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Debatte: Korrekte Kunst, jetzt! Von Monika Gruber, Jim Knopf und dem Berlinale-Skandal

Debatte

Korrekte Kunst, jetzt! Von Monika Gruber, Jim Knopf und dem Berlinale-Skandal

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    Nur Geschmachssachen (von links): Die Kabarettistin Monika Gruber, der neue Jim Knopf, Filmschaffenden mit ihren Statements bei der Berlinale
    Nur Geschmachssachen (von links): Die Kabarettistin Monika Gruber, der neue Jim Knopf, Filmschaffenden mit ihren Statements bei der Berlinale Foto: Ralf Lienert; Thienemann Verlag; Monika Skolimowska, dpa

    Irgendwann, vielleicht noch gar nicht so lange, da war alles noch in Ordnung, oder? Da nahmen Kabarettisten aus eher linksliberaler Perspektive im Namen von Freiheit und Gleichheit und Aufklärung die Politik aufs Korn. Da thematisierten Künstlerinnen und Künstler etwa auch bei der Documenta das Leiden in der Welt da draußen und die Falschheit im Leben hier – und „Stand with Ukraine“ – und alles applaudierte nicht nur während der Veranstaltung, sondern auch danach noch einmütig. 

    Von Winnetou bis Jim Knopf: Das muss doch in Ordnung gebracht werden, oder?

    In solchen Zeiten der gegenwärtigen Ordnung konnte man sich doch noch schön Gedanken machen, was aus heutiger allein guter und richtiger Sicht in der aus vergangenen Zeiten stammenden Kultur eben noch nicht ganz gut und richtig war, und sei es in der Fantasie: Winnetou etwa, den Apachenhäuptling aus der Verzeichnung der so klischierten (Verzeihung:) „Indianer“ zu erretten. 

    Aber halt, da ist jetzt auch etwas durcheinandergeraten. Denn das Redigieren des Überlieferten hält ja nach wie vor an: siehe aktuell etwa die Zeichnungen und Bezeichnungen von Jim Knopf. Oder die deutsche Initiative Critical Classics etwa, die nun die Opern-Tradition einer Revision unterzieht und als Erstes „Die Zauberflöte“ überarbeitet hat, es sollen auch „Carmen“ und „Madame Butterfly“ folgen, vordringlich allerdings die „Johannespassion“. Als wäre sonst alles gegenwärtig noch in gewohnter Ordnung gut und richtig. Aber bitte, wo denn? 

    Darf Kabarett konservativ sein wie Monika Gruber?

    Erlebt nicht gerade ein Kabarett eine Blüte, das konservativ gegen den Zeitgeist wettert? Von Massen umjubelt stellt sich doch etwa eine Monika Gruber gegen den vermeintlichen, irgendwie linken, jedenfalls grünen Mainstream. Und nicht nur von der Kunst der letzten Documenta bis zu den Preisträgern der Berlinale zuletzt – sondern bis hinein in einzelne Museumsveranstaltungen wie neulich im Hamburger Bahnhof in Berlin, wo Aktivisten einen Vortrag gerade auch gegen das Canceln von Meinungen stürmten und Deutschland als Faschisten-Staat beschimpften, weil es im Gazakrieg solidarisch an Israels Seite steht: Überall, so scheint es, flammt in der Kultur in propalästinensischen Protesten eine äußerst israelkritische, in Teilen antisemitische Haltung auf – und wird teils beklatscht. Meinungsfreiheit und künstlerische Freiheit schön und gut, heißt es da: Aber das ist doch alles nicht mehr gut und richtig, nicht mehr korrekt! Wo ist die Ordnung hin? 

    Nun könnte man angesichts der künstlerisch offenbar ziemlich mauen Berlinale und einer durchwachsenen Documenta etwa sagen: Es wäre schön, wenn die Kulturschaffenden sich zunächst mal einfach um gute Kunstwerke kümmern würden, statt sich persönlich in Szene zu setzen und als Aktivisten zu verstehen – was allerdings immer irgendwie auch okay schien, sofern es ums ausgemacht Gute und Richtige ging. Aber konstatieren lässt sich bei all dem eben auch: Diesen so oft beschworenen kritischen Geist den Künstlerinnen und Künstlern zuzugestehen, das beweist sich ja gerade dann, wenn es mal wieder wehtut und eben gar nicht korrekt erscheint. Für den richtigen Rahmen sorgen ja die Verfassung und demnach die Gerichte, die etwa in Verdachtsfällen der Volksverhetzung eingeschaltet werden können. Und wer von Kulturschaffenden einen ausgeglichenen und rationalen Blick einfordert, der verkennt: In deren Selbstverständnis, immer wieder gerne in Sonntagsreden bestätigt und genährt, solange es nicht wehtat, regiert die Hybris des bedeutsamen Blickes, einer unbequemen Wahrhaftigkeit, die nach Kompromisslosigkeit geradezu zu verlangen scheint – ob sie sich in so komplexen Entwicklungen wie dem Nahostkonflikt nun auskennen, und sei es, dass sie nur ihr Bauchgefühl und ihre Ressentiments kultivieren und überhöhen. 

    Wer sagt, dass Künstler besonders kluge Menschen sind, die man ernst nehmen muss?

    Und wenn sie sich wie missionarische Hofnarren und selbst beseelte Verquerköpfe aufführen – hätte je jemand behauptet, dass Künstlerinnen und Künstler, mögen sie gerade damit erfolgreich sein oder eben nicht, bei all ihren mehr oder weniger besonderen Fähigkeiten, besonders kluge Menschen sein müssen? Gibt es nicht Gegenbeispiele reichlich, auch in der Tradition, weit jenseits der zeitgeprägten Darstellungs- und Sensibilitätsfragen von Winnetou bis Jim Knopf? Dass sie durch ihr Schaffen eine Bühne erhalten, die ihr Halt-auch-irgendwie-Rumdenken über die Welt eine mitunter etwas zu arg große Aufmerksamkeit zukommen und sie dann mitunter, gestärkt in ihren Blasen, mit besonderem Bedeutungsbewusstsein auftreten lässt, scheint zum Gesellschaftsspiel zu gehören, in dem sich letztlich die freie Gesellschaft ja gerade beweist. Das gilt es auszuhalten, dafür lassen sich Auftritte dann eben auch offen kritisieren. 

    Wer Künstler und Kunst nur korrekt oder sonst gar nicht will, lebte am besten außerhalb der Zeit, wo sich alles aufs Gesinnungsgenehme hin redigieren ließe wie ein altes Buch. Eine ganz andere Frage ist, ob das, was von den Bühnen da so oft pubertär posaunt wird, auch für wichtig gehalten werden muss. Aber an Bedeutung, Prominenz und Eklat besäuft sich die sogenannte Gegenwartskultur auch in ihrer medialen Bespiegelung halt allzu gerne. Und nur weil etwas unbequem ist, muss es noch lange nicht wahr sein. Also bitte: Die Künstler nicht immer ernst nehmen, gerade auch dann, wenn sie sagen, was man selber hören will. 

    Denn eindeutige Kunst ist in aller Regel eben auch das: schlechte Kunst. Und je augenfälliger die gesellschaftliche Irrelevanz des kulturellen Schaffens wird, desto lauter und eindeutiger scheint der politische Aktivismus der Protagonisten zu werden. Billiger Populismus für die eigenen Publikumblasen - das Gegenteil von Kunst.

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