Hundenasen sind Supernasen. Sie nehmen winzigste Konzentrationen von Duftstoffen wahr und sind der menschlichen Nase in dieser Hinsicht um Längen voraus. Die beeindruckenden Riechleistungen der Vierbeiner macht sich der Mensch auf vielerlei Weise zunutze. Bei der kürzlichen Hochwasserkatastrophe in Teilen Deutschlands suchten Spürhunde etwa in den Trümmern nach Vermissten. Und in der Corona-Pandemie weisen Hunde Infektionen beim Menschen durch bloßes Schnüffeln nach. Hunde sind eben „Makrosmatiker“, also Nasentiere. Ihre Nase ist ihr am besten ausgebildetes Sinnesorgan. Ganz grundsätzlich entscheidet die Zahl der Riechzellen wesentlich mit darüber, wie gut ein Lebewesen riechen kann. Diese Sinneszellen befinden sich im Riechepithel, einem Gewebe in der Nasenschleimhaut, das ausschließlich für die Wahrnehmung von Gerüchen zuständig ist. Die große und lange Nase im Schnauzenraum von Hunden bietet besonders viel Platz dafür – entsprechend viele Riechzellen besitzen die Vierbeiner.
Schäferhunde verfügen über 220 Millionen Riechzellen, Dackel nur über 125 Millionen.
Allerdings gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Rassen: So verfügen Schäferhunde beispielsweise über etwa 220 Millionen Riechzellen, Dackel hingegen nur 125 Millionen. Zum Vergleich: Beim Menschen geht man von fünf bis zehn Millionen Riechzellen aus. Jene Zellen sind bei Hunden zudem sensibler. Und die Tiere unterstützen die Geruchswahrnehmung, indem sie stoßweise atmen: Viele kurze Atemzüge tragen selbst winzige Mengen an Duftmolekülen in die Nase, wo sie in einer Art Nische stagnieren und so länger mit den Riechzellen in Kontakt bleiben.
Unterstützung bekommt die Nase des Hundes schließlich von seinem Riechhirn, wo die aus der Nase eintreffenden Informationen verarbeitet werden. Der dafür zuständige Bereich wird olfaktorischer Cortex genannt. Er macht beim Hund etwa zehn Prozent der Gehirnmasse aus, beim Menschen gerade mal ein Prozent.
Datenträgerspürhunde sind in der Lage, auch SD-Karten zu finden
Im Team können Hund und Mensch zahlreiche Aufgaben bewältigen. Während im Ersten Weltkrieg Rettungs- und Sanitätshunde noch vorrangig nach vermissten Soldaten suchten, haben sich die Einsatzgebiete von Spürhunden heute enorm erweitert. So werden sie etwa als Drogen- oder Sprengstoffschnüffler an Flughäfen, in Stadien oder im Vorfeld von Großveranstaltungen eingesetzt. Es gibt speziell ausgebildete Datenträgerspürhunde, die in der Lage sind, SD-Karten, Festplatten oder Handys zu finden – eingesetzt etwa beim Missbrauchsfall im nordrhein-westfälischen Lüdge, wo ein derart ausgebildeter Spürhund einen USB-Stick mit Beweismaterial in einer Sesselritze erschnüffelte.
Auch im Gesundheitsschutz sind Hunde hilfreich: In einer Pilotstudie zeigte etwa ein Forscherteam um Holger Volk von der Tierärztlichen Hochschule Hannover, dass ausgebildete Spürhunde in der Lage sind, Speichelproben Sars-CoV-2-infizierter Menschen von denen gesunder Menschen zu unterscheiden. Bereits nach einer Woche Trainingszeit erreichten die Tiere eine mittlere Detektionsrate von 94 Prozent. Ähnlich Ergebnisse erbrachten Versuche in Großbritannien, Finnland und Frankreich.
Corona-Spürhunde patrouillieren an den Flughäfen von Helsinki und Dubai
Einen vollständigen Ersatz für gängige Testverfahren sind die tierischen Helfer indes nicht. Ähnlich wie bei einem positiven Schnelltest-Ergebnis stelle ein anschlagender Hund keinen Nachweis für eine Infektion dar, sondern einen Hinweis darauf, dass man dringend einen PCR-Test machen lassen sollte. Ihr Einsatz „könnte in öffentlichen Bereichen wie Flughäfen, Sportveranstaltungen, an Grenzen oder bei anderen Massenversammlungen als Alternative oder Ergänzung zu Labortests“ stattfinden, hieß es etwa in der Pilotstudie aus Hannover. Tatsächlich patrouillieren Corona-Spürhunde bereits an den Flughäfen von Helsinki und Dubai sowie an Bahnhöfen in Chile.
Ob nun Heroin, Dynamit oder ein Handy das Ziel ist: Zum Spürhund kann grundsätzlich jede Rasse ausgebildet werden. Allerdings ist neben der guten Riechleistung wichtig, dass die Tiere einen gewissen Spieltrieb haben, gerne mit Menschen arbeiten und auch in chaotischen Umgebungen konzentriert bleiben. Für manche Einsatzfälle ist zudem nötig, dass die Hunde körperlich in der Lage sind, schwieriges Terrain zu bewältigen. Deswegen werden etwa bei der Polizei vor allem Deutsche Schäferhunde, aber auch Rottweiler, Airdale Terrier, Riesenschnauzer und Dobermänner als Diensthunde eingesetzt.
Hunde helfen auch, bedrohte Tier- und Pflanzenarten aufzuspüren
Für eine ganz andere Aufgabe werden hingegen bevorzugt Pointer, Setter, Retriever, Hütehunde gewählt, ebenso Labrador Retriever, Border Collies und Deutsche Schäferhunde: für den Artenschutz. Konkret können die entsprechend ausgebildeten Vierbeiner dabei helfen, bedrohte Tier- und Pflanzenarten oder ihre Hinterlassenschaften aufzuspüren, wie Forschende in einer Studie des Umweltforschungszentrums (UFZ) kürzlich berichteten. Sie hatten die Ergebnisse früherer Studien zum Thema in einer Übersichtsarbeit zusammengefasst. Demnach sind die Hunde in fast 90 Prozent der Fälle deutlich effektiver als andere Nachweismethoden, wie etwa Kamerafallen: „Sie können in kürzester Zeit eine einzige Pflanze auf einem Fußballfeld finden“, fasst Annegret Grimm-Seyfarth vom UFZ zusammen. „Wir müssen dringend mehr über diese Arten wissen, aber dazu müssen wir sie erst ein-mal finden“, erläutert die Wissenschaftlerin die Idee hinter dem Projekt.
Nicht nur als Spürhunde, sondern auch als Begleithunde fungieren die Tiere, die darauf abgerichtet sind, die Gesundheit ihrer Halter zu überwachen. Diabetiker-Warnhunde lernen beispielsweise in der Ausbildung, Alarm zu schlagen, wenn der Blutzucker ihrer Besitzer gefährlich absinkt. Was die Hunde genau erschnüffeln, ist bislang noch nicht geklärt. Vermutet wird, dass Krankheiten wie Diabetes, aber eben auch Covid-19 dazu führen, dass der menschliche Körper unterscheidbare Muster flüchtiger organischer Verbindungen verbreitet, deren Moleküle beim Verdunsten einen Geruch entstehen lassen. Das wäre eine Erklärung für die hohe Trefferquote, die Hunde etwa beim Erschnüffeln von Malaria, bakteriellen Infektionen oder Krebs in Studien immer wieder an den Tag legen.
So zeigte eine Untersuchung eines Teams um den Forscher Héctor Guerrero-Flores, dass ein entsprechend trainierter Beagle Gebärmutterhalskrebs am Geruch von Frauenbinden erkennen konnte. Am Ende des Experiments lag er in über 90 Prozent der Fälle richtig, wie die Wissenschaftler im Fachblatt BMC Cancer schrieben. Andere Arbeiten zeigten, dass Hunde Lungenkrebs anhand von Blutproben und Schilddrüsenkrebs anhand von Urinproben erschnüffeln können. Allerdings kommen nicht alle Untersuchungen der tierischen Doktoren zu positiven Ergebnissen: Eine deutsch-österreichische Studie eines Teams um den Mediziner Klaus Hackner berichtete 2016 von sechs erfahrenen Spürhunden, die Atemproben von Lungenkrebs-Patienten lediglich in 45 bis 74 Prozent der Fälle erkannten.
Eine elektronische Hundenase soll helfen, Prostatakrebs zu erkennen
Insgesamt überwiegt allerdings die Zahl der Studien, welche die Fähigkeiten der Tiere bestätigen. Wissenschaftler konzentrieren sich nun darauf, herauszufinden, was die Hunde genau erschnüffeln, um darauf basierend entsprechende Geruchsdetektoren zu entwickeln. Im Februar stellte etwa ein internationales Team unter Leitung des Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Fachmagazin PLOS One eine elektronische Hundenase vor, die zuverlässig Prostatakrebs anhand von Urinproben erkennen kann.
Die Wissenschaftler kombinierten ihr System von Geruchssensoren mit maschinellem Lernen. „Wir wussten, dass die Sensoren bereits besser sind als das, was die Hunde in Bezug auf die Nachweisgrenze tun können. Aber was wir bisher nicht nachgewiesen hatten, ist, dass wir eine künstliche Intelligenz trainieren können, die Hunde zu imitieren“, erklärt Hauptautor Andreas Mershin vom MIT dazu. Im nächsten Schritt wollen die Forscher ihr Gerät nun zu einem praktikablen diagnostischen Werkzeug entwickeln, das zudem so klein ist, dass es zum Beispiel in ein Smartphone passt – und anders als tierische Spürnasen auch nicht mit Leckerlis motiviert werden muss.
Mershin selbst hatte ein außergewöhnlicher Spürhund zur Mitarbeit bei der Entwicklung des Geräts motiviert: Der Forscher erinnerte sich an eine Studie zur Erkennung von Blasenkrebs. In deren Verlauf hatte der Hund ein Mitglied der Kontrollgruppe immer wieder als positiv für die Krankheit identifiziert, obwohl der aufgrund von Tests als gesunder Proband ausgewählt worden war. Der Patient, der von dem Signal des Hundes wusste, entschied sich für weitere Untersuchungen – kurze Zeit später wurde bei ihm Blasenkrebs in einem frühen Stadium festgestellt. Für Mershin eine anschauliche Episode: „Auch wenn es nur ein Fall ist, muss ich zugeben, dass mich das überzeugt hat.“ (dpa)