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Gesundheit: Krebsgefahr? Nobelpreisträger warnt vor Milch und Fleisch

Gesundheit

Krebsgefahr? Nobelpreisträger warnt vor Milch und Fleisch

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    Harald zur Hausen: Eine frühkindliche Infektion mit einer bisher unbekannten Klasse von Erregern aus Kuhmilch und Rindfleisch könnte chronische Entzündungen verursachen.
    Harald zur Hausen: Eine frühkindliche Infektion mit einer bisher unbekannten Klasse von Erregern aus Kuhmilch und Rindfleisch könnte chronische Entzündungen verursachen. Foto: Sebastian Kahnert, dpa

    Die Nachricht hat eine umso größere Wucht, weil sie von einem Nobelpreisträger kommt: Harald zur Hausen, für seine Entdeckung, dass humane Papillomviren eine Rolle bei der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs spielen, 2008 mit dem Nobelpreis geehrt, sagt: Eine frühkindliche Infektion mit einer bisher unbekannten Klasse von Erregern aus Kuhmilch und Rindfleisch (genannt BMMF für Bovine Milk and Meat Factors) könnte chronische Entzündungen verursachen und so das Risiko für Darmkrebs, möglicherweise auch für andere Krebsarten und chronische Erkrankungen, steigern.

    Bislang beruht diese These nur auf Indizien, der endgültige Beweis fehlt. Aber das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), dessen Chef zur Hausen früher war, stellt sich hinter den inzwischen über 80-jährigen Ausnahmeforscher. Ausgangspunkt seiner Arbeit war eine auffällige Beobachtung: Das weltweite Verteilungsmuster der Darm- und Brustkrebsraten deutet auf einen Zusammenhang mit dem Konsum von Milch- und Fleischprodukten vom europäischen Rind (Bos taurus) hin. In Indien zum Beispiel – wo Kühe vielen als heilig gelten und kaum gegessen werden – erkranken vergleichsweise wenige Menschen an Dickdarmkrebs. In Nordamerika, Argentinien, Europa und Australien, wo viel Rindfleisch auf den Tisch kommt, liegen die Darmkrebsraten weitaus höher.

    Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebsart in Deutschland, wird oft spät erkannt und ist dann nicht mehr zu heilen. Aber über Stuhltests und Dickdarmspiegelungen ist heute eine Früherkennung sehr gut möglich. Wie bedeutsam die Bovine Meat and Milk Factors für die Entstehung von Tumoren sind, lässt sich kaum abschätzen. Es gibt noch viele weitere Faktoren – vermutet wird ein solcher Zusammenhang auch für Substanzen, die von Bakterien gebildet werden. Aber die Forscher um zur Hausen lernen immer mehr über die BMMFs.

    Muttermilch könnte Schutz bieten

    Die meisten viralen Krankheitserreger sind sehr spezialisiert. Nur in Zellen ihres Wirts können sie sich vermehren. Dennoch können solche Erreger auch Zellen anderer Spezies infizieren, ohne dass dies kurzfristig Folgen hätte. Langfristig kann so eine Infektion Zellen bösartig entarten lassen. Daher stammt die Idee, dass Erreger, die an Haus- und Nutztiere des Menschen angepasst sind, auch Menschen infizieren und Krebs entstehen lassen können.

    Um solche Erreger zu finden, haben die Forscher Blutseren von hunderten europäischer Milchkühe untersucht, dazu zahlreiche Proben von Milch und Milchprodukten aus Supermärkten. Parallel wurden hunderte Blutproben von gesunden Menschen und Darmkrebs-Patienten gescannt. Eine neue Virenart konnte aber nirgends nachgewiesen werden. Was die Forscher dagegen fanden, waren einzelsträngige ringförmige DNA-Schnipsel.

    Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebsart in Deutschland, wird oft spät erkannt und ist dann nicht mehr zu heilen. Aber über Stuhltests und Dickdarmspiegelungen ist heute eine Früherkennung sehr gut möglich. Wie bedeutsam die Bovine Meat and Milk Factors für die Entstehung von Tumoren sind, lässt sich kaum abschätzen.
    Darmkrebs ist die zweithäufigste Krebsart in Deutschland, wird oft spät erkannt und ist dann nicht mehr zu heilen. Aber über Stuhltests und Dickdarmspiegelungen ist heute eine Früherkennung sehr gut möglich. Wie bedeutsam die Bovine Meat and Milk Factors für die Entstehung von Tumoren sind, lässt sich kaum abschätzen. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Diese DNA-Elemente haben große Ähnlichkeit mit kleinen, ringförmigen DNA-Molekülen, die auch bei vielen Bakterien und Hefen vorkommen und bei diesen oftmals Gene für Antibiotikaresistenzen tragen oder für Produkte, die die Pathogenität des Bakteriums steigern. Welcher Klasse die neuen Erreger angehören, ist bislang nicht klar definiert. In ihren Charakteristika liegen sie zwischen Viren und Bakterien. Das Wissen um ihre Existenz eröffne aber Präventionsmöglichkeiten, ist zur Hausen überzeugt.

    Weil die Infektion mit BMMF im frühen Säuglingsalter drohe, biete Muttermilch einen Schutz. Bestimmte Zuckerverbindungen darin verhinderten, dass die Erreger an die Rezeptoren der Zelloberfläche andocken, über die sie normalerweise ins Zellinnere gelangen. „Ich rate Müttern, ihre Kinder möglichst lange zu stillen, am besten über zwölf Monate“, sagt zur Hausen. Ab diesem Alter sei das Immunsystem der Kinder stabil und biete besseren Schutz vor vielen Infektionen, möglicherweise auch vor einer mit den BMMF. Säuglinge sollten keinesfalls früh mit Kuhmilchprodukten gefüttert werden, heißt es auch vom DKFZ.

    Der Nobelpreisträger sieht Chancen auf eine Impfung

    Auch die Mütter könnten durch das Stillen geschützt werden, da das Brustgewebe im Kontakt mit den Zuckerverbindungen sei, vermuten die Wissenschaftler. Studien zeigten, dass mit jedem zusätzlichen Monat des Stillens das Brustkrebsrisiko der Mutter sinkt. Bei Erwachsenen sei denkbar, ihnen zum Schutz die in Muttermilch vorkommenden Zuckerverbindungen zu verabreichen – sofern die dauerhafte Einnahme keine Nebenwirkungen habe, so zur Hausen. Ein Verzicht auf Rindfleisch und Kuhmilch im Erwachsenenalter bringe wohl nichts, weil man dann schon infiziert sei. Als weitere mögliche Maßnahmen nannte der Mediziner Impfungen für Rinder und das Herausfiltern der BMMF aus der Milch. Auch eine Impfung für Babys hält er für vorstellbar.

    Bisher fehlt den Forschern der Beweis ihrer These, die von vielen Fachkollegen zum Teil auch sehr kritisch gesehen wird. Allerdings musste zur Hausen auch für seine Vermutung, dass humane Papillomviren eine Rolle bei der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs spielen, sehr viel Kritik einstecken, bevor der Zusammenhang eindeutig nachgewiesen war. (dpa, maz-)

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