Bully, ist es moralisch überhaupt vertretbar, zehn Comedians aufeinander loszulassen und ihnen dann das Lachen zu verbieten? Das ist ja fast Körperverletzung.
Michael "Bully" Herbig: Also, wenn man sie selbst fragt, dann grenzte das fast an physischem Schmerz. (lacht) Ich habe keine Ahnung, was es mit dem Körper anstellt, wenn man sich das Lachen so extrem verkneift. Ich hab’ nur gesehen, was es mit den Leuten macht: Teddy Teclebrhan hat irgendwann angefangen, sich mit der Faust auf den Oberschenkel zu hauen. Carolin Kebekus hat sich verkehrt herum auf den Stuhl gesetzt, damit das Blut anders zirkuliert. Jeder probiert was anderes, damit er nicht in Lachen ausbricht, und darüber habe ich mich ja am meisten amüsiert.
Sind Sie jemand, der in den unpassendsten Momenten einen Lachkrampf bekommt?
Herbig: Ja, total. Ich habe in der Schule sehr darunter gelitten. Es war keine Seltenheit, deswegen zum Direktor zu müssen. Der Druck, der entsteht, wenn man nicht lachen darf, ist ja ein echter Verstärker. Manchmal ist der Auslöser selbst ja gar nicht so lustig. Ich hatte so einen Moment bei meiner eigenen Hochzeit, vor der Standesbeamtin. Rick Kavanian war mein Trauzeuge. Wir hatten davor immer wieder Sketche in der TV-Show „bullyparade“ über Hochzeiten gemacht. Als ich vor der Standesbeamtin saß – es war ein sehr heißer Tag –, guckt mich die Standesbeamtin an und sagt in diesem ganz speziellen Ton, so ganz zärtlich: „Grüß Gott…!“ Dieses „Grüß Gott“ klang exakt so, wie wir es in den Sketchen immer gespielt haben. Ich wusste, wenn ich jetzt zu Rick gucke, ist alles vorbei …
…furchtbar…
Herbig: Also musste ich bei meiner eigenen Hochzeit an irgendwelche fiesen Dinge denken, um diesen Moment zu überstehen. Das wollte ich meiner Frau nicht antun. Wobei ich glaube, dass sie mitgelacht hätte. Ich habe mich jedenfalls zusammengerissen.
Bully mit "LOL" beim Streaming, aber mit dem Herzen im Kino
Die Idee für die Sendung kommt ursprünglich aus Japan. Wurde für die deutsche Version irgendwas Grundlegendes verändert?
Herbig: Ich würde sagen, es gibt da allein schon fernsehkulturell einige Unterschiede. Wenn man das japanische TV kennt, weiß man, dass es da auch mal brachialer und lauter zugeht. Das Einzige, was geblieben ist, war die Idee, zehn Comedians mit A-Niveau in ein Studio zu packen. Jetzt kann das ein Zehnjähriger genau so schauen wie ein 90-Jähriger – und alle haben Spaß daran. Wir haben alle Kollegen gebeten, drei bis fünf Nummern vorzubereiten. Aber keiner hatte die Chance, all seine Nummern abzufeuern, weil so viel improvisiert wurde. Und ein paar sind auch früher rausgeflogen, als sie dachten. Ich glaube, dass wir das Format ganz gut hinbekommen haben.
„LOL“ ist eine Produktion für Amazon Video. Streamingdienste schießen mittlerweile wie Pilze aus dem Boden, haben Sie Angst um den Fortbestand der Kinosäle?
Herbig: Ich habe mir die Streamingdienste interessiert und ohne Vorbehalte angeschaut. Ich finde solche Entwicklungen prinzipiell total spannend und inspirierend. Die Streamingdienste tragen derzeit auch dazu bei, dass die Qualität der TV-Filme immer besser wird. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass in ein paar Jahren Projekte von einem Streamer auch ins Free-TV kommen. Ich bin gespannt. Aber: Ich bin nach wie vor auch ein großer Kinofan! Einen bildgewaltigen Film wie „Der Herr der Ringe“ will ich einfach im Kino sehen, so was schreit nach der großen Leinwand. Deshalb hoffe ich sehr, dass Corona das Kino nicht komplett zerstört.
Selbst Bullys zehnjähriger Sohn findet: "Schon bisschen übertrieben"
Fehlt Ihnen das Kino?
Herbig: Total. Ein Kinobesuch kann einfach nicht ersetzt werden. Die große Leinwand, der bombastische Sound und die Gemeinschaft mit anderen Leuten ist etwas Besonderes. Eine Komödie zu gucken und gemeinsam zu lachen ist ein fantastisches Gefühl. Oder wenn der Film so spannend ist, dass keiner mehr nach dem Popcorn greift – das ist ein Erleb-nis! Die komplette Kraft entwickelt ein Film nur im Kino, das geht zu Hause nicht. Das heißt aber nicht, dass jeder Film ins Kino muss. Man muss individuell entscheiden, je nach Idee und Inhalt. „LOL“ hätte man natürlich auch für einen klassischen Fernsehsender produzieren können. Aber die Idee dazu hatte nun mal Amazon.
Sind Sie ein „Binge Watcher“, der auch mal eine komplette Serie am Stück sieht?
Herbig: Das ist schon länger her, das war die Serie „24“ auf DVD. Damals gab’s noch keine Streamer. Aber da habe ich mir noch nachts um zwei mit meiner Frau die Folgen reingeballert. Ich hab’ immer wieder auf der Couch zu ihr rübergeschaut und wir dachten beide: „Komm, eine geht noch!“ Sonst bin ich kein großer Serien-Gucker, das ist so unheimlich zeitaufwendig. „The Mandalorian“ mochte ich sehr gerne, weil ich so ein „Star Wars“- Fan bin. Diese Serie hat für mich auch die richtige Länge.
Hatten Sie während des Lockdowns nicht auch mehr Zeit?
Herbig: Wahrscheinlich wäre mein Jahr ohne Corona nicht wesentlich anders verlaufen. Das lag daran, dass wir im vergangenen Jahr zwei Kino-Projekte entwickelt haben. Ich war hauptsächlich mit dem Drehbuch für eine Filmbiografie über Siegfried und Roy beschäftigt. Ich hab’ also meinen Schreibtisch kaum verlassen.
Auf Ihrem Instagram-Account gibt es ein grandioses Foto von Ihnen auf einem Dreirad. Einer der Kommentare lautet: „Das Schöne daran, ein Mann zu sein, ist, dass man nicht erwachsen werden muss.“ Ist das ein Lebensmotto von Ihnen?
Herbig: Es gibt in mir bis heute eine Hemmschwelle zu sagen: „Ja, ich bin ein Mann.“ Ich sehe in einem klassischen Mann einfach etwas anderes. Für mich waren 50-jährige Männer früher unheimlich alt und sehr weise – oder auch nicht. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass die Bescheid wissen. Ich tu’ mir bis heute schwer, das von mir zu behaupten…! Ich weiß wirklich nicht, ob ich je diesen Punkt erreiche. In Amerika hat mich mal jemand als „boy man“ bezeichnet. Das fand ich eigentlich eine ganz charmante Beschreibung. Ich glaube, ich stecke mit meiner spätpubertären Phase in einer Endlosschleife fest.
Wie erklären Sie das Ihrem Nachwuchs?
Herbig: Im Lockdown habe ich für meinen zehnjährigen Sohn den Garten halloweenmäßig hergerichtet. Ich hab´ echt einiges aufgefahren, wollte das alles voll gruselig machen. Und dann steht er so da, guckt mich an und sagt trocken: „Ist aber schon bisschen übertrieben, oder?“ (lacht)
Zur Person
1997 moderierte Michael Herbig noch die „bullyparade“ im damals ganz normalen linearen Fernsehen auf ProSieben. Am 1. April ist nun die neue Show des inzwischen 52-Jährigen angelaufen – „LOL: Last One Laughing“ – im heute ganz normalen Streaming bei Amazon Prime. Dazwischen ist der Münchner vor allem durch Filme eine Berühmtheit geworden: von „Der Schuh des Manitu“ über ein Remake vom „Brandner Kaspar“ bis zu ernsteren Produktionen wie die Fluchtgeschichte „Ballon“.
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