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Mein Cannabis-Jahr 2024: Einer, der anbaut, wird von der Ernte überwältigt

Cannabis-Legalisierung

Aus dem Tagebuch eines Hanfanbauers: „Fünf Pflanzen gegen die CSU“

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    Seit diesem Jahr dürfen Privatpersonen ihr eigenes Cannabis anbauen - und viele haben das auch gemacht.
    Seit diesem Jahr dürfen Privatpersonen ihr eigenes Cannabis anbauen - und viele haben das auch gemacht. Foto: Dpa (Symbolbild)

    „28. August 2024. Ärger zu Hause. Der Geruch. Die Blüten liegen im Arbeitszimmer zum Trocknen. Die Tür ist immer zu. Trotzdem riecht die ganze Wohnung danach. Ich schreibe es nicht gern, sie hat ja recht. Die Ansage von ihr: Das ist ein EINMALIGES Experiment – und dann drei Ausrufezeichen in der Luft. Und ich: Schau doch die großartige Ernte an, die erste Ernte, die Ernte 24, ein Jahrgang voller Entspannung. Es riecht trotzdem überall nach Cannabis. Also das Schlüsselloch zum Arbeitszimmer mit Tape zugeklebt, unten ein Handtuch vorgelegt. Geruchsversiegelung als Beziehungs-Appeasement.“

    Die Legalisierung von Cannabis im April hat sonderbare Blüten hervorgebracht. Cannabis-Ratgeber lagen in den Buchhandlungen auf, in manchen Baumärkten waren Tomatendünger und Anbausubstrat gefragt. Die Shops, die bislang Hanfsamen zum Eigenanbau vertrieben haben, verteilt in ganz Europa, kamen kaum noch nach, die Bestellungen abzuarbeiten. Ein Teil des Landes befand sich im Cannabis-Fieber. Die einen haben es schon immer gemacht, die anderen versuchten sich das erste Mal.

    Cannabis zum ersten Mal zu Hause angebaut

    Von einem der vielen Heimanbauer oder Homegrower, wie sie in der Szene genannt werden, haben wir Einblick in dessen Hanf-Tagebuch bekommen. Der Deal war, seinen Namen nicht zu nennen. Er lebe in Bayern, da werde die Freigabe von Cannabis schärfer bekämpft als anderswo. Er ist einer der vielen, der die Cannabis-Sache jetzt zum ersten Mal in die eigenen Hände genommen hat. Seine Quelle für die Samen war einer der vielen Online-Shops im Netz, wie er, nennen wir ihn Bernhard, im Gespräch erzählt hat.

    „15. April 2024. Fünf Hanfsamen bestellt.“

    Anders als beim Gebäudeenergiegesetz, das die Wärmepumpen fördern sollte, aber in der Bevölkerung den gegenteiligen Effekt hatte, hatte die Teillegalisierung von Cannabis einen einschlägigen Erfolg, was den Eigenanbau anging. Seit 1. April darf jeder Erwachsene in Deutschland drei Hanfpflanzen gleichzeitig ziehen. Außerdem ist es jetzt erlaubt, bis zu 25 Gramm Cannabis mit sich führen.

    „25. April 2024. Der Umschlag ist angekommen. Und die ehrliche Frage lautet: Warum? Warum jetzt Hanf? Keine Ahnung. Der letzte eigene Joint war 2000, im Fernsehen lief rauf und runter Christoph Daums Haarprobe. Das Ergebnis positiv. Und ich hatte mir dieses Zeug aus Holland reingezogen, aus dem Coffee-Shop. Die Vorfreude groß: endlich mal nichts von der Straße, endlich mal nichts Gepanschtes. Und dann: Kreislauf, Schweißausbruch, Füße hochlegen, einfach nur unangenehm. Viel zu stark. Das war das letzte Mal. Seitdem hatte ich kein Bedürfnis mehr nach Kiffen, null. Was reitet mich also? 1. Man darf es jetzt. 2. Der Reiz, mit etwas Verteufeltem zu hantieren. 3. Die spezielle Bayernpanik. Statt vier Fäuste gegen Rio jetzt fünf Pflanzen gegen die CSU.“

    Früher, das heißt vor der Freigabe im April, war der Eigenanbau illegal. So harmlos die fünfblättrigen Pflanzen im Wachstum auch aussehen, wenn die Polizei einem auf die Schliche kam, endete es vor Gericht. Trotzdem gab es eine Szene, die zu Hause anbaute. Wer trotz des Verbots kiffen wollte und keine Lust auf den Schwarzmarkt hatte, wer wissen wollte, was er konsumierte, wer Geld sparen wollte, baute selbst an.

    Früher hatte der Staat die alte Nutzpflanze zum Feind erklärt

    Wichtiges Thema für alle: Geheimhaltung. Ein paar Pflanzen auf dem eigenen Balkon konnten schnell zum Problem werden. Man erinnere sich nur an den prominenten Fall, als sich der Grünen-Spitzenpolitiker Cem Özdemir mit einem Video an der Ice-Bucket-Challenge beteiligt hatte. Wir schrieben damals das Jahr 2014, lang ist es her. Und Özdemir schaffte es, dass bei ihm nicht darüber diskutiert wurde, ob es nun dämlich war oder nicht, sich Eiswasser über den Körper zu schütten. Neben Özdemir stand unverkennbar eine Hanfpflanze. Es folgten Schlagzeilen. Özdemir bekam Post von der Berliner Staatsanwaltschaft, die ein Ermittlungsverfahren gegen ihn aufnahm, das später wegen Geringfügigkeit wieder eingestellt worden ist.

    „30. April 2024. Keine Wissenschaft daraus machen. Meine Vorbilder Felix, Phil und Nesh aus T.C. Boyles „Grün ist die Hoffnung“. Wenn die fiktionalen Taugenichtse es hinbekommen haben, bekomme ich es auch hin. Ein bisschen Erde in den Eierkarton. Samen rein. Wasser. Klarsichtfolie. Warten.“

    So waren die alten Cannabis-Zeiten im Land. Der Staat hatte die uralte, aber berauschende Nutzpflanze zum Feind erklärt. Das hielt die Kifferinnen und Kiffer aber nicht ab, zur Tüte zu greifen, auch wenn der Cannabis-Gebrauch gesundheitsschädlich ist. Mit 4,5 Millionen Konsumenten war Cannabis bis März 2024 die illegale Droge Nummer 1 in Deutschland.

    Bei „Royal Queen Seeds“, einem der Internet-Shops, die Hanfsamen vertreiben, lässt sich nachlesen, was das Cannabisgesetz losgetreten hat: „Wir haben einen noch nie dagewesenen Anstieg an Bestellungen, weshalb die Lieferungen länger dauern können als gewöhnlich.“ Georg Wurth, Geschäftsführer des deutschen Hanfverbands, berichtet ähnliches. „Der Selbstanbau boomt wie bekloppt“, sagt er. Es sei ein Massenphänomen geworden, auch vom Volumen her.

    „3. Mai. Es tut sich nichts. NICHTS.“

    Wer Cannabis selbst anbauen möchte, benötigt Samen. Es gibt viele verschiedene Züchtungen mit den wundersamsten Namen. Sie heißen Blue Cheese Auto, Cookies Gelato, Dynamite Diesel und Amnesia Haze. Letztgenannte Sorte kann zum Beispiel bis zu einem Meter groß werden, es handelt sich um einen Klassiker, der in den 1990er Jahren die Coffee-Shops in den Niederlanden erobert haben soll. Wer es am Ende geschafft hat, Amnesia Haze, auch „Ami Haze“ genannt, zu ernten, soll sich auf einen psychedelischen Rausch einstellen, „der den Geist in die Stratosphäre katapultiert“, heißt es auf der Internetseite von Royal Queen Seeds. Eine Pflanze mit Wumms.

    „5. Mai 2024. Es tut sich was. ES TUT SICH WAS. Zwei Keimblätter drücken sich durch die Erde.“

    Bis April 2024 haben sich Cannabis-Konsumenten ausschließlich auf dem Schwarzmarkt mit ihrem Stoff versorgen können – und der war nicht klein. Laut der Haucap Studie aus dem Jahr 2021 hat man geschätzt, dass auf dem Schwarzmarkt in Deutschland rund 400 Tonnen Cannabis pro Jahr verkauft wurden. Bei zehn Euro Verkaufspreis pro Gramm wurden dort vier Milliarden Euro umgesetzt – natürlich am Fiskus vorbei. Die Studie rechnet vor, dass eine Cannabis-Legalisierung dem Staat Einnahmen von 4,7 Milliarden Euro bringen könne. „Durch eine Regulierung des Marktes steigt nicht nur der Schutz der Verbraucher, weil die Qualität des Cannabis sichergestellt werden kann, sondern es wird auch die Suchtprävention erleichtert, sowie Behörden und der Staatshaushalt entlastet“, erklärte Prof. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics bei der Präsentation.

    Die Polizei hat noch jede Menge mit Cannabis zu tun

    Was die Ampel-Koalition auf den Weg gebracht hat, ist eine Teillegalisierung von Cannabis, die den gewerblichen Handel nicht vorsieht. Nur Eigenanbau und genossenschaftlich organisierte, nicht profitorientiert arbeitende Anbauvereine sind als legale Bezugsquellen vorgesehen. Und die Polizei hat immer noch jede Menge mit Cannabis zu tun, etwa in Bayern. In den ersten drei Monaten mit neuer Gesetzeslage registrierte die Polizei 4561 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten; 1430 davon betrafen den illegalen Drogenhandel und -besitz jenseits der erlaubten Höchstmengen.

    Aus Polizeikreisen wird vermutet, dass die neuen Regelungen zu einem Boom des Schwarzmarkts führen könnte. „Wir befürchten, dass Straftäter aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität die Möglichkeit der Anbauvereine dafür nutzen werden, kriminelle Strukturen auszubauen“, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Alexander Poitz, im Juli unserer Redaktion.

    „7. Mai 2024. Zwei von sechs keimen. Ist das jetzt gut oder schlecht? Richtige Antwort: Das ist miserabel. Jetzt also doch nachgelesen, doch ein bisschen Wissenschaft. Und nachbestellt. Royal Dwarf. Eine kurze, kräftige Autoflowering-Sorte – einfach zu handhaben, kompakt. Kleine Pflanze mit großem Potenzial, heißt es, fördert ein geselliges, erhebendes High, mit entspannender, beruhigender Wirkung. Dazu diskrete Lieferung. Versand aus Spanien.“

    Wurth vom deutschen Hanfverband tritt den Meldungen von Sicherheitspolitikern und Polizei, dass der Cannabis-Schwarzmarkt wegen der Teillegalisierung von Cannabis gerade explodiere, entschieden entgegen. „Das ist Panikmache“, sagt er. Beobachtet habe er etwas anderes. „In einschlägigen Foren hat zum Beispiel jemand geschrieben: Mein Dealer geht jetzt wieder arbeiten.“ Wurth ist sich sicher, dass der Boom des Selbstanbaus von Cannabis für Rückgänge am Schwarzmarkt gesorgt hat. „Jedes Gramm, das zu Hause angebaut wird, entzieht dem Schwarzmarkt Umsatz“, sagt er.

    Cannabis ist noch kein normales Produkt geworden

    Wurth hat mit seinem Verband schon viele Jahre für die Legalisierung von Cannabis gekämpft. Am Ziel sieht er sich noch lange nicht. „Wir sind nicht zufrieden“, sagt er. „Das ist keine Legalisierung, Cannabis ist kein normales Produkt geworden, es lässt sich nicht einfach in einem Fachgeschäft kaufen. Zwar entziehen auch Eigenanbau und Anbauvereine dem Schwarzmarkt Umsatz. Ohne Cannabis-Geschäfte werden wir ihn aber nicht weit genug reduzieren können“, sagt er. Genaue Zahlen hat er nicht.

    „17. Mai 2024. Bin langsam T.C. Boyle würdig. Tauge als Romanfigur. Hanf-Slapstick heute. Die neuen Samen haben auf Wattepads gekeimt. So geht das richtig. Die Quote: achtzig Prozent - eine Okay-Quote. Ich, der stolze Gärtner, wackle mit dem Teller auf den Balkon. Und dann: Der Teller rutscht mir aus der Hand, dreht in der Luft einen Looping, fällt auf den Boden. Ich drehe ihn um. Nur noch drei Samen kleben auf ihrem Wattepad, die anderen beiden sind durch die Lattung gefallen. Soll ich lachen oder weinen?“

    Für die Konsumenten von Cannabis sei das Gesetz nach Wurth ein großer Schritt in die richtige Richtung gewesen. Was fehle, seien ausreichend legale Angebote. Er glaubt nicht, dass die Anbauvereine in absehbarer Zeit die Nachfrage vollständig bedienen können. „Das ist für Leute, für die Hanf ein großes Hobby ist, die Lust auf die Hanf-Community haben“, sagt Wurth. Und bringt das Beispiel, dass nicht jeder, der gelegentlich Bier trinkt, anfängt, selbst Bier zu brauen, oder gar einem Verein von Hobbybrauern beitritt.

    Ende August lagen in Bayern 24 Anträge für Anbauvereine beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vor. Bayern möchte bei den Verfahren so restriktiv wie möglich vorgehen. Gemäß dem Gesetz müssen die Vereine einen Präventionsbeauftragten ernennen, der als Ansprechpartner zur Suchtprävention zur Verfügung steht. Laut LDL müssen in Bayern diese Beauftragten ihre Qualifikation durch eine Teilnahme an einer Schulung nachweisen, die das Bayerische Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung (ZPG) organisiert, Gesamtdauer des Programms 14 Stunden. Die nächsten Termine dafür stehen Ende Oktober an. Die Gebühr: 600 Euro. Ob es Anbauvereine in Bayern schaffen werden, eine Genehmigung zu bekommen?

    Gießen, sich freuen, zuschauen, wie die Pflanzen wachsen.
    Gießen, sich freuen, zuschauen, wie die Pflanzen wachsen. Foto: stock.adobe.com

    „2. Juni 2024. Ist einfach. Gießen, sich freuen, zuschauen, wie die Pflanzen wachsen. Und wie sie schon riechen, obwohl noch gar nichts blüht. Es wird, es wird, es wird.“

    Überhaupt sieht man jetzt, was aus einer Pflanze wird, die staatlicherseits verboten worden ist, so geschehen in Deutschland erstmals am 10. Dezember 1929 durch das Opiumgesetz. Für die uralte Kulturpflanze bedeutete das ein neues Kapitel, sie verschwand erst einmal – und kehrte dann in den 1970er Jahren als Rauschmittel wieder zurück in Europa. Das trieb merkwürdige Blüten. Zunehmend wurden Hanfsorten mit Rauschwirkung nicht nur importiert, sondern auch selbst angebaut. Allerdings per Indoor-Anbau mit hohem Energieverbrauch. „Die Pflanzen mussten in Kellern und Kammern vor der Polizei versteckt werden“, so Wurth.

    Die Anbaufläche dort ist knapp, der Aufwand hoch, weil Wachstumslampen, Entlüftungsanlagen, möglicherweise auch Heizungen und Lüfter zum Einsatz kommen, damit Anschaffungskosten und auch laufende Kosten für den Strom verbunden sind. Für die Züchter hieß das, den Ertrag und den Wirkstoffgehalt der Pflanzen immer weiter zu steigern, damit es sich rechnet, damit mehr herauskommt pro angebauter Pflanze. Der Wirkstoffgehalt von Cannabis-Züchtungen nahm immer weiter zu.

    „21. Juni 2024. Houston, wir haben ein Problem: Weiße Punkte an den Blättern. Dr. Google sagt, dass es sich um weiße Fliegen handelt. Können den Ertrag mindern oder zum Verlust der Ernte führen. Ihnen jetzt offiziell den Kampf angesagt – mit Öko-Spritzmittel.“

    Rund um den Eigenanbau von Cannabis hat sich schon lange ein Markt gebildet. Für den Indoor-Anbau lassen sich zum Beispiel Low-Budget-Komplettsets bestellen. Sie bestehen aus einer Growbox, einer 75 Watt LED-Lampe, ein vorverkabeltes Abluftset, das ein Austreten der Gerüche verhindert, dazu Töpfe, ein Umluftventilator, damit die Pflanzen bewegt und dadurch kräftiger werden, sowie ein Thermohygrometer: Kostenpunkt 429,90 Euro.

    Dazu muss der Eigenanbauer dann noch die Rechnung für den Strom einkalkulieren. Selbst die 75-Watt-Lampe schlägt sich im Dauerbetrieb schon zu Buche. Wurths Credo heute lautet: „Stellt die Pflanzen an die Sonne.“ Dort gehören sie hin. Dann entfallen die Nebenkosten – und weniger Energieverbrauch schont außerdem die Umwelt. Überzeugte Heimanbauer müssen davon allerdings erst einmal überzeugt werden. Dann bislang galt: Perfektes Cannabis entsteht unter Laborbedingungen, wo jeder Tag gleich viel Licht, Wasser und Dünger liefert.

    „27. Juni 2024. Die Pflanzen werden jetzt jeden Tag mit Wasser eingesprüht. Das mögen die weißen Fliegen nicht. Es herrscht ein strategisches Gleichgewicht. Was ne Arbeit vor der Arbeit. Die ersten Blüten kündigen sich an.“

    Wer Cannabis zu Hause anbaut, den interessieren die weiblichen Blüten. Und wichtig ist, dass sie unbefruchtet bleiben, dass also keine männlichen Pflanzen in der Nähe stehen. Dann produzieren die Pflanzen am meisten THC (Tetrahydrocannabinol), den psychoaktiven Wirkstoff von Hanf. Um es den Eigenanbauern einfach zu machen, haben die Züchter von Samen auch feminisierte Sorten im Angebot, die mit speziellen Verfahren hergestellt werden. Wer keine solchen Samen verwendet, muss die Spreu vom Weizen trennen, muss männliche und weibliche Pflanzen rechtzeitig in der Blütephase bestimmen, um eine gute Cannabis-Ernte einzufahren.

    „15. Juli 2024. Nur weibliche Pflanzen. Sehr gut. Und wie das riecht. Man könnte auch penetrant dazu sagen. Hoffentlich maulen die Nachbarn nicht.“

    Die fünfblättrige Pflanze gehört zu den ältesten Kulturpflanzen des Menschen. Hanf wurde als Getreide angebaut, seine Samen wurden gegessen, die Fasern zur Herstellung von Kleidung verwendet. Die Menschheit entdeckte auch früh, dass Hanf eine Auswirkung auf den Geist haben kann. In den Yanghai-Gräbern in China fanden Forscherinnen und Forscher Cannabis, das von einer Sorte stammte, die auf einen hohen THC-Gehalt hin gezüchtet worden ist, der psychoaktiven Substanz des Cannabis. Die Grabstätte ist 2700 Jahre alt.

    Die erste Jeans von Levi Strauss bestand aus Hanf

    Später stellten die Chinesen aus Hanf Papier her. Gutenberg druckte seine erste Bibel auf Hanf, Kolumbus gelangte mit Tauwerk und Segeltuch aus Hanf nach Amerika. Die Entwürfe der amerikanischen Verfassung wurden auf Hanfpapier geschrieben. Und die erste Jeans, die der in die USA ausgewanderte Levi Strauss produzierte - richtig geraten -, bestand aus Hanf.

    Die Erntezeit kommt viel früher als gedacht.
    Die Erntezeit kommt viel früher als gedacht. Foto: Privat, Augsburger Allgemeine

    „15. August 2024. Ups, bald ist Erntezeit, viel früher als gedacht. Eben die Blüten kontrolliert, viele kleine weiße Fäden sind braun. Laut Anleitung könnte ich jetzt das Mikroskop nehmen, die Trichome kontrollieren. Nee, keine Wissenschaft daraus machen. Und schon einmal eine kleine Schere bestellt zum Trimmen.“

    Eine Ewigkeit hat die Menschheit Hanf angebaut, in Handarbeit. Als das Maschinenzeitalter begann und die Landwirtschaft erreichte, gab es anfangs praktischere Pflanzen als den Hanf, Baumwolle zum Beispiel für den Faseranbau. Holz zum Beispiel für die Papiergewinnung. Die Pharmaindustrie mit ihren neuen Medikamenten schob den Hanf als medizinische Allzweckwaffe auch dort aufs Abstellgleis. Und dem Rauschmittel machte 1928 die 2. Opiumkonferenz in Genf den Gar aus, dort wurden nicht nur Heroin und Kokain gebannt, sondern Cannabis gleich mit.

    Mitten im Zweiten Weltkrieg erlebte Hanf noch einmal eine kurze Renaissance in Nazi-Deutschland, als die lustige Hanf-Fibel erschien, die Bauern nahebringen wollte, doch bitte schön wieder in Hanf zu machen, weil damit der kriegsbedingten Rohstoffknappheit entgegen gearbeitet werden sollte. Doch nach dem Krieg war Schluss mit dem Hanf. 1982 verbot die Bundesrepublik sogar den Anbau von Faserhanf.

    Cannabis-Pflanzen selber zu ziehen und die Blüten zu ernten, war in diesem Jahr zum ersten Mal legal.
    Cannabis-Pflanzen selber zu ziehen und die Blüten zu ernten, war in diesem Jahr zum ersten Mal legal. Foto: Privat, Augsburger Allgemeine

    „19. August 2024. Unterschätzt, komplett unterschätzt. Erntezeit ist Fronzeit. Man schnippelt und schnippelt und schnippelt, alles klebt, nichts geht vorwärts, ständig muss die Schere sauber gemacht werden. Es sind ja nicht die großen Blätter und die Stängel, die einen aufhalten, die kleinen, klebrigen Blätter zwischen und in den Blüten, die sollen auch weg. Eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Das ist gar nichts, während fünf Pflanzen in einen kleinen Haufen klebriger Blüten verwandelt werden. Jetzt wird getrocknet.“

    Für den Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol) hat der menschliche Körper Rezeptoren. Dort docken sonst körpereigene Cannabinoide an, deren Aufgabe es ist, das Nervensystem im Gleichgewicht zu halten. Die Cannabinoide sind im Einsatz, wenn es anderswo im Nervensystem aus dem Ruder läuft, wenn zu viel aktivierendes Glutamat oder zu viel hemmendes GABA im Einsatz sind. Die körpereigenen Cannabinoide stellen das Gleichgewicht der anderen wieder her. Kommt das THC von außen, ist der Effekt anders, bringt das zusätzliche THC über die Cannabisrezeptoren das Gleichgewicht der Botenstoffe im Körper in Unordnung. Weil die Rezeptoren überall sitzen, kann die Wirkungen sich auch überall einstellen. Auf die Muskeln, auf das Gedächtnis, auf den Geist, aber auch auf den Blutdruck.

    „17. September 2024. Abends nach einem hektischen Tag der Test. Ich dachte mir, genau richtig, um zu schauen, ob die eigene Ernte mehr kann als nur Geruch. Das Drehen ging noch, das Rauchen war schon auch Qual. Da noch nicht einschätzen können, was passieren sollte: volle Breitseite. Das Herz hat gepumpt, ein Schweißausbruch, Kreislauf. Wie eine Attacke, ein Angriff auf den Körper. Hingelegt und mich gefühlt wie ein Boxer, der einen auf die Lampe bekommen hat – wie an dem Abend mit Christoph Daum. Dieses Mal kommt das Höllenzeug vom eigenen Balkon. Und wer soll das jetzt alles rauchen, wenn es so knallt?“

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