit Gitarre auf dem Podium, inmitten eines funkelnden Handy-Lichtermeeres ...
It was rare,
I was there,
I remember it all too well
Und damit jetzt zu Klatsch und Tratsch. Auch der nährt ja das Phänomen. Oder etwa noch nie von der Fehde zwischen dem Rapper Kanye West und Taylor Swift und dem mitgeschnittenen Telefonat gehört? Besser so! Weil ja doch widerlich, wenn ein Mann herumtönt, eine Frau schulde ihm Sex ... Oder vom Ärger mit dem Musikblogger Bob Lefsetz? Der hatte behauptet, Swift würde bei ihren Live-Auftritten Auto-Tune verwenden, um ihre Stimme aufzuwerten. Die Quittung dafür gab es von Taylor auf dem Album „Speak now“ mit dem Song „Mean“ - so gemein!
Wobei es auch nicht ohne ist – sei gewarnt Travis Kelce, NFL-Spieler der „Kansas City Chiefs“ und derzeitiger Freund von Swift, – sie zu lieben. Sieht übrigens auch Jörn Glasenapp so, es sei von der öffentlichen Beobachtung ähnlich riskant, wie ins englische Königshaus einzuheiraten. Auch weil man sich als Ex-Freund plötzlich im Ouevre wiederfinden kann! Harry Styles, John Mayer, Taylor Lautner ... niemand aber in einer solchen langen Version wie Jake Gyllenhaal! Mehr als zehn Minuten dauert die Ballade „All too well“. Wobei Swift wie auch in allen anderen Fällen nie bestätigt hat, dass sie über den Verflossenen singt. Die Fans aber sind sich einig. Jener Schal, der in „All Too Well“ erwähnt wird, Gyllenhaal soll ihn endlich zurückgeben. Es gibt ihn aber auch zu kaufen - im Swift-Online-Shop.
Gefährliche Liebe - was Travis Kelce bei einer Trennung befürchten muss
Was sagt Karin Chao zu Gyllenhaal? Ach, winkt sie ab, über die Ex-Lover wolle sie eigentlich nicht sprechen. Travis Kelce scheine ja aber ein recht netter Typ zu sein. Und damit zu Donald Trump und im Film zurück fast zu Beginn, 0:13:10, Swift wieder im Glitzersakko, hinter ihr ein Haus mit vielen Zimmern, auch ein Lied, über das man sprechen muss, sagt Karin Chao. Auch wieder gesellschaftskritisch nämlich.
You just need to take several seats and then try to restore the peace
And control your urges to scream about all the people you hate
‘Cause shade never made anybody less gay
Wann kam „You need to calm down“ als Single heraus? Am 14. Juni 2019, Geburtstag von Donald Trump. Und nicht nur Jörn Glasenapp vermutet bei der akribisch alle ihre Schritte vorausplanenden Swift, dass das wohl kein Zufall war. "Du musst dich beruhigen, versuche den Frieden wiederherzustellen, schreibe nicht ständig über Leute, die du hasst, denn Lästern hat noch nie jemanden weniger schwul gemacht ...", singt da Taylor Swift und es klingt wie eine direkte Aufforderung an den unentwegt twitternden und hetzenden damaligen US-Präsidenten. Der war einst Swift-Fan, wähnte sie in seinem Lager, bis Swift begann, Stellung gegen ihn zu beziehen. Da mochte er sie nur noch „25 Prozent“ weniger. Und nun? Oder anders gefragt: Könnte Taylor Swift eine entscheidende Rolle bei den US-Wahlen in diesem Jahr spielen? Antwort von Jörn Glasenapp: „Kann sie. Punkt“. Wenn man bedenke, wie wenige Stimmen zum Beispiel im Bundesstaat Georgia bei der letzten Wahl entschieden hätten, könne sie durchaus zur Königsmacherin werden. Zumal - so die letzten rechten Verschwörungstheorien - das Pentagon Taylor Swift rekrutieren will, als Geheimwaffe für Biden. Zurück zur Kunst. Beziehungsweise zum Film, 2:37:50. Taylor Swift auf der Bühne im Glitzerkleid und auf der Leinwand überlebensgroß im gestreiften Pulli und Jeans, die mit dem Fuß lässig Hochhäuser umkickt.
It’s me, Hi! I’m the problem, it’s me
At teatime Everybody agrees
I’ll stare directly at the sun,
but never in the mirror
Allein dieser letzte Satz sei doch groß, sagt Karin Chao. Lieber in die Sonne starren als in den Spiegel, lieber erblinden ... „Anti-Hero“ heißt der Song aus dem zuletzt erschienenen Album „Midnights“ und für Jörn Glasenapp ist der Song ein gutes Beispiel, um zu erklären, was den Megastar Swift im Unterschied vielleicht zum Megastar Beyonce ausmacht: Da will eine nicht als größer erscheinen, als sie ist, beziehungsweise macht sich über ihren überlebensgroßen Status selber lustig, tapst herum als „Monster on the Hill“. Keine Göttin, keine Diva also und stattdessen Selbstironie und Tollpatschigkeit als Erfolgsmerkmal? „Dünnes Eis“, sagt der Professor, aber er halte sie da für sehr authentisch.
Vorsicht, jetzt aber wirklich dünnes Eis, ähem, wie soll man sagen, aber wie sieht er denn die stimmliche Qualität? Ist das nicht alles ein wenig dünn und hauchig? Tiefes Einatmen am anderen Ende der Leitung. „Sie ist keine Gesangsakrobatin wie Adele oder Beyonce, aber als Sängerin hat sie sich entwickelt und wurde lange unterschätzt“, sagt Glasenapp, und was das Hauchige betrifft: Das erzeuge bewusst die für Swift wichtige Nähe, und ja, er findet ihre Stimme gerade wegen ihrer Hauchigkeit großartig. Man solle doch mal „Maroon“ anhören ... Karin Chao sagt es übrigens ähnlich diplomatisch so: „Es gibt bessere Sängerinnen, aber keine bessere Songwriterin.“
Neues Album, neue Zeilen, geht es um die alte Liebe Joe Alwyn?
Letzte Frage an beide: Was erwarten sie vom neuen Album? „Poetisches wie bei ,Folklore'“, sagt Karin Chao. Jörn Glasenapp kurz: „Großes.“ Zeit für den letzten Keks, 2:55:44. Taylor Swift trägt überm Trikot eine glitzerblaue Fransenjacke und singt:
Karma is my boyfriend
Karma is a god, ah.
Auch das Karma also ein Swiftie. Eben übrigens das Neueste gelesen. Es deutet angeblich viel daraufhin, dass Swift im neuen Album ihre alte Liebe Joe Alwyn singt? Oder wie soll man die angebliche Songzeile "Selbst Statuen zerbröckeln, wenn man sie warten lässt" sonst deuten? In Heidelberg bietet ein Pfarrer Swift-Gottesdienste an, um jüngeres Publikum ins Gotteshaus zu locken. Courtney Love findet derweil Taylor Swift überschätzt, als Künstlerin sei sie uninteressant... aha. Zeit für den nächsten Rekord.