Es gibt ein Gespenst, das weniger unsichtbar ist (aber auch tödlich) als Corona und gegen das es wohl niemals eine alle immunisierende Impfung geben wird: Rassismus.
Im Corona-Jahr 2020 werden besonders viele Fälle von Rassismus angeprangert. Einige, wie die tödliche Attacke weißer Polizisten auf den Schwarzen George Floyd in den USA, rütteln weltweit Hunderttausende auf, gegen offenen und versteckten Rassismus auf die Straße zu gehen.
Floyds letzte Worte („I can’t breathe“, ich kann nicht atmen) werden zu einem Aufschrei, der lange nicht verstummt. Und die Parole „Black Lives Matter“ bringt auf den Punkt, dass Selbstverständlichkeiten nicht selbstverständlich sind, sondern erkämpft werden müssen. Weil es immer wieder geschieht. Erst jüngst in Paris, als Polizisten einen schwarzen Maskenverweigerer brutal misshandelten.
Jahresrückblick 2020: Hotel "Drei Mohren" heißt nun "Maximilian's"
Doch die sensibilisierte Öffentlichkeit schaut auch auf andere, weniger dramatische Manifestationen und Verdachtsfälle des Rassismus – auf Denkmäler zum Beispiel, aber auch auf die Sprache. Unter verschärfter Beobachtung: der Mohr. Er findet sich im deutschen Alltag an vielen Stellen. Die jahrelange Duldung, eine Art Quarantäne, endet hier und da. In Berlin wird die Mohrenstraße nicht mehr Mohrenstraße heißen. Und ein traditionsreiches Hotel in Augsburg, das Jahrhunderte „Drei Mohren“ hieß, nennt sich nun „Maximilian’s“. Bilderstürmerei Übereifriger oder überfällige Konsequenz?
Mancher morsche Knochen, der immer schon da stand, wird von einer unduldsameren Öffentlichkeit durchleuchtet – und die Brüche in Biografien jener, die auf Sockeln stehen, rücken ins Zentrum von Diskussionen. In den USA Südstaatengeneräle. In Deutschland Bismarck und seine Rolle im Kolonialismus. Ob Sklaverei oder Kolonialismus – es wird erbittert gestritten über Beschönigen, Beschweigen und Bewahren. Es geht auch um die Frage, ob Aufklärung immer wieder der Reibung bedarf (also der fortgesetzten Begegnung mit Mohren), oder ob ihr die Bahn bis zum Horizont sauber freigeräumt sein muss von allen Widerständen.
Und jetzt auch noch die Weihnachtskrippe. Ist der Melchior darin Ausdruck rassistischer Stereotypen? Mit der Ruhe ist es vorbei.
Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast mit der Augsburger Stadträtin Lisa McQueen an:
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