Yusuf, von woher melden Sie sich?
Yusuf: Aus Dubai.
Sind Sie vor Corona geflüchtet?
Yusuf: Dubai ist schon seit 2010 der Ort, an dem ich die meiste Zeit verbringe. Dieses Jahr sind wir nach dem Winter aber einfach hiergeblieben. Es läuft in Dubai vergleichsweise gut mit der Pandemie, speziell, wenn ich mir angucke, was gerade in Großbritannien los ist.
Ausgerechnet in Dubai, wo alles immer größer und höher sein muss, haben Sie also Ihre Wahlheimat gefunden?
Yusuf: Ja. Mir und meiner Familie gefällt es einfach sehr gut. Ich entdeckte Dubai 2001, damals war hier noch mehr Wüste und weniger Glitzer. Wir wohnen nicht mitten im Trubel. Ich kann mich hier gut auf meine Arbeit, speziell auf das Schreiben konzentrieren, die meisten meiner Kinder und Enkel sind auch da, wir haben ein schönes, ruhiges Familienleben. Trotzdem meckert meine Frau immer, dass ich zu viel arbeiten würde. Doch das ist eben meine Natur.
Trotzdem: Ich tippe jetzt einfach mal, dass Sie den Tag im Wasser starten.
Yusuf: (lacht) Haben Sie eine Überwachungskamera an meinem Haus installiert? Das stimmt. Jeden Morgen springe ich nach dem Aufstehen als Erstes in den Pool, schwimme ein paar Runden und mache im Wasser meine Gymnastikübungen. Danach gibt es Frühstück. Und immer scheint die Sonne.
Sie sehen sportlich und drahtig aus. Dank Ihres Pools?
Yusuf: Auch. Allerdings lebe und esse ich insgesamt recht gesund. Und ich habe mir meinen Enthusiasmus, meine Lebensfreude, meine Wissbegierde immer erhalten. Es hält einfach jung, neugierig zu bleiben und immer zu lernen.
Was haben Sie vom Jahr 2020 gelernt?
Yusuf: Dass wir eine große Verantwortung haben für die Welt, in der wir uns bewegen. Unsere Aufgabe besteht darin, vorsichtiger und rücksichtsvoller mit diesem wunderschönen Planeten umzugehen, auf dem wir leben dürfen. Die Pandemie hat uns Selbstverständlichkeiten genommen und uns gelehrt, wie zerbrechlich wir sind. Wir sind nur Menschen, und im Kampf mit dem Virus wird uns bewusst, wie klein und machtlos wir in Wirklichkeit sind. Ich habe viel nachgedacht in diesem Jahr – insbesondere über unser Verhältnis zur Natur. Wir müssen uns als Teil der Schöpfung betrachten, nicht als dessen Zentrum.
Lag Ihnen die Frage, wie wir im Einklang mit der Natur leben können, nicht schon immer am Herzen?
Yusuf: Das ist wahr. „Where Do The Children Play“ zum Beispiel ist ein Song über die Zerstörung unserer Ressourcen und über eine Generation von Kindern, die statt im Grünen im urbanen Dschungel aufwachsen musste. Das sind heute unvermindert relevante Sorgen. Eine bewundernswerte Persönlichkeit wie Greta Thunberg greift diese Fragen auf und führt uns vor Augen, dass wir keine Zeit mehr verlieren dürfen.
Das Lied erschien vor fünfzig Jahren. Eine Umweltbewegung im heutigen Sinn gab es damals noch gar nicht ...
Yusuf: Manchmal öffnet sich dir als Künstler ein kleines Fenster aus Erfahrungen und Erwartungen. Und durch dieses Fenster erhaschst du vielleicht einen Blick in die Zukunft. Ich war 1968 sehr krank, litt an Tuberkulose. Übrigens eine Situation, die mich an die jetzige erinnert: Ich war vollständig isoliert auf dem Land in einem Spital, der Tod war plötzlich sehr nah für einen jungen Mann von 20 Jahren. Jedenfalls war diese Zeit, rückblickend betrachtet, ein Geschenk. Damals lernte ich, dass man behutsam und pfleglich mit dem Leben umgehen muss.
Ihre Alben „Mona Bone Jakon“ und „Tea For The Tillerman“, beide 1970 veröffentlicht, wurden zu Klassikern. Wollten Sie mit Ihrer Musik damals die Welt verändern?
Yusuf: Nein, so würde ich es nicht ausdrücken. Ich hatte jedoch instinktiv das Gefühl, mit diesen Liedern eine Botschaft an die Welt zu senden. Die Botschaft von der Begeisterung für das Leben. Die Botschaft, dass es glücklich macht, Wissen und Weisheit zu sammeln, seinen Horizont stetig zu erweitern.
Hat die Tuberkulose Ihre Einstellung dem Leben gegenüber verändert?
Yusuf: Die Krankheit hat mich mit dem Blues verbunden. Mit der Musikrichtung, aber auch mit dem Gefühl. Sie hat mich melancholischer gemacht, aber wirkte zugleich kämpferisch auf mich. Der Blues trat damals schon gegen Rassismus und Ungerechtigkeit an. Heute ist es eher der Hip-Hop.
Ist es nicht enttäuschend, dass wir als Gesellschaft nicht weitergekommen sind? Dass eine Bewegung wie Black Lives Matter im Jahr 2020 überhaupt notwendig ist?
Yusuf: Ich bin mir nicht sicher, was die Antwort ist. Persönlich habe ich nie einen Unterschied gemacht zwischen Schwarz und Weiß, niemand von uns hat das. Jimi Hendrix war unser König. Für einen englischen Musiker in den Sechzigern war so etwas wie Diskriminierung weit weg vom eigenen Denken. Und doch hat sich irgendetwas im Gesellschaftssystem gehalten. Rassismus ist wie ein Virus, für das bis heute kein Vakzin gefunden wurde. Wahrscheinlich gibt es keins. Die Heilung kann nur aus jedem selbst heraus kommen, durch Erkenntnis und Bildung.
Ihre Songs vermitteln Zuversicht. Ist Ihnen das wichtig?
Yusuf: Sogar sehr. „Peace Train“, „Changes“ oder „Morning Has Broken“ haben einen positiven Effekt auf die Gedanken vieler Menschen, die Zukunft betreffend. Sie rühren und berühren. Ich erinnere mich während eines Konzerts in Deutschland an diesen riesengroßen, wirklich sehr bärtigen Kerl, der ohne jede Hemmung weinte. Das war so schön. Es zeigt, dass Musik den sensiblen Teil unseres Wesens, der so oft vom modernen Leben verschüttet wird, tatsächlich erreichen kann.
Sie konvertierten Mitte der Siebziger zum Islam, gaben Ihre musikalische Karriere und Ihren Namen Cat Stevens auf. Erst 2006 veröffentlichten Sie wieder ein Album. Warum kehrten Sie zurück zur Folkmusik?
Yusuf: Ich erkannte das Verbindende. Die kommunikative Macht von Musik ist gigantisch. Mit einem Song kannst du 10.000 Menschen in einer Arena erreichen. Dieses Gefühl wollte ich wieder spüren.
Sie haben Yusuf und Cat Stevens jetzt quasi wiedervereinigt. Wie kam es dazu?
Yusuf: Das war ein längerer Prozess. Die Plattenfirma fragte mich seit vielen Jahren, ob ich mich nicht wieder Cat Stevens nennen wollte. Ich habe lange gezögert, doch irgendwann dachte ich, „warum denn eigentlich nicht?“ Cat Stevens ist eine Marke. Der Name ist größer als ich selbst. Mich nicht mehr Cat Stevens nennen ist ja ungefähr so, als würde Paul McCartney bestreiten, einer der Beatles gewesen zu sein.
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