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Daniela Krien erkundet Trauer in 'Mein drittes Leben'

Buchkritik

Gibt es ein Leben nach dem Tod? Daniela Kriens Roman „Mein drittes Leben“

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    Die Bestseller-Autorin Daniela Krien legt einen neuen Roman vor, in dem eine Frau ihr Leben über Bord wirft.
    Die Bestseller-Autorin Daniela Krien legt einen neuen Roman vor, in dem eine Frau ihr Leben über Bord wirft. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

    Warum ich? Der Tod, der Krebs, die Trennung, warum all das auf einmal und warum trifft es ausgerechnet mich? Linda hätte jedes Recht, diese Fragen zu stellen, sich vom Schicksal misshandelt zu fühlen. Aber die Hauptfigur in Daniela Kriens Roman „Mein drittes Leben“ ist über solche Fragen hinweg. Jetzt auch noch Schilddrüsenkrebs? „Warum nicht?“, denkt sie. „Der Krebs erschien mir folgerichtig und konsequent. Mein Körper hatte seine Widerstandskraft verloren. Die Trauer hatte sich seit über einem Jahr durch meine Zellen gefressen.“ Die Trauer um ihre Tochter, die mit 17 Jahren bei einem Fahrradunfall gestorben ist. Der Roman beginnt ein Jahr nach der Katastrophe, er handelt von der Trauerarbeit einer Frau am Nullpunkt ihres Lebens.

    Daniela Kriens Roman „Mein drittes Leben“ erforscht die Trauer

    Daniela Krien hat scheinbar ihr Roman-Konzept gefunden: Ihre Romane graben sich tief in das Seelenleben moderner Frauenfiguren. In ihrem verfilmten Bestseller „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ entdeckt eine junge Frau, auf dem Land in der DDR, Liebe, Sex und Verlangen. In Kriens neuem Roman steht jetzt eine Frau in der Mitte ihres Leben – und will es aufgeben.

    Was bleibt, wenn man jeden Kontakt zur Welt abbricht? Linda ist aus ihrer Stadtwohnung geflüchtet, wohnt jetzt allein auf einem Dreiseithof, in einem halbvergessenen Dorf. Sächsische Trübsal, Leipziger Umland. Sie blickt in den Spiegel und sieht ihre grauen, ungewaschenen Haare. Ist das Verfall? Oder eine neue Linda? Holz hacken, Hühner füttern, nichts erinnert an Tochter Sonja, „hier ist es mühsam, und mühsam ist gut.“ Nur Richard, ihr Ehemann, besucht sie noch. „Er ist der einzige, den ich nicht aus meinem Leben vertrieben habe.“ Trotzdem lebt sie nicht mehr bei ihm. Obwohl er sie liebt, weiter hofft, alle zwei Wochen danach fragt.

    Wie beginnt ein neues Leben? Danach forscht Daniela Krien

    Wer trägt die Verantwortung, wenn ein Leben zerbricht? Macht sich Richard schuldig, weil er – im Gegensatz zu Linda – wieder Glück im Leben sucht? Eine neue Frau an seiner Seite auftaucht? Und war ihre Ehe nicht immer zerbrechlich? Nie waren sie sich einig, ob sie nach Sonja ein zweites gemeinsames Kind wollen. Nie fühlte sich Linda als gute Mutter für die zwei Stiefkinder aus Richards erster Ehe. Fehler, Wunden, Reue: In den ersten Kapiteln wühlt Linda ihre Vergangenheit um. Denn die Zeit steht still seit Sonjas Tod, dieses Gefühl erzeugt Krien durch schmerzhaft ehrliche Gedanken.

    Wie beginnt ein neues Leben? Die Veränderung schleicht sich leise und beiläufig, mit Erzählkunst eingefädelt in Lindas Welt. Sie lernt die Nachbarn kennen. Schließt Freundschaft mit Natascha und ihrer Tochter Nine – die ist Autistin, singt für ihr Leben gern. Natascha „ist die einzige Person, die keine Angst vor meiner Trauer hat“. Aber da ist auch Kaja, die Hündin, die zum Hof gehört und Linda folgt.

    „Mein drittes Leben“ überzeugt mit glaubhaften Emotionen

    Eine Idee von Zukunft liegt wieder in der Luft, aber mit Vorbehalt und Fragezeichen. Das Leben – und nicht nur Lindas eigenes – bleibt verwundbar bis zur letzten Seite des Romans.

    Kriens Sprache? Eigentlich unspektakulär. Die Handlung des Buchs? Eigentlich niederschmetternd. Aber in klaren Sätzen stellt sie die Ich-Erzählerin Linda vor den Spiegel der größten Schmerzen und Zweifel. Und das macht diesen Roman so fotorealistisch, psychologisch glaubhaft, bis in den Herzschlag durchdacht.

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