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Buchtipp Frühjahr 2025: „Dream Count“ von Literaturstar Adichie: Die Männer kommen nicht gut weg

Buchtipp Frühjahr 2025

„Dream Count“ von Literaturstar Adichie: Die Männer kommen nicht gut weg

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    Literaturstar Chimamanda Ngozi Adichie erzählt von den Sehnsüchten der Frauen.
    Literaturstar Chimamanda Ngozi Adichie erzählt von den Sehnsüchten der Frauen. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/ZB

    Wer erinnert sich? Lange vor der MeToo-Bewegung, im Jahr 2011, wurde Dominique Strauss-Kahn am John F. Kennedy-Flughafen von New York festgenommen. Der damalige Direktor des Internationalen Währungsfonds wurde damals als aussichtsreicher Kandidat der Sozialisten für die französische Präsidentschaftswahl gehandelt. Die politische Karriere von Kahn aber war an diesem Tag beendet: Vor laufenden Kameras wurde er abgeführt. Kahn, so der Vorwurf, habe ein Zimmermädchen im Hotel Sofitel gewaltsam zum Oralsex gezwungen. Zum Strafprozess kam es nicht, weil die Staatsanwaltschaft an der Glaubwürdigkeit des Opfers zweifelte. Das Zivilverfahren endete mit einer außergerichtlichen Einigung.

    Soweit zu ihm. Nun zu ihr.

    „Geschichten sterben und verschwinden aus dem kollektiven Gedächtnis ausschließlich, weil sie nicht erzählt werden. Oder eine einzige Version setzt sich durch, weil andere Versionen zum Schweigen gebracht wurden“, schreibt Schriftstellerin Chimamanda Ngoza Adichie im Nachwort zu ihrem eben erschienenen Roman „Dream Count“. Da aber kann Literatur gegen wirken. Der Literaturstar erzählt, zwölf Jahre nach ihrem gefeierten Werk „Americanah“, nun angelehnt an den realen Fall, eine andere Version, als „Geste der zurückgegebenen Würde“, wie sie es formuliert. Ihrer fiktiven Figur Kadiatou aus Guinea widerfährt gleiches, aber sie muss die Hetze danach nicht allein durchstehen. Adichie stellt ihr drei kluge, empathische Frauen zur Seite: Die Reiseschriftstellerin Chiamaka, die Rechtsanwältin Zikora und die Bankerin Omelogor. Etwa alle im Alter der 1977 in Nigeria geborenen Adichie. Der Reihe nach taucht der Roman in das Leben dieser Frauen ein, die sich nicht abfinden wollen mit dem, womit sie sich der Gesellschaft nach doch zufriedengeben sollten. Und die im ständigen Austausch sind über das, was die sogenannten weiblichen Themen sind: Wann Kinder bekommen oder überhaupt zum Beispiel? Welche Männer kommen als Väter in Frage? Wie ist der Blick auf die eigene Mutter?

    Die Männer: Der eine statusbesessen, der andere verheiratet. Einer fies.

    Ein feministischer Gesellschaftsroman also, der die Welt aus Frauensicht betrachtet und scharf analysiert. Genau das, was man von Adichie erwartet hat, deren legendärer Ted-Talk-Titel „We should all be feminists“ auch schon von Dior auf T-Shirts gedruckt und die von Beyoncé in ihrem Song „Flawless“ zitiert wurde. Zum Thema macht sie nun die unerfüllten Träume der Frauen. „Ich habe mich immer danach gesehnt, von einem anderen Menschen erkannt zu werden, wirklich erkannt“. Mit diesem Satz ergreift als Erste im Reigen Chiamaka das Wort, unabhängig durch das Vermögen ihrer Eltern, bildschön, kinderlos und verfolgt von einer gewissen Glücklosigkeit im Beruf wie auch bei den Männern. Während des Lockdowns in der Corona-Pandemie macht sie nun Inventur: Zählt die zerplatzten Lebens- beziehungsweise Liebesträume, der titelgebende „Dreamcount“. Die Traummänner treten auf und entzaubert wieder ab, merkwürdig blass, fast stereotyp von dieser sonst so wortreich erzählenden Schriftstellerin gezeichnet: ein verheirateter Engländer, ein statusbesessener Niederländer, ein anständiger Nigerianer und der afroamerikanische Kunstgeschichtsprofessor, den Chiamakas Reichtum derart in seiner Männlichkeit bedroht, dass er sich zwar Laptops und Reisen gerne zahlen lässt, im Gegenzug aber sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit abqualifiziert und demütigt.

    Aber auch die drei anderen Frauen treffen eher auf Trauma- denn auf Traumtypen: Chiamakas Freundin Zikora, erfolgreiche Rechtsanwältin, sehnt sich nach Ehe und Kind, aber wird von ihrem eben noch so verlässlich erscheinenden Freund verlassen, als er von ihrer Schwangerschaft erfährt. Warum? Die Antwort bleibt er und Adichie schuldig, stattdessen erzählt sie von neuer Vertrautheit zwischen Zikora und ihrer Mutter, einst vom Vater für eine Zweitfrau verlasse.

    Omelogor hilft dem korrupten Chef - macht dabei selbst ihren Schnitt

    Chiamakas Cousine Omelogor wiederum hilft als Bankerin in Nigeria ihrem korrupten Chef, Millionen in die eigenen Taschen zu scheffeln, macht dabei aber auch selbst ihren Schnitt – gibt einen Teil als Mikrokredite an Frauen weiter. In den USA will sie einen Master in Kulturwissenschaft machen, verliert zwischen woken und selbstgerechten Kommilitonen Sinn und Selbstsicherheit. Ein Traum geplatzt, der nächste von einer Tante ins Gehirn gepflanzt: Sollte sie jetzt nicht vielleicht doch noch ein Kind adoptieren?

    Und damit noch einmal zu Kadiatou, deren Geschichte, sich nicht recht einfügt in diesem süffig erzählten, aber manchmal dahingeplauderten Roman: weil sie in ihrer Dringlichkeit heraussticht. Hier die wohlhabenden Kosmopolitinnen, die zwischen Luxuswohnungen und Villen in Nigeria und den USA pendeln, und deren Gespräche an die Serie „Sex and the City“ erinnern, da die aus armen Verhältnissen stammenden Kadiatou, mehrfach Opfer männlicher Gewalt. Durch einen windigen Verehrer ist sie mit ihrer Tochter in den USA gelandet. Ihr Traum? Ein Restaurant zu eröffnen. Deswegen arbeitet Kadiatou im Hotel, führt nebenbei Chiamaka das Haus. Dann der Albtraum.

    Wirklich erkannt zu werden? In der Liebe gelingt es Adichies Heldinnen in diesem Roman nicht, dafür in der Freundschaft – Solidarität unter Frauen, ein Traum!

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    1 Kommentar
    Marianne Böhm

    Sind in diesen Roman wieder nur die Frauen die Opfer.. und Mann der Täter.. das sehe ich nicht mehr so.. ! Solidarität unter Frauen habe ich in meinem langen Leben sehr wenig erlebt und sogar heute noch mit über 70 Jahren lauern Neiderinnen, Gegnerinnen, bei jeder Falte, Kilo, ledig , verheiratet usw.. hinter jeder Tür.. Frauen machen sich das Leben viel zu schwer.. sie verharren und sehen sich immer noch in ihrer Opferrolle, während sie ihr Gegenüber verbal abwatschen, vor allen Mann..

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