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Kommentar: Ein Plädoyer für die Freundlichkeit in Zeiten von Corona

Kommentar

Ein Plädoyer für die Freundlichkeit in Zeiten von Corona

Lea Thies
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    Eine weggeworfene Maske zwischen Herbstlaub auf einer Straße. Spaltet die Corona-Debatte unsere Gesellschaft?
    Eine weggeworfene Maske zwischen Herbstlaub auf einer Straße. Spaltet die Corona-Debatte unsere Gesellschaft? Foto: Bernd Thissen, dpa

    Ein Satz stand im April, während des ersten Lockdowns, mit Kreide an die Hauswand eines Augsburger Lokals geschrieben: "In einer Welt, in der du alles sein kannst, sei freundlich!" In diesen Tagen des "Lockdown light" macht er nun vielleicht an etwas prominenterer Stelle Sinn, wo ihn mehr Menschen sehen können – also hier, als wichtige Botschaft. Denn die Stimmung in der Gesellschaft droht zu kippen.

    Dafür gibt es bereits einige Indikatoren. Die Polizeigewerkschaft etwa schlug jüngst Alarm, dass die Stimmung immer aggressiver werde, wenn die Polizei Corona-Maßnahmen durchsetzen will. Wohlgemerkt Maßnahmen, die sich die Beamten nicht ausgedacht haben, die sie möglicherweise selbst nicht einmal befürworten. Da werde aber gepöbelt, gespuckt, gehustet, heißt es in dem Bericht. Dass einige ihrem Frust freien Lauf lassen, fällt auch anderenorts auf.

    Neue Corona-Regeln: Diskussionen über die Sinnhaftigkeit

    Etwa im Bekleidungsgeschäft, in dem eine Kundin die Mundschutz tragende Inhaberin als Maskenbefürworterin angeht und ihr eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Alltagsmasken aufdrückt – dabei hat die Frau sich in erster Linie lediglich an die bestehenden Hygieneregeln gehalten, damit sie ihr Geschäft überhaupt öffnen darf.

    Weil ein Augsburger Wirt solch sinnlosen Gespräche Leid ist, hat er in die Karte den Hinweis gedruckt: "Für eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit einzelner Maßnahmen und deren Befolgung ist das Nervenkostüm leider zu sehr mitgenommen. Verzichten Sie bitte darauf."

    Auch Systemrelevante ächzen derzeit. Eine Ärztin erzählt, dass im Moment mehr Patienten gereizt seien, sich nicht an die Praxisregeln halten und dem Personal das Arbeitsleben schwer machen würden. Wer sich in Kindergärten, Altenheimen und Kliniken umhört, erfährt ähnliches: Da wird mitunter schneller gepampt als gedankt – und auch auf Social Media wird’s schnell grundsätzlich: für oder gegen Maske, für oder gegen Oma-Umarmen, für oder gegen einen Lockdown, für oder gegen...

    Falsches Signal von der Politik

    Spaltet die Corona-Debatte unsere Gesellschaft? Obwohl wir durch Corona so viel gemein haben? Der Lockdown ist eine Zumutung, für jeden. Er macht niemandem Spaß. Alle sind coronamüde. Alle wollen ihr altes Leben und ihre Freiheit zurück, sich unbeschwert treffen dürfen, egal, mit wem und wie vielen.

    Wir wollen unser Freunde und Lieben wieder mit einem guten Gefühl umarmen, ohne Angst haben zu müssen, dass man sie oder sich möglicherweise infiziert. Alle hoffen auf Besserung 2021. Und gibt es eigentlich einen Menschen, der gerne Maske trägt?

    In Zeiten, in denen unser Land dringend mehr Solidarität braucht, forderte Ministerpräsident Markus Söder dann in der Pressekonferenz zu den neuen Coronaregeln auch noch dazu auf, Nachbarn bei der Polizei zu melden, wenn sich diese nicht an die Regeln halten. Das ist ein falsches Signal.

    Bei vielen liegen die Nerven blank

    Nicht nur, weil viele Menschen in unserem Land bereits unter Regierungen gelitten haben, die das Denunziantentum in der Gesellschaft etabliert haben. Wenn die eigene Wohnung nun sogar in Pandemiezeiten nicht einmal mehr ein sicherer Ort ist, dann steigt das Unbehagen weiter, es gibt mehr Frust und Verweigerung.

    Es ist verständlich, dass bei vielen die Nerven blank liegen. Das ist aber keine Entschuldigung dafür, den Respekt in Quarantäne zu schicken und nur noch die Ich-Maschine auf die Straße zu lassen. Das macht weder die Lage des Einzelnen noch die aller besser. Die Abstand-Hygiene-Alltagsmaske-Regeln sind für die körperliche Gesundheit gerade elementar. Für unser aller Miteinander in schweren Zeiten sollten wir aber auch F, R und R nicht vergessen: Freundlichkeit, Rücksicht und Respekt.

    Lesen Sie dazu auch:

    Wie verändert sich die Arbeit von Journalisten in Zeiten des Coronavirus? In einer Folge unseres Podcasts gaben wir im März 2020 einen Einblick:

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