Sowohl in wilden Früchten als auch im Nektar von Pflanzen: Ethanol kommt in der Natur ziemlich häufig vor. Dementsprechend werde der Alkohol auch von vielen Tieren regelmäßig konsumiert und verwertet, schreibt ein internationales Forschungsteam im Fachblatt Trends in Ecology & Evolution. Eine moderate Alkoholaufnahme könne für die Tiere unter anderem wegen der Nährwerte relevant sein.
„Wir bewegen uns weg von der anthropozentrischen Sichtweise, dass Ethanol nur etwas ist, das der Mensch nutzt“, erklärt Co-Autorin Kimberley Hockings von der britischen University of Exeter. Tierischer Alkoholkonsum, schreiben die Forschenden, geschehe keineswegs selten und nur aus Versehen, sondern viel häufiger als bisher gedacht. „Die meisten Tiere, die zuckerhaltige Früchte fressen, kommen in irgendeiner Form mit Ethanol in Berührung“, meint Hockings.
In Palmfrüchten kann die Alkoholkonzentration auch über zehn Prozent betragen
In der Studie werden einige Beispiele angeführt. In gemäßigten Zonen fänden sich etwa Früchte der Eberesche und Kartoffelrose mit einem Alkoholgehalt von bis zu 0,41 Volumenprozent, in subtropischen Regionen Früchte von Maulbeerfeige, Dattelpalme und Syrischem Christusdorn mit bis zu 0,91 Prozent Alkohol. In tropischen Regionen sei die natürliche Fruchtgärung das ganze Jahr über am günstigsten, dort wurden in Früchten auch mehrere Prozent Ethanol gefunden, in überreifen Palmfrüchten sogar Konzentrationen bis zu 10,3 Prozent.
Ethanol gab es den Forschenden zufolge erstmals vor etwa 100 Millionen Jahren, als blühende Pflanzen anfingen, zuckerhaltigen Nektar und Früchte zu produzieren, die von Hefen vergoren werden konnten. Zahlreiche heutige Tiere könnten Ethanol verwerten, der Stoffwechsel sei weit verbreitet. Insbesondere Primaten und Baumspitzmäuse seien effizient darin, aber es gebe auch genetische Hinweise etwa in frucht- und nektarfressenden Flughunden sowie Vögeln wie den Seidenschwänzen.
Anders als Menschen: Tiere wollen Kalorien, aber nicht den Rausch
Menschen wollten sich am Alkohol berauschen, aber nicht unbedingt die Kalorien daraus haben – bei Tieren sei es umgekehrt, sagt Co-Autor Matthew Carrigan vom College of Central Florida. „Tiere wollen Kalorien, aber nicht den Rausch.“ Denn: „Aus ökologischer Sicht ist es nicht vorteilhaft, betrunken zu sein, wenn man in den Bäumen herumklettert oder nachts von Raubtieren umgeben ist – dann ist es vorprogrammiert, dass die eigenen Gene nicht weitergegeben werden.“
Für manche Tiere könne Alkohol jedoch Vorteile haben, heißt es in der Studie weiter. Kleine Essigfliegen (Drosophila melanogaster) zum Beispiel legten ihre Eier absichtlich in fermentierende Früchte, die ihre Eier vor Parasiten schützen, und Essigfliegenlarven erhöhten ihre Ethanolaufnahme, wenn sie von Wespen parasitiert werden. Der Schwarze Nutzholzborkenkäfer (Xylosandrus germanus) wiederum benötige Alkohol, um zu verhindern, dass Schimmelpilze seine Höhlen in den Bäumen befallen.
Auch Effekte des Alkohols auf das Gehirn könnten sich manche Tiere möglicherweise zunutze machen. „Ethanolkonsum wird mit erhöhter Erregung, nachlassender Hemmungskontrolle und beeinträchtigten kognitiven Fähigkeiten in Verbindung gebracht, die alle zu einer breiteren Partnerwahl beitragen“, heißt es in der Studie. Solche Effekte seien auch bei Nagetieren im Labor beschrieben worden. Aber generell gelte: „Viele der Vorteile sind für nicht-menschliche Arten im natürlichen Kontext noch nicht ausreichend erforscht.“
Es gibt laut Studie viele glaubwürdige Berichte über Affen, die überreife, vermutlich alkoholhaltige Früchte verzehren und zudem einige Arten, bei denen die Alkoholaufnahme wissenschaftlich nachgewiesen worden sei. Zu diesen gehörten Geoffroy-Klammeraffen (Ateles geoffroyi), die sich unter anderem von den fermentierten Früchten der Gelben Mombinpflaume ernährten, wobei der Ethanolgehalt der Früchte zwischen 1 und 2,5 Prozent liege. West-afrikanische Schimpansen (Pan troglodytes verus) nähmen nachgewiesenermaßen fermentierten Palmsaft zu sich.
Die Orientalische Hornisse verträgt sogar 80-prozentigen Alkohol
Die Forschenden zitieren außerdem eine Honigbienen-Studie, wonach die Insekten sogar eine je nach Aufgaben gestaffelte Toleranz gegenüber Ethanol aufweisen: Futtersammlerinnen, die außerhalb des Bienenstocks arbeiten, kommen eher mit vergorenem Nektar in Berührung und zeigten eine deutlich höhere Resistenz gegen Ethanolvergiftungen als Ammen, die im Nest bleiben.
Eine weitere, nur wenige Tage zuvor im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichte Studie beschäftigt sich mit einem anderen Insekt: der Orientalischen Hornisse. Diese seien die bisher einzige bekannte Tierart, welche dauerhaft hohe Dosen Ethanol zu sich nehmen könne, ohne ihr Verhalten zu ändern.
Selbst wenn die Hornissen 80-prozentigen Alkohol tranken, habe dies keine Auswirkungen auf ihr Verhalten gezeigt, schreibt das Forschungsteam aus Israel. Weder waren die Insekten aggressiver, noch konnten sie dadurch ihre Nester schlechter bauen. „Sie zeigen keine Anzeichen einer Vergiftung oder Krankheit, selbst wenn sie chronisch große Mengen Alkohol konsumieren,und sie scheiden ihn sehr schnell aus ihrem Körper aus“, erklärte Co-Autor Eran Levin von der Tel Aviv University. (Doreen Garud, dpa)
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