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USA und Deutschland: Zerbricht da gerade eine Freundschaft?

Was wird aus den Vereinigten Staaten?
Foto: Adobe Stock
Transatlantische Beziehungen

Abschiedsbrief an die USA: Zerbricht da gerade eine Freundschaft?

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    Es begann mit einem Hochstapler. Das erscheint rückblickend konsequent, denn ob diese Sache mit den USA und mir nicht von Anfang an nur eine Täuschung war, zumindest aber eine einseitige Angelegenheit, das frage ich mich heute. Jeder hat seine Amerika-Geschichte. Karl May jedenfalls, der alte Pelzmantel-Erschleicher, formte mit seinen tannengrün-golden ummantelten Abenteuermärchen meine ersten Bilder der Vereinigten Staaten. Weite Prärien, die Rocky Mountains im Hintergrund, tiefe, im Sonnenuntergang kupfern leuchtende Canyons, der wilde Westen, der Pueblo der Apachen, Winnetou, Old Shatterhand und die Blutsbrüderschaft. Santer.

    Inflationäre Klischees. US-Imaginationen. Die May-Fantasien später überlagert von Pierre Brice, Lex Barker, dem kroatischen Velebitgebirge. Und Mario Adorf. Unterlegt mit den Klängen Martin Böttchers. Dass es kein Happy End (diese perfideste aller Hollywood-Listen) gab, auch das hätte einen schon damals stutzig machen müssen. Aber was weiß man schon als Zehnjähriger? Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, war für mich der St. Martins-Umzug in der Bonner Innenstadt das wichtigste Ereignis. Der mit seinen Eltern aus Rumänien geflohene Mitschüler konnte am nächsten Tag im Geschichtsunterricht deutlich mehr zum nahenden Ende des Ostblocks sagen. Prägender, viel prägender war für mich der 17. Januar 1991. Operation „Desert Storm“ begann. Saddam Hussein hatte seine Truppen Kuwait erobern lassen. Die USA und ihre Alliierten intervenierten. „Boots on the ground“. Der erste Live-Krieg der Geschichte. Am Morgen, das weiß ich noch genau, sitzt mein Vater in der Küche, der Deutschlandfunk läuft. Eine Kakaotasse steht für mich auf der Anrichte. Sein lapidarer Satz mit Wucht: „Die Amerikaner haben angegriffen.“

    Amerika, das war der große Bruder

    Es war damals für mich klar, dass sie uneingeschränkt die Guten sind. „Wag the dog“, diese „American-Hero“-Satire, sah ich erst Jahre später. Ich bin in den 70ern im „Westen“ geboren. Dass es den tatsächlich nie gab, schon klar. Aber wer, sagen wir, westlich sozialisiert wurde, also in der alten Bundesrepublik aufwuchs, der ist (pop)-kulturell so (US)-amerikanisch geprägt, so imprägniert, dass man das heute nur ganz schwer aus den Kleidern kriegt. Amerika, das war für mich und für viele andere der große Bruder.

    Der Vietnam-Krieg, 1968, viel zu weit weg. Etwas, das man sich später erlas, das ich aber nie wirklich fühlte. Selbst die Finsternis von „Apocalypse now“ reichte dafür nicht. Zeitzeugnis schlägt Fiktion.

    Die USA, das waren zunächst einmal ganz alltäglich: Die als Kind immer verbotene Coca-Cola (später der wirklich fabulös im Dunkeln leuchtende Coca-Cola-Weihnachtstruck), Wrigley´s Kaugummis (pfui, aber ja, die Gelben), später die Levis 501 (wer Jinglers trug, wurde verhauen), dann „Air“ Jordan, später die erste amerikanische Zigarette (mit 14 irgendwo im Wald auf einer Jugendfreizeit in der Eifel), das war McDonald’s am Bonner Friedensplatz (ziemlich oft samstags, weil da wäre sonst Doppelstunde Mathe gewesen), das war das Skateboard von Powell Peralta, das ich gerne gehabt hätte. Die USA waren weit weg und waren doch überall. Sie waren das Land, in das man unbedingt reisen wollte. Damals waren sie für mich, wenn man es zusammenfasst, eine Dieter-Blum-Fotografie. Der berühmte Marlboro-Man. Sie waren „der Geschmack von Freiheit und Abenteuer“.

    Waren. Das Entscheidende, was allerdings weder Kopf noch Herz so richtig durchdringt, ist die Vergangenheitsform. Nicht, dass es nicht vorher absehbar gewesen wäre, längst hätte klar sein müssen, allerspätestens seit offensichtlich wurde, dass Donald Trump eine gute Chance hat, wiedergewählt zu werden und die US-Justiz seiner nicht Herr wird. Selbst der Auftritt von J.D. Vance bei der Münchener Sicherheitskonferenz reichte bei einigen noch nicht. Müsse man dem doch zumindest erst einmal zuhören, sagten manche hinterher, müsse man nachforschen, ob dieser AfD-Wahlkämpfer nicht doch einen Punkt habe. Nein, hat er nicht. Aber es bedurfte erst der historischen Szene im Oval Office, der geplanten öffentlichen Demütigung Wolodymyr Selenskyjs, damit auch den letzten klar wurde: Die USA sind nicht mehr die Guten. Trump holte eine sehr deutliche Mehrheit. Die wusste genau, was sie da wählt.

    Can fool some people sometimes

    Frei nach Abraham Lincoln: You can fool some people sometimes, but you can't fool all the people all the time. Oder doch?

    Sicher, die USA gibt es nicht. Und sie war nie ausschließlich gut gewesen. Aber dieser weltpolitische Frontalzusammenstoß, live und global übertragen, war der letzte, öffentliche Beleg dafür, dass im Weißen Haus ein autokratie-affiner Proleten-Präsident sitzt, der Martin Scorseses „Paten“ nicht unähnlich ist und Sicherheit nur gegen Geld garantiert. Ein Ex-Führer der vormals freien Welt. Ich habe mir diese erbärmliche Inszenierung mehrfach angesehen. Aber trotz der Fakten, obwohl ich Vance auf der Sicherheitskonferenz beobachtet habe, also wider besseres Wissen, in vollem Bewusstsein dessen, was neokonservative Thinktanks für die USA und die Welt ersonnen haben, dachte ich kurz danach – zunächst – noch immer: Trump ist zwar ein verurteilter Straftäter, er ist ein widerlicher Populist, die antidemokratische Disruption, er ist eitel, mehr als erratisch, die katastrophal frisierte Unberechenbarkeit auf zwei Beinen. Aber er veranstaltet dieses schwarz-pädagogische Schauspiel vielleicht doch nur, weil er noch irgendwo ein Ass im Ärmel hat. Von dem man erst später verstehen wird, dass das alles vielleicht schon seine Richtigkeit hatte. Weil die USA so doch nicht sind. Oder?

    Verrückt? Nein. Psychologen nennen dieses Phänomen „normalcy bias“. Gemeint ist: Menschen verzerren ihre Normalität in Momenten, in denen eine Bedrohung erscheint oder sich eine Katastrophe abzeichnet. Sie machen sich erfolgreich vor, das Leben werde trotzdem schon irgendwie weitergehen. Sie verharmlosen, was geschieht. Alles doch fast wie gewohnt. Ich weiß es besser, aber ich verzerre meine Wahrnehmung noch ziemlich gut. Weil, ja, weil ich Trump, die Trump-Administration trotz allem noch immer nicht vollumfänglich als das wahrnehme, was sie tatsächlich ist. Weil doch dieses Land so gigantisch ist, so wirkmächtige Eindrücke hinterlässt, so eine Verheißung war. Es dauert einfach.

    1989, als sich meine ersten USA-Bilder prägten, war der ehemalige KGB-Agent Wladimir Putin gerade in Dresden stationiert. Er hatte den Spitznamen „Giftzwerg“. Und der Immobilienunternehmer Donald Trump war damals mit dem Bau des Casinos Taj Mahal in Atlantic City beschäftigt. Außerdem schaltete er damals in New York ganzseitige Zeitungsanzeigen, in denen er die Rückkehr zur Todesstrafe forderte. Der Anlass: Im Central Park war eine Joggerin vergewaltigt worden. Verurteilt wurden fünf unschuldige latein- und afroamerikanische Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren. Trumps Anzeigen waren mit seiner Unterschrift signiert. Er schrieb darin unter anderem: „Ich möchte diese Räuber und Mörder hassen dürfen. Sie müssen leiden – und wenn sie töten, dann müssen sie wegen ihrer Verbrechen hingerichtet werden.“ „Central Park Five“ (Netflix: „When they see us“) gilt als einer der größten Justizskandale der jüngeren US-Geschichte. Ich war zu diesem Zeitpunkt nach der Schule damit beschäftigt, Old Surehand zu lesen. An der Wand hing eine Collage aus Grand-Canyon-Bildern, die ich aus Reisekatalogen zusammengeschnitten hatte.

    Die Amerika-Bilder verdichten sich im Laufe der Jahre

    Die Jahre vergehen, die Amerika-Bilder verändern und verdichten sich. Allerdings ganz unterschiedlich: Der Onkel des Nachbarjungen ist Pilot bei einer US-Fluglinie. Er ist der Auswanderer, der es geschafft hat. Wenn er im Sommer manchmal zu Besuch ist und drüben gegrillt wird, höre ich seinem breiten Akzent fasziniert zu. Er ist, nun ja, mein erster Amerikaner.

    Nun einmal Zeitraffer: Bill Clinton wird Präsident, Kurt Cobain erschießt sich, der Grunge lebt weiter. Der erste US-Superstar, den ich live sehe, ist allerdings jemand ganz anderes: 1997 tritt Michael Jackson im Müngersdorfer Stadion auf. Was eine Show ist, und warum die Amis Popkultur besser können als alle anderen, weiß ich seit dieser Nacht in Köln. In der Schule komme ich am nächsten Morgen viel zu spät zur Klausur. Note: glatt sechs. War mir egal.

    Andererseits: Englisch-Leistungskurs. Gute Lektionen. Die Idee des „Melting Pot“. Die Unabhängigkeitserklärung und das „Streben nach Glück“. Zum ersten Mal eine Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe. Zum ersten Mal „Endstation Sehnsucht“ und in der Verfilmung zum ersten Mal: Marlon Brando. Überhaupt Hollywood. Ein Kosmos für sich, die Traumfabrik, ich bin ein empfänglicher Kunde. So viele Filme. Die, die mir Amerika nähergebracht, mich dieses riesige Land, seine Vorzüge und Abgründe anders haben verstehen lassen: die Stephen-King-Verfilmung von „Stand by me. Geheimnis eines Sommers“, Robert de Niro „In den Straßen der Bronx“, „Pulp Fiction“, klar, David Cronenbergs „A history of violence“, Scorseses „Gangs of New York“ und „American History X“. Edward Norton als amerikanischer Neonazi. Die Bordstein-Kick-Szene.

    Diesen fürchterlich-beeindruckenden Film sehe ich, als ich schon an der Uni war. Eine ganze Reihe überaus meinungsstarker Kommilitonen studierte „Geschichte Lateinamerikas“ im Hauptfach. Wo meine Amerika-Collage Leerstellen hatten, hier wurden sie gefüllt. Dass die Großmacht USA nie ausschließlich gut waren, davon können sie von Kuba bis Kap Hoorn erzählen. Schöne Grüße nochmals an die CIA an dieser Stelle.

    Wirkmächtiger war aber wieder etwas anderes. Der Hip-Hop ist längst nicht mehr Subkultur, sondern Mainstream. Es bounct immer mehr durch Deutschland. Die Hosen hängen tiefer. Wann immer ich nach Hause komme, rügt meine Mutter diese „Mode“. Outkast. „Two dope boyz in a cadillac“. Wenn man heute so durch die Playlist schaut, rückblickend, lieber Brother Alis „Uncle Sam, Goddam“: „Welcome to the United Snakes, Land of the thief, home of the slave, grand imperial guard, where the dollar is sacred and - “

    Und dann kam 9/11

    George W. Bush Junior wird Präsident. Und dann passiert das, was für meine Eltern die Ermordung John F. Kennedys war. Jeder in dieser Generation weiß noch, wo er war, als JFK erschossen wurde.

    Mein 22. November 1963 ist natürlich 9/11. Ich mache gerade mein allererstes Zeitungspraktikum bei den Aichacher Nachrichten und sehe noch heute das ungläubige Gesicht der Kollegin. Der Fernseher läuft, eine Eilmeldung war über den Ticker gelaufen, ein Flugzeug sei in den Nordturm des Word Trade Centers geflogen. Eine gewaltige Rauchsäule steigt über der Skyline von Manhattan auf. Im Live-Bild ist zu sehen, wie wenig später der United-Airlines-Flug 175 im Südturm einschlägt. America under attack. Bis dahin war das undenkbar. Der Angriff auf Pearl Harbor liegt viel zu lange zurück. Ich erlebe die erste Nachrichtenlage, verbringe die Nacht vor dem Fernseher und weiß noch heute, wie die dumpfen Geräusche klangen, die in der Übertragung zu hören waren. Immer dann, wenn jemand sprang. Was es heißt, mit einem Land zu fühlen, erschließt sich mir in diesem Spätsommer 2001. Dass es andere Anlässe gegeben hätte, mit anderen Menschen und Ländern zu fühlen, weiß ich auch. Aber 9/11 ändert alles. Es ist eine Sollbruchstelle. An diesem Tag war ich Amerikaner, ohne jemals einen Fuß auf US-Boden gesetzt zu haben. Trotzdem, das lässt sich aber nur von heute aus sagen, beginnt ab dann die Entfremdung. Unmerklich zunächst.

    November 2005. Der große Bruder hat Stress. Im Nahen Osten, in Afghanistan, die Jagd auf Osama bin Laden und der Kampf gegen den Terrorismus ist lange nicht vorbei. Das erste Mal New York. Endlich. Das Studium ist vorbei und ich reise mit einem Journalisten-Stipendium für ein paar Monate nach Montreal. Ich arbeite für einen kleinen Radio-Sender und recherchiere ein bisschen für den Dokumentarfilmer Colin Low. Aber ich habe auch eine Menge Zeit. Meine damalige Freundin besucht mich in Kanada und wir nehmen einen Bus nach Süden. Ankunft am frühen Morgen. Der Mond über Manhattan ist längst verschwunden. Sonnenaufgang. Der Blick über den Hudson durch das Busfenster. Empire State of Mind. Es fühlt sich an, wie nach Hause kommen. Aber wer reist (und deshalb ist das ja so wichtig), lernt schnell, dass die gemachten und erschaffenen Bilder der Realität nicht standhalten. Nicht falsch verstehen: New York war und ist großartig. War und ist unfassbar teuer, beziehungsweise „schiky“, wie Carrie Bradshaw gesagt hätte. Es waren leicht verlebte Tage.

    Eher so ein „Sex-and-the-City“-Mindset

    Dass es in New York viel krassere Armut gibt, als all die Hochglanz-Serien glauben machen wollen, weiß man zwar. Aber man muss die Obdachlosen auf den Straßen liegen sehen, die Menschen mit den schlechten Gebissen anschauen, um zu verstehen, dass die USA Marktwirtschaft betreiben, keine soziale Marktwirtschaft. Einer der Stadttrips führt auch durch die Bronx. Man nennt das, schuldig im Sinne der Anklage, Elendstourismus. Die Mittelfinger, die wir dabei gezeigt bekamen, sahen wir zurecht. Zur Wahrheit dieses ersten Mals gehört auch: Bei der Einreise an der Grenze holten die Beamten nur Menschen mit dunkler Hautfarbe aus dem Bus. Bei den Weißen genügte offenbar ein Blick in den Personalausweis. Aber das schreibe ich heute. Mit geschärftem Blick. Als wir fuhren, hatten wir eher so ein „Sex-and-the-City“-Mindset. Und dieser Eindruck überlagerte dann erstmal wieder alles.

    2005 entsteht in einem Bus, der für die Fernsehsendung „Access Hollywood“ unterwegs ist, ein Video, das später ein politisches Beben auslösen sollte: Donald Trump erzählt dort einem Georg W. Bush anverwandten Fernsehmoderator, was er mit Frauen einfach meint, tun zu können. Just locker-room-talk? Wohl kaum.

    Washington als neues Rom

    Sommer 2007. Das erste Mal in Washington. Ein Journalisten-Trip in den US-Vorwahlkampf. Es ist weder klar, wer für die Demokraten antreten wird, noch wer für die Republikaner. Bush beendet gerade seine zweite Amtszeit, und bei den Demokraten laufen sich Hillary Clinton und Barack Obama warm. Wir reden mit Abgeordneten, mit Wahlkampf-Beratern, mit Kollegen. Der BBC-Korrespondent Matt Frei sagte mir damals: „Das Internet läuft dem Fernsehen den Rang ab.“ Der Grund liegt in den Möglichkeiten, die etwa eine Plattform wie „Youtube“ bietet. Ein wichtiger Faktor ist das so genannte „negative campaigning“, das Heruntermachen eines Konkurrenten. Frei sagte außerdem: „Wenn sie in einer Kampagne etwas sagen, was irgendwie daneben geht, dann ist die Kampagne tot.“ Nun. Die guten alten Zeiten, was? Es war einmal, Amerika. Allerdings war das nur die politische Analyse.

    Viel wichtiger aber, und das ist von dieser Reise hängen geblieben, waren zwei Sachen. Bei der Fahrt durch die US-Hauptstadt sieht man allein schon an der Architektur, wie sehr sich die USA am antiken Rom, der Weltmacht, orientiert haben. Peter Sloterdijk hat dazu in seinem jüngsten Buch „Europa – Kontinent ohne Eigenschaften“ ein interessantes Kapitel geschrieben, wie das „Imperium“, ursprünglich ja mal eine strikt begrenzte Befehlsgewalt, über den Atlantik gewandert ist. Die neue und damals einzige Weltmacht USA war 2005 eine, die schon seit Jahren wieder teure Kriege führte. Das konnte man nicht nur an den Gräbern am Veteranenfriedhof von Arlington spüren, das sah man auch im Stadtbild. In europäischen Metropolen hatte ich noch nie so viel Militär gesehen. Und ein zweiter Eindruck, der hängen blieb: Im State Department, dem US-Außenministerium, war die Europa-Abteilung deutlich kleiner, als ich das erwartet hätte. Denn deutsche Bundesregierungen, egal welcher Couleur, allesamt vorbildliche Transatlantiker, betonen immer ihre ganz besondere Beziehung zu den USA. Offenbar aber war sie für Deutschland besonderer als für die militärische Schutzmacht.

    Barack Obama gewinnt 2008 die Wahl gegen den Vietnamveteranen John McCain. Change. Yes, we can. Bei der Amtseinführung ziemlich gerührt gewesen. Schon Obama konzentriert sich außenpolitisch allerdings mehr und mehr auf Asien und China. Und er nennt Russland eine „Regionalmacht“. Das war 2014, als Putin die Krim annektieren lässt. In den USA ist längst schon eine der besten HBO-Serien überhaupt ausgestrahlt worden: „The Wire“. Dominic West und Wendell Pierce ermitteln in der runtergekommenen Hafenstadt Baltimore. Der sogenannte Strukturwandel: Arbeitslosigkeit, Drogenkriminalität, die Regionalzeitung, die auch dort zum Teufel geht. Großangelegte Serien sind die neuen Romane. Das ist damals die inflationär diskutierte These in den Feuilletons. Baltimore wird zur Kulisse des Niedergangs. „House of Cards“, oder wie in Washington ein eiskalter Machtmensch Präsident wird, folgt bald.

    Was wird Lady Liberty 2040 sehen?

    2014. Wieder New York. Mein bester Freund ist ins ARD-Studio versetzt worden. Die Obama-Jahre sind noch nicht vorbei. Ich streune durch die Straßen, begegne John Slattery irgendwo auf der Lower Westside, einem der Mad-Men Hauptdarsteller. Und habe wieder einen dieser New-York-Momente. Realität und Fiktion vermischen sich. Später irgendwo Pancakes mit Ahornsirup, angeblich da, wo auch Ethan Hawke gern frühstückt. Die Tage verbummeln, abends nach Brooklyn zu den „Nets“. Das Gefangenenlager auf Guantánamo gibt es immer noch. Darüber nachgedacht habe ich wenig. Schon wieder überwältigt von dieser unglaublichen Stadt. Zum ersten Mal mit der Fähre rüber nach Liberty Island. Die Freiheitsstatue steht da, wie man sie kennt, empfängt die „Müden“ und „geknechteten Massen“, das Symbol für alles, was die USA gerne wären und vielleicht nie waren?

    Ob ich dort nochmals hinkomme? Es wird schwieriger, in die USA einzureisen. In welchem Land wird Lady Liberty dann in die Ferne schauen? Und was wird sie sehen? In Philip K. Dicks Roman „Das Orakel vom Berge“ (“The Man in the High Castle“) haben die Nazis den Zweiten Weltkrieg gewonnen. Er spielt 1962. Die Westküste ist japanisch, die Ostküste deutsch. Der Buchdeckel zeigt eine Landkarte, die neue Weltordnung.

    Ich habe neue, dunkle USA-Bilder im Kopf. 2040. JD Vance ist noch immer US-Präsident. Wahlen finden jetzt seltener statt. Das ausgedehnte US-Reich erstreckt sich – im Atlas in schönem Republikaner-Rot gehalten – von der Nordspitze Grönlands bis zum Golf von Amerika. Kanada ist, man war am Ende dankbar, längst ein US-Bundesstaat. Drüben, im alten Europa, gibt es die EU nicht mehr. Man hatte sich nicht auf gemeinsame Rüstungsstandards einigen können. Danach war nach und nach endgültig alles zerbröckelt. Die Ukraine ist schon seit Jahren wieder russisch. Es gibt nur noch mehr oder minder unabhängige europäische Vasallenstaaten. Manche haben Russland als Schutzmacht, manche China. Vance hatte es schon 2025 gehasst, den Europäern wieder aus der Klemme helfen zu müssen.

    Bye, for now.

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    6 Kommentare
    Rainer Kraus

    Der Bericht könnte das Bekenntnis eines Naiven ohne Erfahren sein, der zu viel Hollywoodfilme angeschaut hat. Die USA hat immer öffentlich darauf hingewiesen: „We are not our friends, we are your Ally“. Und jeder, der das kapiert und im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, konnte nicht enttäuscht werden.

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    Jochen Hoeflein

    Im Grunde die richtige Einschätzung. Um zum Hollywood Klischee zurück zu kommen: Man reitet ein Stück des Weges gemeinsam und trennt sich dann- wie im Western. Habe mehrere Jahre in USA gelebt - und habe dabei den Geschmack von Abenteuer und Freiheit wie in der Marlboro Werbung erlebt , aber auch die Schattenseiten gesehen. Kein Mitleid mit dem Verlierer; the winner takes it all.

    Robert Miehle-Huang

    „Habe mehrere Jahre in USA gelebt - und habe dabei den Geschmack von Abenteuer und Freiheit wie in der Marlboro Werbung erlebt , …“ Mehrere Darsteller des Marlboro Man‘s starben an Lungenkrebs oder anderen Folgen des Rauchens. Halte ich jetzt nicht unbedingt für ein erstrebenswertes Lebensziel, but your mileage may vary, of course…

    Franz Xanter

    Mein Gott, was ist eigentlich inhaltlich am Kommentar des Jochen Hoeflein so schwer zu verstehen. Na ja, die einen verstehen es, die anderen nicht.

    Robert Miehle-Huang

    Lungenkrebs als die ultimative Freiheit zu verkaufen? Daß Raucher sowas nicht gerne lesen, war mir von vornherein klar…

    Matthias Kitirk

    „ Die USA waren doch immer die Guten.“ Nein, die USA waren noch nie „die Guten“. Die USA waren stehts auf ihr eigenes Wohl und Geschäft fokussiert. Aus jedem Kriegsereignis weltweit, bei dem sie vermeintlich selbstlos Hilfe leiste, ist auch ein sehr gutes Geschäft entstanden. Konflikte, die kein Business Case haben, werden auch nicht angerührt. Trump ist nur der einzige, der das auch öffentlich sagt, die anderen machen America bzw. Americas Corporate First vor verdeckter Hand. Die USA als „das gute“ oder als Freund zu sehen, ist ein kardinalfehler der deutschen Politik. Man kann mit Staaten partnerschaftlich zusammenarbeiten. Freundschaften sind aber ein zwischenmenschliches Konstrukt und kein zwischenstaatliches.

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