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"Capsule Wardrobe": Mode fürs gute Gewissen?

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Ist "Capsule Wardrobe" die Mode fürs gute Gewissen?

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    Mit bewusst gewählten Kleidungsstücken macht eine "Capsule Wardrobe" Stil nachhaltiger.
    Mit bewusst gewählten Kleidungsstücken macht eine "Capsule Wardrobe" Stil nachhaltiger. Foto: Adobe.stock.com

    Minimalismus ist in! Halleluja, sagen die einen, man macht sich doch ohnehin zu viele Gedanken darüber, was man anziehen soll. Und gut für die Umwelt ist es allemal, wenn man dem Konsumrausch einmal etwas ausbremst. Wer jetzt denkt, dass ein geschrumpfter Kleiderschrank auch automatisch weniger Auswahl bedeuten muss, kennt die "Capsule Wardrobe", auf Deutsch "Kapsel Garderobe", noch nicht. Oder nicht unter diesem fancy neuen Namen. 

    Denn das Prinzip dahinter ist einfach: wenige Klamotten, präzise ausgewählt, im besten Fall untereinander kombinierbar. Etliche individualisierbare Einkaufs-Checklisten gibt es online, als Leitfaden für den perfekten, kleineren Kleiderschrank. "Elevated Basics" nennen es Kenner, meinen damit aber nur klassische, simpel geschnittene Kleidungsstücke, die "angehoben", also aufgewertet werden.

    Absolute Must-haves: Hemd, Hose, Shirt, Blazer und ein Trenchcoat

    Dabei galt "Jeans-und-T-Shirt-Mädchen" lange als fast schon despektierlicher Ausdruck stilistischer Einfallslosigkeit. Aber ein bisschen mehr als das darf es schon sein, in der Kapselgarderobe. Je nachdem, wen man fragt, sogar einiges mehr: Im Internet kursieren Zahlen zwischen 30 Kleidungsstücken pro Saison (gar nicht mal so wenig) bis 100 Stücken insgesamt (wirklich nicht wenig). 

    Accessoires sind inklusive. Absolute Must-haves: Hemd, Hose, Shirt, Blazer und ein Trenchcoat. Das alles mehrmals, in verschiedenen Farben und Schnitten. Für den Frühling etwa empfehlen einige Internetratgeber zwei Jacken, 15 Oberteile wie Pullover, Tops, Shirts oder Bluse, zehn Unterteile wie Hosen, Jeans oder Röcke, zwei Kleider und zehn Paar Schuhe in unterschiedlichen Ausführungen.

    Dann steht man da, vor der pseudo-minimalistischen Kleiderkapsel und hat unendliche Möglichkeiten, das alles zu kombinieren. Hemd zur Hose, Hemd zum Rock, mit Heels, mit Sneakern … Es war nie einfacher, so flexibel zu sein und es dann im eigenen Gewissen (und für einige noch wichtiger: auf Social Media) als "nachhaltig" zu verbuchen.

    Das Prinzip der "Capsule Wardrobe" setzt auf langlebige Mode

    Die Bezeichnung "Capsule Wardrobe" tauchte 1970 erstmals in London auf. Die Boutique-Besitzerin Susie Faux definierte das Prinzip als eine minimalistische Garderobe, limitiert auf etwa zwölf zeitlose Kleidungsstücke. In ihrem Geschäft bot sie selbst ausschließlich hochwertige Mode an, die perfekt miteinander kombinierbar war. Zwei- bis dreimal im Jahr durfte man sie austauschen. Aber: Die Stücke sollten hochwertig sein und nicht ständig aussortiert und neu gekauft werden. 

    Ein ganzer Schrank voll "Nichts zum Anziehen"? Dem will die "Capsule Wardrobe" entgegenhalten.
    Ein ganzer Schrank voll "Nichts zum Anziehen"? Dem will die "Capsule Wardrobe" entgegenhalten. Foto: Adobe.stock.com

    Ein Anti-Trend-Trend also? Sicherlich hätte eine "Capsule Wardrobe" dieses eine barbiepinke Kleidungsstück, wie es im Sommer 2023 in zu vielen Kleiderschränken landete, in der Minimalismus-Kapsel keinen Platz gefunden. Oder? Na ja. Faux bestimmte damals: "Highlights" sind erlaubt, Trendartikel dürfen die Garderobe auffüllen. Also doch Barbie und kein Minimalismus? 

    Donna Karan prägte den Begriff der "Capsule Wardrobe"

    Doch Minimalismus! – sagte Donna Karan 15 Jahre später. Die "Seven Easy Pieces"-Kollektion der Designerin im Jahr 1985 bestand aus nur sieben Kleidungsstücken und machte das Prinzip der "Capsule Wardrobe" erst so richtig populär. In den sozialen Medien springen die Influencer mittlerweile reihenweise in ihre Kapsel-Outfits, zeigen die geschrumpften Kleiderschränke und die möglichen Outfits der Saison. 

    So richtig neu und so richtig spannend ist daran jetzt aber wirklich nichts. Außer man lebt bisweilen in Kleiderbergen der Mega-Fast-Fashion-Giganten. Wer dem Konsum von Billigkleidung aber so weit verfallen ist, den wird das Konzept vermutlich nicht ansprechen, selbst mit 100 erlaubten Teilen. Das lustige Katzen-Crop-Top würde wohl nicht einmal bei Highlight-Abnickerin Faux durchgehen. Aber nicht jede Person, die billige Mode kauft, tut das, weil sie möglichst viel und oft einkaufen gehen will, getrieben vom Konsumrausch und der neusten (für 21 Stunden) Shein-Kollektion. Manchmal sind nachhaltige Klamotten, auch wenn weniger, einfach teuer und nicht für jeden und jede möglich.

    Nicht mehr als ein Trend-Begriff fürs Gewissen?

    Im Kern ist es, allen Zweifeln an der Neuartigkeit zum Trotz, eine erstrebenswerte Idee, weniger Kleidung zu besitzen und auf hochwertige und langlebige Stücke zu setzen. Und so eine kleine Entrümpelung tut sicher vielen mal ganz gut. Für die anderen ist es doch mehr oder weniger ganz entspannend zu erfahren, dass man mit einem gebändigten Kaufverhalten, klug und vorausschauend gekauften Kleiderkombis und einem Mindestanspruch an Qualität und Langlebigkeit der Klamotte voll im Trend liegt. Und mit einem coolen Namen lässt der sich eben sogar im Internet verkaufen.

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