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Interview: Moritz Bleibtreu: „Das Internet kann man gerne morgen abschalten“

Interview

Moritz Bleibtreu: „Das Internet kann man gerne morgen abschalten“

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    Moritz Bleibtreu, inzwischen 50 geworden - und immer noch offen für jeden Quatsch.
    Moritz Bleibtreu, inzwischen 50 geworden - und immer noch offen für jeden Quatsch. Foto: Georg Wendt, dpa

    Herr Bleibtreu, in der Serie „Blackout“ legt ein Stromausfall ganz Europa lahm. Was würde Ihnen in diesem Fall fehlen – das Internet?

    Moritz Bleibtreu: Nein, das kann man gerne morgen abschalten, damit hätte ich kein Problem. Ich wäre der Erste, der das befürwortet. Aber eigentlich kann man sich in unserer total vernetzten Welt ein Leben ohne Strom nicht vorstellen, das wurde uns auch bei den Dreharbeiten immer wieder klar. Erst im Ernstfall würde man richtig realisieren, wie viele Teilbereiche des Lebens davon betroffen wären – quasi alle.

    Haben Sie für den Ernstfall Taschenlampen, Benzin, Wasser, Batterien und Kerzen im Haus gebunkert?

    Bleibtreu: Nein, ich bin kein Prepper und auch nicht der Typ, der sich auf eventuelle Katastrophen vorbereitet und zu Hause Wasserfilter oder dergleichen bunkert - dafür ist mir meine Zeit zu schade. Und wenn so was wie in der Serie passieren würde, wären das alles ja eh nur Tropfen auf den heißen Stein.

    Moritz Bleibtreu: "Ich bin ein sehr analoger Mensch"

    In der Bestselleradaption löst ein Cyberanschlag den Ausfall aus. Glauben Sie, dass so etwas wirklich passieren könnte?

    Bleibtreu: Das Problem an der Sache ist, dass das Ganze überhaupt nicht utopisch ist, das wird in der Romanvorlage ja auch sehr deutlich. Wenn man sich die mancherorts marode Stromversorgung anschaut, oder wie hoch weltweit das Problem mit Cyberkriminalität ist, realisiert man, dass das keine Science-Fiction ist. Es ist doch generell so: Wenn böse Menschen sich in den Kopf setzen, irgendetwas zu tun, um die Welt in den Abgrund zu reißen, dann werden sie Wege finden.

    Und was würden Sie im Ernstfall machen?

    Bleibtreu: Ich würde mich mit meinen Lieben zusammenrotten und alle Leute um mich scharen, die ich liebe und mag.

    Moritz Bleibtreu in einer Szene der sechsteiligen Serie "Blackout", die am 14. Oktober bei Joyn anläuft.
    Moritz Bleibtreu in einer Szene der sechsteiligen Serie "Blackout", die am 14. Oktober bei Joyn anläuft. Foto: Gordon A. Timpen/Joyn/SAT.1/ W&B Television/dpa

    Sind Sie eher analog oder voll digital unterwegs – bis hin zum smarten Kühlschrank, der Bescheid gibt, wenn die Milch alle ist?

    Bleibtreu: Ich bin grundsätzlich ein sehr analoger Mensch und mag das auch sehr. Ich habe das Gefühl, dass das Internet wie eine Büchse der Pandora funktioniert und wir uns da Probleme eingehandelt haben, die wir gar nicht absehen können. Ich mache bei den wichtigsten Entwicklungen natürlich mit, keine Frage, ich bin ja auch nicht auf den Kopf gefallen und ich kann in meinem kleinen Rahmen mit den Geräten umgehen. Aber die Informationstechnologie verschluckt immer größere Teile unseres echten Lebens, und diese Entmenschlichung macht mir Angst.

    Sie sammeln mechanische Uhren, das verrät ja eine Liebe zum soliden alten Handwerk. Wann haben Sie sich zuletzt eine gegönnt?

    Bleibtreu: Ich mag die Dinger in der Tat sehr, das ist ein kleiner Tick von mir, aber ich habe mir schon länger keine mehr gekauft. Ich sammle ja nun schon seit rund 20 Jahren Uhren, und früher bin ich noch angefeindet worden, da haben Leute zu mir gesagt: „Hey, was protzt du hier mit ’ner großen Uhr rum?“ Aber ich fand die halt schön. Seit drei, vier Jahren ist das ein ziemlicher Trend geworden, gefühlt hat jeder eine dicke goldene Uhr, ich finde, es ist fast ein bisschen inflationär – oder bilde ich mir das ein?

    Bleibtreu: "Ich kann mit gar nicht vorstellen, dass ich 50 bin"

    Sie sind im August 50 geworden, wie fühlen Sie sich damit?

    Bleibtreu: Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, dass ich 50 bin, es kommt mir ein bisschen absurd vor. Aber ich fühle mich super, und eigentlich ist das Alter ja gar nicht so schlecht, denn mit 50 ist man einerseits schon reif, aber doch noch jung genug, um an dem jüngeren Quatsch noch teilhaben zu können (lacht). Gerade in der Schauspielerei sind die mittleren Jahre tendenziell problematisch, die meisten klassischen Erzählungen drehen sich ja um einen jungen Helden. Vor allem Frauen kennen das Problem, speziell auch am Theater, dass es zwischen dem Rollenfach der jungen Geliebten und dem der Amme nicht viel gibt.

    Sie selber haben in den letzten Monaten trotz Corona fleißig gedreht. Wie haben Sie die Krise überstanden?

    Bleibtreu: Was das Private angeht, hatte ich dieselben Probleme wie andere Leute auch – zum Beispiel, dass man sich irre Sorgen macht, wie es mit den Kindern weitergeht. Dass man nicht ausgehen konnte, hat mich nicht so betroffen, denn ich bin eh nicht der Typ, der ständig unter Menschen geht und in Kneipen ist. Beruflich hatte ich irres Glück, ich habe fast normal weiterarbeiten können. Als Corona anfing, habe ich gerade den Film „Caveman“ gedreht, der im Dezember in die Kinos kommt. Wir sind von Corona für einige Wochen unterbrochen worden, aber dann haben wir mit den Hygienekonzepten weitergearbeitet. Und diese Form des Arbeitens fühlt sich inzwischen leider wie Normalität an.

    Moritz Bleibtreu: "Das Kino hat seine Bedeutung eingebüßt"

    Früher hat man Sie ja ausschließlich im Kino gesehen, jetzt fahren Sie zweigleisig und drehen auch Serien – in wenigen Wochen zum Beispiel kann man Sie als Konrad Kujau in der Serie „Faking Hitler“ erleben …

    Bleibtreu: Das Kino hat seine Bedeutung eingebüßt, und seinen Platz in der Mitte der Gesellschaft nehmen jetzt die Streamingdienste ein. Ich werde mich zwar immer fürs Kino stark machen und Kinofilme drehen, aber als Schauspieler bin ich ja Geschichtenerzähler und gehe dahin, wo die coolen Geschichten sind. Deshalb wäre es vollkommen idiotisch, an der neuen Erzählweise und dieser neuen Zeit, die gerade beginnt, nicht teilzunehmen.

    Welche Serie haben Sie zuletzt in einem Rutsch angeschaut?

    Bleibtreu: Oh, das ist lange her, das muss die erste Staffel der Mafiaserie „Gomorrha“ gewesen sein. Ich sitze nicht gerne stundenlang vorm Bildschirm – ein Format wie „Blackout“ mit sechs Folgen ist in Ordnung, alles was darüber hinausgeht, ist mir einfach zu viel.

    Zur Person

    Lange Zeit konnten seine Fans ihn nur in Kinofilmen erleben, doch jetzt hat Moritz Bleibtreu das Serienfernsehen für sich entdeckt. Im sechsteiligen Thriller „Blackout“ (ab 14.10., Joyn Plus+) nach einem Bestsellerroman von Marc Elsberg fällt in ganz Europa wochenlang der Strom aus – der Kontinent versinkt in Chaos. Bleibtreu spielt den Aktivisten Pierre Manzano, der die kriminellen Hintergründe der Katastrophe aufdecken will. Der Schauspieler wurde 1971 in München als Sohn der Schauspieler Monica Bleibtreu und Hans Brenner geboren, er wuchs in Hamburg auf und stand schon als Kind vor der Kamera. Der enorm wandlungsfähige Darsteller war in wichtigen Kinofilmen wie „Lola rennt“ oder „Elementarteilchen“ zu sehen und glänzte in „Der Baader- Meinhof-Komplex“ als Topterrorist Andreas Baader. Der 50-Jährige hat zuletzt aber auch in Serien wie „Schuld nach Ferdinand von Schirach“ oder „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ mitgewirkt. Bleibtreu, der mit einer schwedischen Grafikerin liiert ist, wurde 2008 Vater eines Sohnes und lebt in Reinbek bei Hamburg.

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