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Konzert: Phil Collins in München: Ein Fest der Hinfälligkeit

Konzert

Phil Collins in München: Ein Fest der Hinfälligkeit

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    Phil Collins hat seine Tour "Still Not Dead Yet" genannt.
    Phil Collins hat seine Tour "Still Not Dead Yet" genannt. Foto: Paul Bergen, dpa (Archiv)

    Größer könnte der Kontrast nicht sein. Bei den bisherigen Konzerten dieses Sommers im Münchner Olympiastadion ging es kraftstrotzend und lebensprall zu, ein Effektspektakel mit Rammstein und ein Riesenvolksfest mit Andreas Gabalier. Und jetzt, an diesem Montagabend, tritt um Viertel vor neun ein deutlich gealterter, auf den ersten Blick fast gebrochen wirkender Mann auf die Bühne der Arena, kein Kostüm, am Stock hinkend zu dem Drehstuhl, auf dem er dann den ganzen Abend sitzen wird. Phil Collins, 68 Jahre alt, ein Schmerzensmann der Popmusik ist noch einmal auf Tour. Und im Gegensatz zu den anderen zuvor ist die Arena mit rund 50.000 Zuschauern auch nicht annähernd ausverkauft – seine beste Zeit scheint gleich in mehrfachem Sinne hinter ihm zu liegen.

    Aber dann passiert eben das, was auch die wuchtigste Feuer- oder Trachtenshow nicht ersetzen kann: Ein zweistündiges Konzert wird zur Feier eines Lebens, das in Dramen und Triumphen bedeutsamer ist, als es der Pop allein sein kann. Denn selbstverständlich wissen die Fans um das Schicksal dieses Mannes, der einst als Schlagzeuger und dann auch Sänger der Band Genesis groß wurde. Die Nervenkrankheit, die ihn längst daran hindert, noch die Drumsticks bedienen zu können, das private Unglück, als er sich vor jetzt 15 Jahren aus der Musik zurückziehen wollte, um endlich, beim dritten Versuch ein Ehemann und Vater sein können, aber wieder scheiterte und dann in den Strudel des Alkohols geriet.

    Und nun eben auch noch das: „Ich hatte eine Rücken-Operation“, sagt Phil Collins gleich zu Beginn auf Deutsch, „jetzt ist mein Bein gefuckt.“ Kaputt also, gelähmt. Da haben sich aber längst auch schon jene Zuschauer im vorderen, bestuhlten Drittel der Arena erhoben, um ihm zu applaudieren.

    Phil Collins in München: Es geht auch um die Brüche des Lebens

    Und Collins? Singst gleich mal „Against All Odds“ und damit eine Ballade, noch nicht unterstützt von den je zwei formidablen Sängerinnen und Sängern, die ihn oft an diesem Abend noch durch die Songs tragen und begleiten werden – dazu ein Stück, um dessen stimmliche Höhen er sichtlich ringen muss und in dem er eben auch singt: „Take A Look At Me Now“. Die Brüche des Lebens, auch das bin ich.

    Aber wie um jeden Anflug möglichen Mitleids im Keim zu ersticken, packt er gleich das Sozialdrama „Another Day In Paradise“ hintendrauf, im Vergleich zur geschilderten Not und Armut im Text dann im Refrain auf sich, die Zuschauer und diesen wunderbar milden Abend im Olympiastadion deutend: „You And Me In Paradise.“ Und vielleicht ist ja gerade jetzt wirklich endlich noch alles gut für diesen Phil Collins.

    Es gehört schon eine kräftige Prise britischen Humors dazu, eine solche Tour auch noch mit dem Motto „Still Not Dead Yet“ zu betiteln: Noch immer nicht tot. Wie vor Monaten auch Monty-Python-Held John Cleese seine Abschiedstour ja auch schlicht „Last Time To See Me Before I Die“ nannte, dass letzte Mal zu sehen, bevor er sterbe also.

    Konzert in München: Sohn von Phil Collins als Schlagzeuger

    Für Phil Collins aber geht hier noch etwas auf. Er baut in die erste Hälfte des Konzert mit „Throwing It All Away“ und „Follow You Follow Me“ auch zwei Genesis-Nummern ein und betont die Versöhnheit auch mit jener, in Bildern auf der Videoleinwand erinnerten Zeit. Und als er dann schon früh seine gesamte, starke Band aus teils langjährigen Mitstreitern vorstellt, folgt an letzter und 13. Stelle der Schlagzeuger des Abends: sein 18-jähriger Sohn Nicholas. Und Phil Collins betont, wie stolz und wie dankbar er für ihn und diesen gemeinsamen Auftritt ist.

    Und all das reichte eben schon spätestens für ein berührendes Konzert, als dieser Sohn dann zur Konzerthalbzeit mit dem Percussionisten der Band ein zehnminütiges Drum-Duett abliefert und schließlich auch noch Vater Phil mit bloßen Händen auf einer Trommel dazu einstimmt – zumal die beiden bald darauf auch noch ein Vater(singt)-Sohn(Piano)-Duett mit der Liebesballade „You Know What I Mean“ drauflegen.

    Phil Collins liefert plötzlich ein lautes Finale

    Aber dieser hinfällige Phil Collins will ja mehr, „Spaß haben“, wie er am Anfang sagte, letztlich aber mit seinen Fans noch einmal die großen Songs seines Lebens feiern. Und so geht es dann mit einem wie immer live noch eindrucksvolleren „In The Air Tonight“ in ein plötzlich durchaus auch effektstarkes und sehr lautes Finale, das nur leider die Hälfte der Zuschauer mit dem Abfilmen des eigentlich live zu erlebenden beginnt.

    In dieser Folge also dröhnen mächtig: „You Can't Hurry Love“, „Dance Into The Light“, „Invisible Touch“, „Easy Lover“ und „Sussudio“, bevor sich Phil Collins letztlich wieder mühsam aus seinem Drehstuhl erhebt und am Stock von der Bühne hinkt.

    Aber natürlich um noch ein letztes Mal wiederzukommen. Er hat sich durch die zwei Stunden auch kämpfen müssen, wie er sich sicher auch durch diese stationenreiche Tournee mitunter kämpfen muss. Aber nun singt er zum Abschluss „Take Me Home“ gelöst: „Take, take me home / 'Cause I don't remember / Take, take me home / Oh Lord, / 'Cause I've been a prisoner all my life...“

    Es ist wie ein Abschied, auch wenn er sagt: „Auf Wiedersehen, München.“ Alles Gute, Phil Collins.

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