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Leipziger Buchmesse: Berühmte Schriftsteller verraten uns ihre Herzensbücher

Leipziger Buchmesse

Berühmte Schriftsteller verraten uns ihre Herzensbücher

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    Timur Vermes
    Timur Vermes Foto: Daniel Biskup

    Lesen heißt auswählen. Lesen bedeutet: Man muss sich immer entscheiden. Für das eine Buch, gegen andere. Denn es gibt immer viel mehr Bücher, als es Lesezeit gibt. Welche Lektüre nehme ich zur Hand, welche muss warten, welche wird ganz hintangestellt? Wie viele Bücher schaffe ich überhaupt noch? Solche Fragen hat sich jeder Büchermensch schon gestellt. Und dann hört es ja nie auf, kommen ständig neue Bücher, neue Verlockungen …

    Wir haben Schriftstellerinnen und Schriftsteller besucht und sie gefragt: Welche zehn Bücher sind Ihnen besonders wichtig, welche sind Ihre "Lebenslektüre"? Die Antworten sind selbst schon interessanter Lesestoff. Der bekannte Augsburger Fotograf Daniel Biskup ist für uns hunderte Kilometer durch Deutschland und Österreich gereist, um Autoren zu fotografieren – mit ihren Lieblingsbüchern. Biskup fotografierte in Arbeitszimmern, Bibliotheken, Gärten, Küchen und Wohnzimmern. Seine Serie, die uns mit jedem Bild mehr begeisterte, gibt besondere Einblicke in das Verhältnis Mensch und Buch.

    Zu Besuch bei Autoren wie Ingo Schulze, Paul Maar und Vea Kaiser

    "Ein großes Glück" sei seine Reise gewesen, sagt Daniel Biskup. Sie führte ihn nach Wien, Hamburg und München, aber auch in kleine Orte und in die Provinz – überallhin, wo die Porträtierten leben und schreiben. "Entspannte Atmosphäre, interessante Gespräche, schöne Begegnungen" – so beschreibt der Fotograf, was er erlebt hat in den Wochen seiner Reise zu Schriftstellern und Lieblingsbüchern.

    Man sieht es seinen Fotos an. Manche Fototermine dauerten eine Stunde, andere einen halben Tag. Mit Vea Kaiser etwa ging Biskup in Wien spazieren, Kaffee trinken – und dazwischen immer wieder: Fotos. "Mit Männern kann man das eher nicht machen", sagt Biskup und lacht. Mit Ingo Schulze sprach der Augsburger, der wie kein Zweiter den Zusammenbruch der DDR und den Weg zu Einheit fotografisch begleitet hat, über die Wende, mit Karl-Heinz Ott, der mit Franziska Walser verheiratet ist, unterhielt er sich über den Schwiegervater – Martin Walser.

    Die Reise ins Herz der Literatur können Sie in diesem Journal nun nachvollziehen auf einer ganz besonderen Bildstrecke. Und was die Frage aller Fragen angeht – nämlich: Was lesen und wann? – empfehlen wir: Gelassenheit. Schauen Sie unser Titelbild an. Daniel Biskup hat den Schriftsteller Ilija Trojanow in dessen Bibliothek fotografiert. Ein entspannter Leser. Das wichtigste Buch ist immer jenes, das man gerade liest.

    Ingo Schulze
    Ingo Schulze Foto: Daniel Biskup

    Ingo Schulze

    Einen Autor nennt der Berliner Ingo Schulze gleich mit zwei Werken: den bosnischen Erzähler Dzevad Karahasan. Einmal mit Erzählungen, einmal mit seinem jüngsten Roman, in dem er "ein Gleichnis unserer Welt entwirft, dessen erzählerische Gerechtigkeit jeder seiner Figuren gegenüber selbst Steine erweichen kann." Auf der Liste außerdem: die "Karibischen Geschichten", die für Schulze ein Lehrbeispiel für den Widerspruch sind, dass Europa bürgerliche Rechte eroberte, aber als ökonomische Grundlage dafür die Sklaverei benötigte.

    Pitschmanns bereits 1959 vollendeter Roman, der in der DDR nicht erscheinen durfte. Wundervolle Gedichte des Israeli Yitzhak Laor, staunenswerte Prosa von Schalansky, die Entdeckung einer vergessenen Klasse bei Louis. Oder auch die Selbstbefragung Witzels, die für ihn veranschaulicht wie Welterfahrung und Romanstruktur einander durchdringen: "Nicht nur etwas für Leute, die selbst schreiben."

    Seine Liste 

    • Dzevad Karahasan: Der Trost des Nachthimmels
    • Dzevad Karahasan: Ein Haus für die Müden
    • Anna Seghers: Karibische Geschichten
    • Siegfried Pitschmann: Erziehung eines Helden 
    • Yitzhak Laor: Auf dieser Erde, die in Schönheit gehüllt ist und Wörtern misstraut 
    • Judith Schalansky: Verzeichnis einiger Verluste
    • Eduard Louis: Das Ende von Eddy
    • Frank Witzel: Über den Roman hinaus
    • Christian Bommarius: Der gute Deutsche. Die Ermordung Manga Bells in Kamerun 1914
    • César Rendueles: Kanaillen-Kapitalismus
    Anja Kampmann
    Anja Kampmann Foto: Daniel Biskup

    Anja Kampmann

    Von Anja Kampmann sind bislang Gedichte und ihr hochgelobter Debütroman "Wie hoch die Wasser steigen" erschienen. Für ihre Liste hat die Hamburgerin nur Bücher ausgewählt, die sie schon länger begleiten: "Zwischen den weiträumigen Gedanken von Frau Arendt, den motivisch dichten Erzählungen Heimito von Doderers und Gedichten Brodskys oder Wallace Stevens liegt viel Raum. Die Erzählungen haben eine bestimmte Temperatur, Ishiguro und McCarthy kann man nicht genug lesen."

    Oft lese sie im Übrigen lieber die englische Originalsprache, weil sie auch der Rhythmus der Setzung interessiere. Auf die Liste hat Kampmann auch "Kaddish" gesetzt, "ein wildes eigensinniges Langgedicht" vom im letzten Jahr verstorbenen Paulus Böhmer: "Ich mag den Furor, mit dem er auf unsere Welt blickte."

    Ihre Liste

    • Heimito von Doderer: Die Strudlhofstiege
    • Kazuo Ishiguro: Never let me go (Alles, was wir geben mussten)
    • Wallace Stevens: Teile einer Welt
    • Cormack McCarthy: All the Pretty Horses (All die schönen Pferde)
    • Wolfgang Koeppen: Tauben im Gras
    • Paulus Böhmer: Kaddish
    • Joseph Brodsky: Brief in die Oase
    • Hannah Arendt: Vita Activa
    • William Faulkner: The Sound and the Fury (Schall und Wahn)
    • Anne Carson: Autobiography of Red (Rot. Ein Roman in Versen)
    Karl-Heinz Ott
    Karl-Heinz Ott Foto: Daniel Biskup

    Karl-Heinz Ott

    Bei zwei, drei Posten musste Karl-Heinz Ott überlegen, noch einmal ins Buch hineinschauen. Weil sich Vorlieben ja auch ändern. "Ich bin froh, dass ich alles gelesen habe, was ich gelesen habe, aber ich würde nicht alles wiederlesen wollen." Was für den Schriftsteller aus dem Breisgau an Büchern fast am wichtigsten ist: "dass der Ton mich mitnimmt". Auf der Liste im Übrigen sechs englischsprachige Bücher, nur zwei deutsche Schriftsteller: Handke und Kleist.

    Was für ihn persönlich den großen Roman ausmacht: "Mich interessieren schon vor allem Geschichten, in denen man so verstrickt ist, dass es da keinen einfachen Ausweg gibt." Zum Beispiel Roth, von dem er wie auch bei Naipaul oder Handke nicht jedes Buch gleichermaßen schätzt, aber "Der menschliche Makel" habe einen selten erlebten Lesesog entfaltet: "Von der Dimension fast schon griechische Tragödie, aber die Helden sind stinknormale Figuren in einem ebenso stinknormalen Leben." Großartig also. Wer auffällt in dieser Reihung: Ein Klassiker. Kleist und seine Erzählungen. "Kleist ist so gnadenlos in seiner Konsequenz, keine Beschönigung, da winkt nicht im Hintergrunde die Harmonie. Und dann: Die wunderbar glänzende Sprache..." Der Ton eben!

    Seine Liste

    • Aharon Appelfeld: Geschichte eines Lebens
    • Julian Barnes: Vom Ende einer Geschichte
    • John Burnside: Lügen über meinen Vater
    • William Faulkner: Licht im August
    • Peter Handke: Wunschloses Unglück
    • Imre Kertész: Letzte Einkehr
    • Heinrich von Kleist: Erzählungen
    • V. S. Naipaul: Das Rätsel der Ankunft
    • Philip Roth: Der menschliche Makel
    • James Salter: Alles, was ist
    Timur Vermes
    Timur Vermes Foto: Daniel Biskup

    Timur Vermes

    Eine wilde Liste. Kafka, Henscheid, Huch, Haas und Moore … Der gemeinsame literarische Nenner? Alles, aber nicht langweilig, wichtigste Faustregel für Timur Vermes, Autor von "Er ist wieder da" und "Die Hungrigen und die Satten" – sowohl als Lesenden wie Schreibenden. Zehn Seiten gibt der Schriftsteller aus München einem Buch. Wenn es ihn bis dahin nicht hat, legt er es meist zur Seite. Niemals langweilig sind also: Sämtliche Rabbit-Romane von John Updike, "unglaublich gut beobachtet, er nimmt die Menschen so, wie er sie findet". Franz

    Wie kommen Alan Moore und David Gibbons auf die Liste? "Ein Comic für Erwachsene und Auslöser dafür, dass die ganze Superhelden-Szene erwachsen geworden ist." An Wolf Haas mag er einfach "die Art zu erzählen", die Lektüre von Ricarda Huchs "Der Dreißigjährige Krieg" brachte ihm Aha-Erlebnisse: "Ach was, so also kann man es auch machen." Mit vielen Einzelszenen, den Perspektivwechseln, Dialogen in indirekter Rede... Wie viel er liest? Gar nicht so viel, sagt Vermes. Vielleicht zehn Seiten am Tag … Zehn unterhaltsame!

    Seine Liste

    • John Updike: Sämtliche "Rabbit"-Romane
    • Alan Moore/Davie Gibbons: Watchmen
    • Raymond Chandler: Der lange Abschied
    • Ricarda Huch: Der Dreißigjährige Krieg
    • T.C. Boyle: Drop City
    • Wolf Haas: Komm, süßer Tod
    • Franz Kafka: Der Prozess
    • Eckhard Henscheid: Geht in Ordnung… sowieso… genau 
    • Elias Canetti: Die Blendung
    • Tom Wolfe: Fegefeuer der Eitelkeiten
    Vea Kaiser
    Vea Kaiser Foto: Daniel Biskup

    Vea Kaiser

    Vea Kaiser ist einer der jungen österreichischen Literaturstars, gefeiert schon für ihr Debüt "Blasmusikpop". Ihr Hund trägt den Namen Dante … und damit ist man schon bei einem der zehn Titel ihres Kanons: "Die Göttliche Komödie". Ein Meisterwerk, das Kaiser, die Latein und Altgriechisch studierte, so begeisterte, dass sie "aus Respekt" ihren Hund nach

    Auch die Amerikanerin Meg Wollitzer zählt für sie zu den ganz Großen der Gegenwartsliteratur. Ihr liebstes Kinderbuch, "Die unendliche Geschichte", legt sie heute auf langen Autofahrten gerne als Hörbuch ein. Ein Buch sticht heraus, entdeckt in einem Laden in Michigan. "Mason Curreys "Daily Rituals" habe ihren Blick auf Künstler für immer verändert: "Denn die kleinen Biografien der Geistesgrößen der Neuzeit zeigen, dass sie alle vor allem eines waren: hart arbeitende Menschen mit den absurdesten Tricks, ihre Arbeit voranzutreiben."

    Ihre Liste

    • Homer: Ilias & Odyssee
    • Ovid: Metamorphosen
    • Longos: Daphnis und Chloe
    • Donna Tartt: Die geheime Geschichte
    • Michael Ende: Die unendliche Geschichte 
    • Thomas Mann: Buddenbrooks 
    • Nickolas Butler: Shotgun Lovesongs
    • Dante Alighieri: Die Göttliche Komödie
    • Meg Wolitzer: Die Stellung
    • Mason Currey: Daily Rituals
    Franz Dobler
    Franz Dobler Foto: Daniel Biskup

    Franz Dobler

    Franz Dobler, für seinen Roman "Ein Bulle im Zug" ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis, liest selbstverständlich ... auch Krimis! Auf der Liste des Augsburgers steht unter anderem einer von Friedrich Ani, der wie andere Schriftsteller auch zum Freund geworden ist "und deren Werke mich begleiten". Ebenfalls zu langjährigen Lese-Begleitern zählen: Achternbusch und Bukowski, die Dobler als junger Leser entdeckte, sozusagen als Gegenprogramm zur Schullektüre, ein ganz anderer Sound und bei der Lektüre dann auch: "ein Gefühl von Nähe"!

    Oder Pohrt und Améry, große Denker, deren Werke aber "auch für Dumme wie mich" zu verstehen sind und die ihm eine Art Endlos-Studium ermöglichen. Was für alle Schriftsteller auf dieser Liste zutrifft: Er hätte von jedem auch andere Titel nennen können, "fast alle repräsentieren das Gesamtwerk". Ein Leser also, der Schriftstellern über Jahre und Titel hinweg treu bleibt. Was nicht fehlen darf auf der Liste des Musikautors und DJs: ein Musikbuch, Charles Mingus mit Beneath the Underdog. Spätere Entdeckungen? Zum Beispiel Ulrike Edschmid, "so eine andere Stimme." Ton, Sound... gute Literatur!

    Seine Liste

    • Herbert Achternbusch: L´état c´est moi
    • Jean Améry: Widersprüche
    • Friedrich Ani: Der Narr und seine Maschine
    • Simone Buchholz: Mexikoring
    • Charles Bukowski: Dante Baby, das Inferno ist da!
    • James Lee Burke: Dunkler Sommer
    • Jörg Fauser: Goethe, Trotzki und das Glück
    • Ulrike Edschmid: Frau mit Waffe
    • Erica Jong: Der letzte Blues
    • Charles Mingus: Beneath the Underdog
    • Wolfgang Pohrt: Zeitgeist, Geisterzeit
    Nora Gomringer
    Nora Gomringer Foto: Daniel Biskup

    Nora Gomringer

    Was sie täglich vor allem liest, und zwar mehrere Stunden am Tag: "Nicht-Literarisches auf dem Screen", sagt Nora-Eugenie Gomringer, Dichterin, Regisseurin, Herausgeberin, Festival-Kuratorin und Leiterin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg.

    Was dann auch vorkommt: Dass sie tagelang "nichts zur Erbauung liest, also nichts Belletristisches." Wobei: "Ein Gedicht aber, das versuche ich doch täglich und wenn meine Abende immer mir zur Gestaltung überlassen wären, so würde ich allabendlich eine Graphic Novel lesen und mit dem Auge abtasten."

    Ihre Liste

    • Dorothy Parker: Denn mein Herz ist frisch gebrochen
    • Paul Hornschemeier: Komm zurück, Mutter
    • Peer Meter und Isabel Kreitz: Haarmann
    • Hans Bengl, Hans Färber, Erich Happ: Organon - Griechisches Unterrichtswerk
    • Matthias Claudius: Kleine Textsammlung
    • Michael Köhlmeier: Geschichten von der Bibel
    • Liv Strömquist: Der Ursprung der Welt
    • Anton Graf Sobanski: Nachrichten aus Berlin
    • Jochen Schmidt und Line Hoven: Schmythologie
    Tanja Kinkel
    Tanja Kinkel Foto: Daniel Biskup

    Tanja Kinkel

    "Sie eine optimistische Bestsellerautorin, emanzipierte Frau …" Und nein, Tanja Kinkel, Bestsellerautorin aus Bamberg, spricht natürlich nicht von sich selbst, sondern von George Sand, die mit dem Kollegen Gustave Flaubert eine Freundschaft pflegte. "Die Hörfassung des Briefwechsels gehört zu meinen Lieblingsbüchern überhaupt."

    Die Liste spiegelt ihre Arbeit als Autorin wider: Alles dabei! Historische Romane, Kinderbücher, Thriller …. Eine Querfeldeinleserin also, zu deren ersten großen Lese-Lieben "Die unendliche Geschichte" zählte. Was später kam: Christa Wolf mit ihrem "Meisterwerk von einer Novelle", Luise Rinser, die für Maria aus Magdala eine Stimme fand, "die mir geblieben ist".

    Heinrich Heine, dessen politische Satire noch immer greife. Und Emiliy Brontë mit "Sturmhöhe". "Eine Autorin, die es nicht scherte, ob man ihre Figuren sympathisch fand." Dazwischen Bestseller aus den 60er bis 80er Jahren: Simmels "wunderbare Persiflage von Spionagethrillern", der Abenteuerroman mit Wildkaninchen als Helden von Richard Adams, "Die Herrin vom Nil" über die Pharaonin Hatschepsut und "Angelique"!

    Ihre Liste

    • Michael Ende: Die Unendliche Geschichte
    • Richard Adams: Unten am Fluss
    • Anne Golon: Angelique
    • Heinrich Heine: Deutschland: Ein Wintermärchen 
    • Christa Wolf: Kein Ort. Nirgends.
    • Pauline Gedge: Die Herrin vom Nil
    • Johannes Mario Simmel: Es muss nicht immer Kaviar sein
    • Emily Brontë: Sturmhöhe
    • Luise Rinser: Mirjam
    • Gustave Flaubert – George Sand: Eine Freundschaft in Briefen
    Silke Scheuermann
    Silke Scheuermann Foto: Daniel Biskup

    Silke Scheuermann

    Gedichte! Fehlen natürlich nicht auf der Liste der Lyrikerin und Romanautorin Silke Scheuermann. "alfabet" von Inger Christensen gilt für sie als das "wohl längste und beste Gedicht des Jahrhunderts". Die Romane? Klassiker wie Herman Melvilles "Moby Dick" oder Fernando Pessoas "Das Buch der Unruhe." Aber auch zeitgenössische Werke zählen zu den Herzensbüchern. "Parker" von Matthias Göritz, in dessen Mittelpunkt ein ziemlich erschöpfter Rhetoriklehrer steht, sei von seinen vielen Fans vor allem als Politthriller gelesen worden. "Ich lese ihn als Zeitdiagnose, die viel weiter geht als ein Buch über die wichtigsten Kennzeichen dieser Zeit, die schnell ist und in der Form wichtiger geworden ist als Inhalt."

    Faszinierend, originell und trotz des Themas auch komisch ist für sie "Trauer ist das Ding mit Federn" von Max Porter, "geschrieben in einer lyrisch bildhaften Sprache, die seinesgleichen sucht". Wie lange sie täglich liest? "Zwischen eineinhalb Stunden und fünf, letzteres bei von mir sehnsüchtig erwarteten Neuerscheinungen von Lieblingsautoren."

    Ihre Liste

    • Matthias Göritz: Parker
    • Inger Christensen: alfabet
    • Max Porter: Trauer ist das Ding mit Federn
    • Janine Benyus: The Secret Language Of Animals
    • Fernando Pessoa: Das Buch der Unruhe
    • Sylvia Plath: Die Glasglocke 
    • Steven Pinker: Der Stoff, aus dem das Denken ist
    • A. A. Milne: Pu der Bär
    • Herman Melville: Moby Dick
    • Emily Dickinson: Sämtliche Gedichte
    Ilija Trojanow
    Ilija Trojanow Foto: Daniel Biskup

    Ilija Trojanow

    In Afrika aufgewachsen, vier Sprachen sprechend, ständig auf Reisen: Das multikulturelle Leben von Ilija Trojanow spiegelt sich in seiner Auswahl. Wirkliches Herzensbuch: "Paradiso" von José Lezama Lima. "Für mich der erste universelle Roman, entstanden ausgerechnet auf der kleinen Insel Kuba, in einer Seitengasse des alten Havanna. Der Mann schreibt, als hätte er – und damit der Leser – Zugang zu allen Epochen, allen Philosophien, allen Kulturen – maßlos, gigantomanisch und betörend."

    Bücher mehrmals zu lesen gelingt ihm kaum, aber "so verliert man auch keine schönen Erinnerungen." Seit der Jugend ist Trojanow nie ohne Buch: "Ich habe immer die Sorge, ich könnte irgendwo hängen bleiben, auf einem einsamen Feld der Langeweile, ohne etwas zu lesen dabei zu haben". Und Leselisten führt er auch: "In guten Jahren komme ich so auf rund 80 Titel pro Jahr, in schlechten auf 40."

    Lesen ist für ihn Teil des Berufs: "Gerade warten etwa 20 Bücher darauf, gelesen zu werden. Es sind ja immer ganz konkrete Sachen, die einen interessieren." Für den Rest vertraut er Empfehlungen von Freunden und Kollegen, streift durch Buchhandlungen und liest Rezensionen.

    Seine Liste

    • David Albahari: Die Ohrfeige
    • António Lobo Antunes: Das Handbuch der Inquisitoren
    • Euclides da Cunha: Krieg im Sertao
    • José Lezama: Lima Paradiso
    • Heinrich Mann: Der Untertan
    • Abbas Maroufi: Fereydun hatte drei Söhne
    • Yukio Mishima: Schnee im Frühling
    • David Mitchell: Cloud Atlas
    • Warlam Schalamow: Durch den Schnee. Erzählungen aus Kolyma
    • Upton Sinclair: Öl
    Andreas Steinhöfel
    Andreas Steinhöfel Foto: Daniel Biskup

    Andreas Steinhöfel

    Die Vorliebe fürs Englische ist nicht zu übersehen: Steinbeck, Dickens, Melville. Sogar Antikes wie Herodot liest Andreas Steinhöfel auf Englisch. "Das spart Lebenszeit, weil die deutsche Syntax so sperrig ist." 20 Prozent weniger Volumen hätten englischsprachige Bücher, so der Autor und Übersetzer. "Da springt ein ganzer Urlaub raus!"

    Außerdem sei englische und amerikanische Literatur zugänglicher. Das "absolute Lieblingsbuch": "David Copperfield", weil es eine der schönsten Schilderungen von Kindheit ist, "mit einem perfekt ausbalancierten Plot und einer großen Anzahl an unglaublich skurrilen Figuren". Herz und Verstand müssen Bücher für ihn berühren. Aber man darf auch was lernen wie bei Herodots Geschichtsbüchern. Die hat Steinhöfel spät entdeckt, "früher hätte ich die nicht mit der Kneifzange angelangt". Heute aber erfährt er daraus, "warum wir so sind, wie wir sind. In der Schule wurde das nicht vermittelt". Die Kinderbücher: "Jim Knopf" – immer noch ein Selbstläufer; "The Secret Garden" – ein großer Wurf, "denn es gibt den Lesern das Gefühl, nicht allein zu sein".

    Seine Liste

    • John Steinbeck: East of Eden (Jenseits von Eden)
    • Frances Hodgson: The Secret Garden (Der geheime Garten)
    • Herodotus: Histories (Historien)
    • Herman Melville: Moby Dick
    • Charles Dickens: David Copperfield
    • C.W. Ceram: Götter, Gräber und Gelehrte
    • Michael Ende: Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer
    • Umberto Eco: Der Name der Rose
    • W.G. Sebald: Die Ringe des Saturn
    • Selma Lagerlöf: Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden
    Paul Maar
    Paul Maar Foto: Daniel Biskup

    Paul Maar

    Natürlich liest Paul Maar auch neue Bücher, die von Daniel Kehlmann etwa, aber seine Herzensbücher sind "schon ein bisschen älter", sagt der Kinderbuchautor. Wie die Schriften von Georg Christoph Lichtenberg oder Laurence Sternes "Tristram Shandy" (1759) – sein Favorit auf der Liste. "Ein genialer Autor, der zu seiner Zeit schon erstaunliche Ideen hatte", findet Maar. "Manchmal schaue ich mir etwas ab."

    Am liebsten sind ihm Bücher, bei denen er das Gefühl hat "hier spricht ein Autor zu mir, der mit mir innerlich verwandt ist." Einer wie Karl Karl Valentin, an dem er den skurrilen Witz liebt, oder Vladimir Nabokov, von dem er alle Romane gelesen hat. Auf der Liste aber ist die Autobiografie, "weil er darin Kindheitserinnerungen mit großer Genauigkeit beschreibt."

    Die Lust am Spiel mit der Sprache, ein Markenzeichen des Sams-Autors Maar, zeichnen die Lieblingsautoren aus: den fränkischen Landsmann Robert Gernhardt, Fritz Fühmann, Arno Schmidt. Aber wer ist Daniil Charms? Ein russischer Autor, dessen Bücher erst nach der Perestroika im Westen veröffentlicht wurden. "Ich liebe seinen schrägen Humor, andere Menschen nennen es Blödsinn ."

    Seine Liste

    • Robert Gernhardt: Körper in Cafés
    • Karl Valentin: Gesammelte Werke
    • Laurence Sterne: Leben und Ansichten von Tristram Shandy
    • Franz Fühmann: Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm von Babel
    • Jorge Luis Borges: Erzählungen
    • Arno Schmidt: Trommler beim Zaren
    • Vladimir Nabokov: Sprich, Erinnerung, sprich
    • Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe
    • Denis Diderot: Jakob und sein Herr
    • Daniil Charms: Fallen
    Georg Klein
    Georg Klein Foto: Daniel Biskup

    Georg Klein

    "Keine Bestenliste, aber eine Herzensliste!" von Georg Klein. Mit seiner Familie lebt er in Ostfriesland, geboren und aufgewachsen ist er in Augsburg. 2010 erhielt für seinen "Roman unserer Kindheit" den deutschen Buchpreis. Mein

    Zu den übrigen neun... die Erklärung: "Zwei dieser Bücher hätte ich gern selber geschrieben (Berge des Wahnsinns, Starfish Rules). Eines ist deutlich scharfsinniger als ich (Das Glück der Tiere), eines tränentreibend trivial (Das Buch von San Michele). Zwei sind tränenlos traurig (Der Mann im Jasmin/Dunkler Frühling; Und jetzt bist du nackt). Und mindestens zwei dieser Bücher habe ich, selber schreibend, unwillkürlich beklaut (Nachtgewächs; Mein Augsburg). Natürlich kann keines völlig makellos sein. Oder vielleicht doch? (Die Hure H; Die Autobiographie von Alice B. Toklas).

    Seine Liste

    • Dunja Barnes: Nachtgewächs
    • H.P. Lovecraft: Berge des Wahnsinns
    • Tobias O. Meissner: Starfisch Rules
    • Axel Munthe: Das Buch von San Michele
    • Burkhard Müller: Das Glück der Tiere
    • Hans Pletz: Mein Augsburg
    • Stephan Turowski: Und jetzt bist du nackt
    • Gertrude Stein: Die Autobiographie von Alice B. Toklas
    • Katrin de Vries / Anke Feuchtenberger: Die Hure H
    • Unica Zürn: Der Mann im Jasmin / Dunkler Frühling
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