Schwierige Frage, denn die berührt ja auch das sensible Thema, wie man Kindern erklärt, dass man sie jahrelang angelogen hat. Das zerstört doch alles Vertrauen, das einem die Kleinen entgegenbringen und macht die Autorität zunichte! Oder nicht? Dazu muss man jetzt – es ist einfach immer wieder zu schön – den Kollegen Francis P. Church zitieren. 1897 ist er Redakteur bei der New York Sun, als ihn in einem Leserbrief die drängende Frage der achtjährigen Virginia erreicht: Gibt es den Weihnachtsmann wirklich?
Seine Antwort wurde legendär und enthielt unter anderem den Satz: „Ach! Wie trostlos wäre die Welt, wenn es keinen Weihnachtsmann gäbe. Sie wäre so trostlos, wie wenn es dort keine Virginias gäbe. Es gäbe dann keinen kindlichen Glauben, keine Poesie, keine Romantik, die dieses Leben erst erträglich machen. Die einzige Freude fänden wir nur in dem, was wir sehen können. Das ewige Licht, mit dem die Kindheit die Welt erfüllt, wäre ausgelöscht.“ So viel zu der Berechtigung, die Geschichte vom Christkind (oder dem Weihnachtsmann in der amerikanischen Variante) immer wiederzuerzählen, weil darin Magie und Herzenswärme liegen, die die Welt in all ihrer Härte braucht.
Kindern ihre magisch-reale Traumwelt lassen
In die Bresche für all die Mamas und Papas, die wochenlang von der Himmelswerkstatt und all den Wunschzettel einsammelnden Englein erzählen, springen aber auch Experten wie der Erziehungsberater Jan-Uwe Rogge, der sagt: „Kinder zwischen drei und neun Jahren sind in einer magisch-realen Phase. Zum einen sehen sie sehr realistisch, dieser Baum ist ein Baum. Zugleich können sie sich vorstellen, mit dem Baum zu reden oder seine Blätter flüstern ihnen etwas zu. Auch an den Weihnachtsmann und das Christkind glauben die Kinder nicht einfach so, sie wollen daran glauben. Also lügen Eltern ihre Kinder nicht an, sondern bereichern vielmehr ihre Traumwelt.“
Traumwelt – das klingt doch schon viel besser als Vertrauensverlust. Klingt nach Verzauberung und Geborgenheit, die ja nicht nur in der Botschaft von Weihnachten liegen, sondern Kinder fürs Leben stark machen. Es ist also ein ganz normaler Entwicklungsprozess, dass Kinder irgendwann nicht mehr an das Christkind glauben, dass das vernünftige Denken die Oberhand gewinnt über die Imagination, und oft macht es sie auch ein bisschen stolz, dass sie hinter dieses große Geheimnis gekommen sind. Am traurigsten sind darüber meist die Eltern.
- Hier der Link zu unserem alljährlichen Adventskalender: https://www.augsburger-allgemeine.de/kultur/gesellschaft/gesellschaft-unser-adventskalender-was-sie-zu-weihnachten-schon-immer-fragen-wollten-101961540
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