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Sommer-Lektüre: 11 Buchtipps unserer Redaktion für diesen Sommer

Sommer-Lektüre

11 Buchtipps unserer Redaktion für diesen Sommer

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    Ein Sommervergnügen
    Ein Sommervergnügen Foto: Malte Christians, dpa (Symbolbild)

    Existenzieller Waschgang im Weißwasser

    Irgendwann ist da dieses eine, unwiderstehliche ins Hirn brandende Erlebnis. Es kann einen beim Pointe du Raz in der Bretagne heimsuchen, bei Jameos del Agua auf Lanzarote, egal, danach ist man: Meer-Mensch. Wem das passiert und wer dabei ein Surfbrett unter den Füßen trägt, der schreibt später vielleicht: „Dort draußen war alles auf verstörende Weise miteinander verflochten. Die Wellen waren das Spielfeld. Sie waren das Ziel. Das Objekt tiefster Sehnsucht und Verehrung. Doch gleichzeitig waren sie auch der Gegner …“ Der Reporter des New Yorker, William Finnegan, ist so ein Meer-Mensch, das Surfen sein altes Fieber. Barbarentage (Suhrkamp), ein Roadtrip auf der ewigen Suche nach Wellen, erzählt unwiderstehlich davon. Ein ziemliches Muss. Nicht nur, aber gerade am Strand. (kuepp)

    Zweite Chance für den Feigling von Offizier

    Sommer, das ist die beste Zeit für Abenteuer, für Bücher, in denen nicht nur im Innenleben der Hauptfigur etwas geschieht, sondern auch in der Welt um sie herum. Ein Schriftsteller, der das wunderbar verstand, war Joseph Conrad. Dadurch, dass er 20 Jahre als Schiffskapitän über die Weltmeere gefahren ist, hat er unglaublich viel von der Welt gesehen. Neben seinem Klassiker Das Herz der Finsternis findet sich noch ein weiteres Meisterwerk, den unglaublichen Roman Lord Jim (Insel Taschenbuch). Beschrieben wird die Geschichte eines Offiziers, der ein Schiff voller Pilger im Augenblick höchster Gefahr aus Feigheit heimlich verlässt, sich dann aber freiwillig dazu entscheidet, für diesen Frevel gegen den Ehrenkodex zu büßen – bis ihn eine neue Bewährungsprobe erwartet. Besteht er diese? (rim)

    Vom Wesen der Liebe in späteren Jahren

    Sie reisen in den Süden, nach Italien? Nehmen Sie Bodo Kirchhoffs Widerfahrnis (Frankfurter Verlagsanstalt) mit, den Liebesroman, der 2016 den Deutschen Buchpreis erhielt. Über Nacht entscheiden sich ein Mann und eine Frau, zufällig zusammengeführt, gemeinsam im Cabrio über die Alpen aufzubrechen. Ihre Spritztour bis Sizilien mutet wie ein Sehnsuchtsfilm der 60er Jahre an. Beider Leben lagen unter dem Panzer vergangener Ereignisse, jetzt stehen sie kurz vor der Erfüllung einer stürmischen Liebe – wären sie nicht im Hafen auf dieses abgerissene, bettelnde Mädchen gestoßen. Hier fängt eine andere, noch ungeschriebene Geschichte an. Bis sie erscheint, könnten Sie Kirchhoffs zauberhaften Roman Verlangen und Melancholie ((loi)

    Auf der Suche nach Anerkennung

    Wer Madeleine heißt und Made genannt wird, hat seinen Stempel schon weg. Die 13-jährige Erzählerin in Jutta Wilkes Jugendbuch Stechmückensommer (Knesebeck, ab 12) kämpft mit Übergewicht – und cool ist sie erst recht nicht. Mit diesen Mankos tut sie sich schwer im Feriencamp in Schweden. Als sie von dem Jungen Juli – mehr aus Versehen – gekidnappt wird, nehmen die Ferien eine ganz neue Wendung. Madeleine muss mit zum Nordkap, weil Juli das seinem verstorbenen Großvater versprochen hat. Zu ihnen gesellt sich Vincent, der das Down-Syndrom hat. Alle drei haben ihr Päckchen zu tragen, verzweifelt sind sie dennoch nicht. Das Buch erzählt ehrlich, lakonisch und sensibel von der Suche der Drei nach Anerkennung, Zuneigung und Geborgenheit. (m-b)

    Roadtrip durch die brüllende Hitze

    Unbarmherzig brennt die Sonne während dieser Höllenfahrt einer Mutter mit ihren zwei Kindern und einer Freundin durchs brüllend heiße Mississippi: Die kleine Tochter übergibt sich, der Teenager-Sohn wird bei einer Polizeikontrolle fast erschossen … – und die Mutter? Legt, bevor sie den Vater der Kinder aus dem Gefängnis abholt, einen Stopp ein, um sich mit Drogen zu versorgen. Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt (Verlag Antje Kunstmann) heißt der Roman der Amerikanerin Jesmyn Ward, in den sie fulminant die Geschichte einer schwarzen Familie über drei Generationen erzählt. Und in dem die Hitze zwischen jeder Zeile steckt. Kalte Dusche hinterher? Erledigt dieses Buch von Jaron Lanier: Zehn Gründe, warum du deine Social-Media-Accounts sofort löschen musst (Hofmann und Campe). (stw)

    Die mitreißende Geschichte einer WG

    Wer mit kleinen Kindern verreist, kommt am Strand weniger zum Lesen. Sich in ein Buch vertiefen, abschalten, ein 30-seitiges Kapitel an einem Stück verschlingen – keine Chance angesichts von Eis essen, Sandburgen bauen und Sonnenschutz cremen. Daher: die guten alten Stadtgeschichten (Rowohlt) von Amistead Maupin einpacken. Immer wieder gut. Die Kapitel sind so kurz, dass „Schatz, Mama kommt gleich“ keine Lüge ist, die Geschichte über die verrückte WG in San Francisco so mitreißend, dass man nach der Sandburgpause sofort weiterliest. Aber Vorsicht: Wenn die Kinder schlafen – zum Vorlesen Martin Baltscheits Der Löwe, der nicht schreiben konnte, (Bajazzo Verlag) mitnehmen, macht groß und klein Spaß –, kann man nicht mehr aufhören. Seit Februar gibt es neun Bücher der Reihe. (lea)

    Ein anderer Blick auf Bayern

    In den Ferien will man Abstand gewinnen. Aus der Ferne erscheint das Vertraute in anderem Licht. Für alle, die außerhalb Bayerns Urlaub machen und sich dabei ganz ohne Gehetze von den herrschenden Verhältnissen und Personen erholen wollen, ist Volker Weidermanns Buch Träumer (Kiepenheuer & Witsch) über die Zeit, als Dichter und Bohemiens den Freistaat Bayern wagten, erquickende Sommerlektüre. Was für ein kühnes, verrücktes, unrealistisches und mitreißendes Projekt war diese Novemberrevolution 1918! Weidermann erzählt in einer packenden literarischen Reportage von den Träumern des Aufbruchs, von Kurt Eisner, Erich Mühsam, Gustav Landauer, Ernst Toller, Oskar Maria Graf und anderen Beseelten der Räterepublik. Kein gutes Ende – aber ein großes Vermächtnis: der Freistaat. (mls)

    Ein glücklicher Sommer auf dem Land

    Alles Leid kann für eine Zeit verschwinden. Das Getöse der Welt schweigen. Zumindest für einen Sommer. Dies mit dem jungen Kriegsheimkehrer und Restaurator Tom Birkin zu erleben, ist ein Genuss. Zu verdanken haben wir das J. L. Carr. Ihm ist mit seiner Erzählung Ein Monat auf dem Land (Dumont) ein zeitloses Zeugnis über die heilsame Kraft menschlicher Begegnungen und den Trost, den die Auseinandersetzung mit Kunst bietet, gelungen. Birkin, dem die Schrecken des Kriegs noch in seinem zuckenden Gesicht und an seinem Stottern anzumerken sind, erlebt das Glück in einem abgeschiedenen, englischen Dorf 1920. Einen Sommer lang taucht er in diese Gemeinschaft ein, konzentriert sich ganz auf die Freilegung eines alten Wandgemäldes in einer Kirche und verlässt den Ort verändert. (huda)

    Zeit für Herz und Schmerz

    Es heißt ja gerne, wie in Kleidern passe auch als Lektüre das Leichte zum Sommer, also Romanzen. Die wahre Schönheit schöpft Romantik aber aus Traurigkeit, aus Bruch und Schwere also, das zeigen zwei neue Liebesromane. In Lempi das heißt Liebe (Hanser) von der Finnin Minna Rytisalo wehrt das Glück kaum mehr einen Sommer, bevor der Lapplandkrieg alles zerstört – aber die drei Perspektiven, aus denen hier der eigenwilligen Lempi erinnert wird, entfalten eine anrührende und geheimnisvolle Geschichte. Und auch in Eine Liebe, in Gedanken (Luchterhand) von Kristine Bilkau währt das Glück nur kurz – aber wie hier eine Tochter die Spuren der Liebe des Lebens ihrer eben gestorbenen Mutter zu einer Geschichte zusammenfügt, das ist nicht leicht, aber sehr romantisch, abseits des Kitsches. Schön. (ws)

    Harte Zeiten für harte Männer

    So richtig abenteuerlich ist heute kaum mehr ein Urlaub. Aber lesend kann man immer noch die schönsten Abenteuer erleben und sich selbst währenddessen am Strand aalen. Wie wär’s etwa mit einer Reise zum Äquator? In Begleitung eines Mannes mit Vergangenheit? Der Franzose Antonin Varenne schickt diesen Pete Ferguson in Äquator (C. Bertelsmann) auf den Weg. Es sind harte Zeiten kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg. Und Ferguson ist ein harter Mann. Er hat gestohlen, betrogen, getötet. Jetzt sucht er nach Erlösung – am Äquator, wo die Dinge auf dem Kopf stehen sollen. Das perfekte Ziel für einen Neuanfang Wer ihn zum Mittelpunkt der Erde begleitet, macht Station bei Bisonjägern, Comancheros und Revolutionären in Guatemala und fühlt sich, als sei Jack London zurückgekehrt. (li)

    Verstörendes Drama auf einem Floß

    Ja, dieser Roman ist schwere Kost für die Ferienzeit. Aber der österreichische Schriftsteller Franzobel hat mit Das Floß der Medusa (Zsolnay Verlag) ein so sprachmächtig wie bildgewaltiges 600-Seiten-Drama geschrieben, dass man es durchaus ins Urlaubsgepäck einpacken kann. (kpm)

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