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Biologie: Männchen sind meist größer als Weibchen, oder?

Biologie

Männchen sind meist größer als Weibchen, oder?

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    Auch bei Zebras beispielsweise sind die beiden Geschlechter gleich groß.
    Auch bei Zebras beispielsweise sind die beiden Geschlechter gleich groß. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

    Ein Forschungsteam hat die landläufige Annahme über die Größenverteilung bei Tieren nun geprüft. Ergebnis: Bei den meisten Säugetierarten sind die Männchen keineswegs größer als die Weibchen. Seit mehr als einem Jahrhundert bestehende Vorurteile könnten zu dem Missverständnis geführt haben, vermutet die Gruppe um Kaia Tombak von der Princeton University. 

    Körperliche Größenunterschiede zwischen Männchen und Weibchen einer Art entstünden bei Säugetieren in Abhängigkeit vom Wettbewerb um Partner und davon, wie Eltern in ihre Nachkommen investieren, erläutert das Forschungsteam im Fachjournal Nature Communications. Bei den – im Verhältnis größeren – Löwen- und Pavian-Männchen zum Beispiel gebe es heftige Konkurrenz um Weibchen. Bei Kaninchen und anderen Hasenartigen hingegen seien die Weibchen größer, weil sie in der Regel mehrere Würfe pro Paarungszeit zu stemmen hätten.

    Bei 39 Prozent der Arten sind Geschlechter gleich groß

    Tombak und ihr Team hatten die mittlere Körpermasse von Männchen und Weibchen von 429 Spezies verglichen, jeweils von Tieren in freier Wildbahn und gewichtet nach dem Artenreichtum in den verschiedenen Säugetiergruppen. In den meisten Fällen sind die Männchen demnach nicht größer als die Weibchen, bei sehr vielen Arten (39 Prozent) sind beide Geschlechter gleich groß, etwa bei Lemuren, Pferden und Zebras. Große Unterschiede gibt es der Analyse zufolge zum Beispiel beim Nördlichen See-Elefanten – bei dem Männchen dreimal so groß sind wie Weibchen– und bei der Rundohr-Röhrennasenfledermaus mit 1,4-fach größeren Weibchen als Männchen. Insgesamt waren bei 16 Prozent der berücksichtigten Arten die Weibchen größer, bei 45 Prozent die Männchen.

    Der Fokus der Forschung habe in früheren Zeiten oft auf charismatischen Arten mit größeren Männchen und viel Wettbewerb zwischen diesen wie bei Primaten und Robben gelegen, vermuten die Forschenden als Ursache der weitverbreiteten Fehlannahme. Schon Charles Darwin habe sie als bekanntes Allgemeinwissen behandelt, ebenso wie viele spätere Evolutionsbiologen. Nagetier- und Fledermausarten machten aber einen viel größeren Anteil der Säugetierspezies aus – und bei ihnen gebe es weniger häufig Unterschiede in der Körpergröße zwischen den Geschlechtern. Etwa die Hälfte der Fledertiere habe gar größere Weibchen.

    Das Märchen von den "größeren Männchen"

    Die gewonnenen Ergebnisse seien nicht das letzte Wort über die Häufigkeit des sexuellen Größendimorphismus bei Säugetieren, betont das Forschungsteam. Die Daten repräsentierten letztlich nur fünf Prozent der Säugetierarten, umfassendere Analysen müssten folgen. Der Anteil der Arten ohne Geschlechterdifferenz sei wahrscheinlich noch unterschätzt. Zudem variiere die Körpermasse eines Tieres je nach Körperzustand stark, sie sei daher vielfach kein ideales Maß für die Größe. Vorläufige Ergebnisse zu Unterschieden bei der Körperlänge von Säugetieren wiesen ebenfalls auf einen mit der aktuellen Auswertung sogar noch unterschätzten Anteil von Arten ohne relevanten Unterschied zwischen Männchen und Weibchen hin. Das bestärke „in der Annahme, dass es an der Zeit sein könnte, das Märchen von den "größeren Männchen" aufzugeben“.

    Auch kleinere, schwächere Männchen haben Erfolg bei den Weibchen

    In der Tierverhaltensforschung werde üblicherweise angenommen, dass Weibchen stets das stärkste, dominanteste Männchen als Partner wählen oder von ihm zur Kopulation gezwungen werden. Doch eine Untersuchung der genetischen Vaterschaft bei Säugetieren habe kürzlich auf eine gleichmäßigere Verteilung des männlichen Fortpflanzungserfolgs als erwartet schließen lassen. Offensichtlich seien bei vielen Spezies die kleineren, schwächeren Männchen ähnlich oft erfolgreich.

    Studien hätten zudem inzwischen gezeigt, dass es in vielen Populationen große Unterschiede in den Paarungsvorlieben der Weibchen und einen aggressiven Wettbewerb unter ihnen um Partner und Ressourcen gebe. Auch das widerspreche alten, oft auf Forscher aus Darwins Zeiten zurückgehenden Annahmen. Darwin war bei allem Vorreiterdenken auch ein Kind seiner androzentrischen Zeit, die Frauen eine dem Mann untergeordnete Rolle zuwies und darauf reduzierte, hingebungsvolle Mütter zu sein. (Annett Stein, dpa)

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