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Kartei der Not: Wie unser Leserhilfswerk für zwei Frauen zum Anker in größter Not wurde

Kartei der Not

Wie unser Leserhilfswerk für zwei Frauen zum Anker in größter Not wurde

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    Wenn Menschen aus unserer Region unverschuldet in Not geraten, kann das Leserhilfswerk "Kartei der Not" ein Rettungsanker sein. Ermöglicht wird die Hilfe durch Spenden unserer Leserinnen und Leser. Dafür dankt das Kartei-der-Not-Kuratorium von Herzen.
    Wenn Menschen aus unserer Region unverschuldet in Not geraten, kann das Leserhilfswerk "Kartei der Not" ein Rettungsanker sein. Ermöglicht wird die Hilfe durch Spenden unserer Leserinnen und Leser. Dafür dankt das Kartei-der-Not-Kuratorium von Herzen.

    Die Zahlen der Not lesen sich nüchtern. 3000 Kindern in Schwaben und dem angrenzenden Oberbayern hat das Leserhilfswerk unserer Zeitung, die Kartei der Not, in diesem Jahr geholfen. 800 Menschen mit Behinderung haben dringende Unterstützung erhalten, weil die staatlichen Hilfen nicht feinmaschig genug geknüpft sind. Mit über einer Million Euro Spendengeldern konnte die Stiftung Menschen in Not im Verbreitungsgebiet der Augsburger Allgemeinen und Allgäuer Zeitung helfen.

    Sanja L. gehört zu jenen, denen die Kartei der Not wirkungsvoll helfen konnte. Die junge Frau aus Mindelheim ist alleinerziehend. Ihre drei Kinder sind vier, sechs und acht Jahre jung. Zwei gehen zur Schule, eines ist noch in der Kita. Alle vier leben von staatlicher Unterstützung.

    Sie möchte ihr Leben selbst in die Hand nehmen

    Das aber möchte die 30-Jährige so schnell wie möglich ändern. Sie will ihr Leben selbst in die Hand nehmen und „nicht auf Fürsorge angewiesen sein“. Ihr großes Ziel: Sie will Kinderpflegerin werden – ein Beruf, der einer Jobgarantie gleichkommt. Weil sie wegen ihrer eigenen Kinder aber ihre Ausbildung nur in Teilzeit durchlaufen kann und die nächstgelegene Schule in Augsburg liegt, ist sie auf ein Auto angewiesen. Hier hat die Kartei mitgeholfen, ein gebrauchtes Fahrzeug zu beschaffen.

    Ihr Alltag ist eng getaktet. Drei Tage die Woche fährt sie zur Kinderpflegeschule nach Neusäß und einen Tag absolviert sie ihr Praktikum in einer Kita. Um 5.15 Uhr steht sie auf, macht die Kinder fertig, fährt sie zur Schule und zum Hort. Um 15 Uhr ist sie zurück aus Augsburg, macht sich daheim ans Lernen, hilft dem Großen bei den Hausaufgaben und kocht am Abend noch für sich und die Kinder.

    Ohne die Hilfe hätte sie wohl die Ausbildung abbrechen müssen

    Ganz offen sagt sie, dass sie wohl ihre Ausbildung hätte abbrechen müssen, wenn ihr die Kartei der Not nicht geholfen hätte. Und auch zwischendurch musste sie all ihre Kraft sammeln, um weiterzumachen. Aber sie hat sich immer selbst Mut gemacht mit Blick auf ihre Kinder: „Ich darf mich nicht runterziehen lassen!“

    Dann kam Corona. Zeitweise fand kein Unterricht mehr statt. Stattdessen musste Sanja L. daheim am Rechner Platz nehmen, was ihr sehr schwergefallen ist. Drei muntere Kinder in der kleinen Wohnung waren eine echte Herausforderung. Trotzdem schlägt sich Sanja L. sehr gut in der Schule. Zu schaffen gemacht hat ihr aber etwas, worüber andere vielleicht nur müde lächeln würden. Daheim musste sie viele Arbeitsunterlagen ausdrucken. Für die Druckerpatronen fehlte ihr das Geld. Auch da sprang die Kartei der Not zur Seite. Nächstes Jahr wird sie fertig. „Dann will ich arbeiten“, zumindest in Teilzeit.

    Besondere Herausforderungen durch die Corona-Pandemie

    Die Corona-Pandemie stellt auch für die Kartei der Not eine besondere Herausforderung dar. Die Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung, Ellinor Scherer und Alexandra Holland, haben gleich zu Beginn des Lockdowns im Frühjahr Notfallhilfen für Beratungsstellen zur Verfügung gestellt. Damit konnte Menschen in Not unbürokratisch und schnell geholfen werden. Kurzarbeit und der Verlust der Arbeit haben gerade Familien, aber auch Ältere und Kranke, die ohnehin wenig haben, in besondere Schwierigkeiten gebracht. Oft ist ihnen schon mit zehn, 20 Euro geholfen, damit sie sich Toilettenpapier, Seifen, Shampoo, Windeln, Babynahrung oder auch eine Fahrkarte zum Arzt kaufen können.

    Die Hilfsbereitschaft lässt trotz Krise nicht nach

    Viele Tafeln im Verbreitungsgebiet der Augsburger Allgemeinen und Allgäuer Zeitung, in denen Lebensmittel an Bedürftige ausgegeben werden, mussten vorübergehend schließen. Überwiegend sind es Ältere, die hier ehrenamtlich arbeiten. Und sie zählen zur Risikogruppe für Corona. Auch hier ist die Kartei der Not in die Bresche gesprungen. Alexandra Holland betont aber, dass „die Kartei der Not nur deshalb seit mehr als 55 Jahren so gut helfen kann, weil die Spendenbereitschaft nach wie vor sehr groß ist. Die Corona-Krise hat jedenfalls bisher nicht dazu geführt, dass die Hilfsbereitschaft nachgelassen hätte.“ Im Gegenteil.

    Auch weiterhin, wie schon in den vergangenen 55 Jahren, seit Ellinor Holland die Kartei der Not ins Leben gerufen hat, können sich Menschen aus der Region Bayerisch-Schwaben mit den angrenzenden Landkreisen Neuburg und Landsberg/Lech an eine Beratungsstelle vor Ort wenden. Diese wird dann einen Einzelantrag an die Kartei der Not stellen, der dann schnell und unbürokratisch bearbeitet wird.

    Die Kartei der Not will die Zusammenarbeit mit den sozialen Organisationen noch ausbauen. „Es ist uns ein großes Anliegen, Projekte in der Region mit ins Leben zu rufen und zu unterstützen, die helfen, dass Menschen, die in schweren Lebenssituationen stecken, nicht allein gelassen werden und Hilfe erfahren“, sagt die Vorsitzende des Kuratoriums, Ellinor Scherer. Ein solches Projekt ist das Ellinor-Holland-Haus in Augsburg, das die Kartei der Not selbst gegründet hat. In ihm finden Menschen in schweren Lebenskrisen Aufnahme. Sie werden bis zu drei Jahre lang von erfahrenen Pädagogen begleitet, damit sie anschließend wieder selbst gut im Leben zurechtkommen.

    Sie kämpft mit der Trauer und Geldsorgen

    Aber zurück zu den Einzelfallhilfen. Was Hannelore S. (Name geändert) am 25. Juni 2019 exakt um 14.23 Uhr widerfahren ist, ist kaum zu beschreiben. Das Unglück schlug unerbittlich zu. Im Juli 2019 wollte sie ihren langjährigen Lebensgefährten heiraten. Der Termin stand fest, die Gäste waren geladen. Es sollte nicht dazu kommen. Der Bräutigam starb zwei Wochen zuvor an den Folgen einer schweren Erkrankung. Hannelores Lebensgefährte wurde nur 45 Jahre alt.

    Die Endvierzigerin stand nicht nur mit all ihrem Schmerz alleine da, den sie bis heute nicht überwunden hat. Da war noch ein Rucksack voller Sorgen und anderer Probleme, den sie mit sich herumschleppte. Die Beerdigungskosten über 6500 Euro blieben an ihr hängen. Sie hatte es versäumt, diese finanzielle Belastung rechtzeitig beim Sozialamt anzugeben. Und die Familie ihres Mannes weigerte sich zu helfen. Das Verhältnis war nicht das beste.

    Weil ihr Lebensgefährte ein Pflegefall war, um den sich Hannelore S. gekümmert hat, fehlte jetzt auch das monatliche Pflegegeld. Das war aber nur einer der Steine, den Hannelore S. zu schleppen hatte. Sie war viele Jahre alleinerziehende Mutter von drei Mädchen. Während die beiden Großen ihren Lebensweg gut meistern, hat die Jüngste nie richtig Fuß fassen können. Sie hatte psychische Probleme, rutschte in die Alkoholsucht ab, raucht Kette und hat auch nie einen Beruf erlernt.

    Die Oma kümmert sich nun um Emily

    In der Zeit wurde die junge Frau ungewollt schwanger. Sie wollte das Kind nicht, trug es aber letztlich doch aus. Das eingeschaltete Jugendamt sprach sich deshalb für eine Adoption des Mädchens aus. Das wiederum brachte Hannelore S. als Mutter und Oma nicht übers Herz und so versprach sie, ihre Enkelin bei sich aufzunehmen. „Auch mein Mann hat sich sehr auf die Kleine gefreut“, erzählt sie, und es schießen ihr Tränen in die Augen.

    Im Oktober 2019 wurde Emily geboren. Gleich nach dem Kaiserschnitt kam sie zur Oma, der noch trauernden Hannelore S. Die beiden leben in einer Mietwohnung abgelegen auf einem kleinen Bauerndorf, das mehr Kühe als Einwohner zählt. Eine Einkaufsmöglichkeit am Ort gibt es nicht. Vor der Wohnungstür steht ein Kinderwagen, den Hannelore S. gebraucht organisiert hat. Etwas Brennholz hat sie aufgeschichtet. Innen liegen Spielsachen herum, und über allem strahlt Emily.

    "Von meinen Sorgen bekommt sie Gott sei Dank nichts mit"

    Von der Not ihrer Oma, die kaum weiß, wie sie die Wohnung warm bekommen soll, geschweige denn genug zum Essen für sie beide auftreibt, ahnt die Kleine nichts. Fast hat man das Gefühl, sie will ihre Oma mit immer guter Laune aufheitern. „Von meinen Sorgen bekommt sie Gott sei Dank nichts mit.“

    Hannelore S. leidet an einer Behinderung. Einmal pro Jahr muss sie für ein paar Tage ins Krankenhaus. Ihren Beruf als Fahrerin kann sie nicht mehr ausüben. Sie ist auf staatliche Hilfe angewiesen. Weil sie nicht die Mutter von Emily ist, sondern die Oma, wird ihr das Elterngeld als Einkommen angerechnet. Es fehlt an allem. „Wenn ich nicht jeden Donnerstag zur Tafel könnte, wo ich Lebensmittel bekomme, wüsste ich nicht, wie ich das schaffen sollte“, sagt sie. Eine ihrer großen Töchter hilft hin und wieder mit einem Paket Windeln aus, wenn sie im Sonderangebot zu haben sind. Sie hat selbst nicht viel und muss sich um ihre vier Kinder kümmern, von denen zwei behindert sind.

    Als zu allem Überfluss auch noch ihr alter rostiger Wagen kaputt ging, warf die Kartei der Not einen Rettungsanker. Zusammen mit anderen Stiftungen finanzierte sie mit Spendengeldern einen gebrauchten Wagen. Zum ersten Mal seit Monaten kamen Hannelore S. wieder Freudentränen, als sie den Autoschlüssel überreicht bekommen hat. Zusätzlich hat sie die Kartei der Not mit Brennholz und Kinderkleidung unterstützt. Hannelore S. ist tief gerührt über die Hilfsbereitschaft der Leserinnen und Leser. Und Emily freut sich ohnehin ihres Lebens.

    Helfen Sie uns helfen

    Seit über 55 Jahren hilft die Kartei der Not Menschen in der Region, die unverschuldet in eine schwierige Lebenslage geraten sind. In dieser Zeit hat das Hilfswerk der Mediengruppe Pressedruck und des Allgäuer Zeitungsverlags diese Menschen mit rund 43 Millionen Euro unterstützt. Die Not kann jeden treffen. Plötzlich und unerwartet, durch Krankheit, einen Unfall oder den Verlust eines Angehörigen. Sie, liebe Leserinnen und Leser, helfen durch Ihre Spende mit, dass diese Menschen wieder in ein normales Leben zurückfinden. Wir achten darauf, dass das Geld dort ankommt, wo es am dringendsten benötigt wird. Mit Ihrer Spendenbereitschaft konnte viel Gutes bewirkt werden. Darum bitten wir Sie: Helfen Sie uns helfen. Dafür danken wir Ihnen von Herzen. Ihr Kuratorium der Kartei der Not

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