Voriges Jahr haben Sie mit der Crucchi Gang ein Italopop-Album veröffentlicht, nun lassen Sie mit dem Trio Regener, Pappik & Busch „Ask Me Now“ folgen, eine Jazzplatte, zudem sind Sie Autor. Werden Sie als Musiker mit der Zeit immer offener und experimentierfreudiger?
Sven Regener: Bis zu einem gewissen Grad ja. Letztendlich stand aber immer Element Of Crime im Mittelpunkt meiner musikalischen Tätigkeit. Die Liebe zu Jazzern wie Louis Armstrong und Miles Davis war einer der Gründe, weshalb ich überhaupt angefangen habe, Trompete zu spielen. Es ist ein lautes, sehr dem Gesang ähnliches Melodieinstrument. Mein Lehrer war ein Jazzmusiker. Das Trompetenspiel bei Element Of Crime zeigte immer ein bisschen etwas davon, gerade in den Soli. Aber erst in den letzten fünf Jahren habe ich mich wieder intensiver mit Jazz beschäftigt.
Ist „Ask Me Now“ Ihr Lockdown-Album?
Sven Regener: Tatsächlich haben wir schon vor fast zwei Jahren damit angefangen. Ekki Busch, Richard Pappik und ich wollten erst mal gucken, was passiert, wenn wir zusammen diese Klassiker spielen. Es hat dann etwas miniaturhaftes bekommen, was wir charmant fanden. Die eigentliche Platte haben wir schließlich im letzten Herbst aufgenommen
.
„Round Midnight“ klingt bei Ihnen sehr melancholisch. Hat das etwas mit der gegenwärtigen Stimmung im Lande zu tun?
Sven Regener: Element Of Crime ist ja auch nicht gerade eine Abgeh-Rockband. Wir arbeiten mit einer melancholischen Grundstimmung beim Songwriting. Jazzsongs wie „Round Midnight“ und „Don’t Explain“ sind nah an dem dran, was wir sonst so machen. Wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass die eigentlichen Kompositionen von Thelonious Monk, Charlie Parker oder Billie Holiday im Mittelpunkt stehen. Das ist unsere Art, sich denen zu nähern.
Musiker und Autor Sven Regener hat ein neues Jazz-Album - und wird gefühlvoll
Haben Sie schon mal wegen eines Liedes geweint?
Sven Regener: Ja, das kann mir leicht passieren, vor allem bei Beerdigungen. Es hängt aber immer von der jeweiligen Stimmung ab, es ist nie die Musik allein. Dass Musik auch ohne Worte funktionieren muss, war für uns eine Herausforderung. Damit drückt man noch direkter aufs Gefühl.
Soll das Jazzalbum ein akustisches Antidepressivum sein in dieser schwierigen Zeit?
Sven Regener: Das ist ein Kollateraleffekt, den ich gerne mitnehme. Man will die Leute mit solch einer Platte glücklicher machen, als sie es ohne sie wären.
Sven Regener - seine Karriere
Singen und Gitarrespielen kamen 1985 dazu mit der Gründung von Element Of Crime, von denen es bis heute 17 Alben gibt.
2001 begann die literarische Karriere mit „Herr Lehmann“ – auch verfilmt, wie manche der vielen Fortsetzungen.
Und nun ist das Jazz-Album „Ask Me Now“ (Vertigo/Universal) erschienen im Trio Regener, Pappik und Busch.
Regener lebt in Berlin, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Das vergangene Jahr war für die meisten Menschen das schlimmste überhaupt. Hatte 2020 für Sie persönlich trotz allem Höhepunkte?
Sven Regener: Ja, die Aufnahme dieser Platte auf jeden Fall. Mit Element Of Crime hatten wir letztes Jahr zwei Konzerte. Es war für uns bewegend, dass man überhaupt mal wieder spielen konnte. Ein Riesending für das eigene psychische Gleichgewicht. Allein die Proben haben mich sehr glücklich gemacht, und ich hatte im Grunde auch nicht das Gefühl eines verlorenen Jahres. Ich bin ohnehin an Pausen gewöhnt. „Absence make the heart grow fonder …“ (Zu Deutsch: „Durch die Ferne wächst die Liebe“)
Musiker und Autor Sven Regener hat ein neues Jazz-Album - und hofft trotz Corona auf Konzerte
Hoffen Sie, im Sommer einige Jazzkonzerte spielen zu können?
Sven Regener: Wir würden natürlich auch gern mit Regener, Pappik & Busch auftreten, aber erst einmal müssen die Termine nachgeholt werden, die Element Of Crime betreffen. In der Hoffnung, dass es diesen Sommer bei niedrigen Inzidenzzahlen unter freiem Himmel oder im Zelt geht. Im Moment arbeiten alle an Konzepten. Wir sind mit Element Of Crime auch für einige Strandkorbkonzerte gebucht, die von vornherein auf Corona angelegt sind, da wird schon was klappen. Man darf nicht zu pessimistisch sein, das bringt ja nichts.
Hatten Sie vor Corona das Gefühl, dass in Ihrem Leben eigentlich immer alles geklappt hat?
Sven Regener: Das kann ich nicht sagen. Jakob, Richard und ich machen gerade einen Podcast über die Geschichte von Element Of Crime. Fünf Episoden sind schon erschienen. Es gab bei uns immer auch schwere Jahre und Sachen, bei denen man dachte, es geht nicht weiter. Je älter man ist, desto mehr hat man davon auch schon erlebt. Das macht es für einen, der jetzt immerhin auch schon 60 ist, bei diesem Corona-Ding ein bisschen leichter. Für junge Leute ist es viel schwieriger, weil die durch Corona oft derbe ausgebremst werden. Das können sie noch nicht kompensieren durch Abgleich mit früheren Erfahrungen, was sehr beängstigend sein kann. Aber andererseits müssen sie vor der Krankheit nicht so viel Angst haben, da gleicht sich das dann aus.
Haben Sie Ihre Arbeitsgewohnheiten wegen Corona dauerhaft verändert?
Sven Regener: Ich weiß gar nicht, ob ich so etwas wie Arbeitsgewohnheiten habe. Im Augenblick kann man sich nicht mit sechs Leuten in einen kleinen Raum stellen, um Musik zu proben. Aber solche Dinge sind irgendwann wieder vorbei, und dann ist Corona relativ schnell auch wieder vergessen.
Welcher Abschnitt Ihrer Karriere war für Sie rückblickend der aufregendste?
Sven Regener: Gerade die ersten Jahre waren sehr bestimmend, weil wir da wahnsinnig aktiv waren. Man brauchte ja Songs. Heute haben wir 150 Stücke im Rücken, anfangs hatten wir keine. Ich erinnere noch viele Einzelheiten aus der Zeit, als wir jedes Jahr ein neues Album machten, während spätere Ereignisse ein bisschen ineinanderfließen.
Musiker und Autor Sven Regener hat ein neues Jazz-Album - und ist im Streaming unterwegs
Was macht eine Band aus? Ihre Musik? Ihr Erfolg? Ihre Haltung?
Sven Regener: Der rote Faden schält sich bei den Gesprächen zu unseren 17 Alben langsam heraus, sodass man hoffentlich irgendwann weiß, wo eigentlich der Hammer hängt bei dieser ganzen Geschichte. Ich glaube nicht, dass uns das irgendetwas nützt bei der nächsten Platte, aber es ist interessant, die Band mal in der Rückschau zu betrachten.
Das Streaming hat sich als wichtigste Distributionsform für Musik endgültig durchgesetzt. Merken Sie, dass die Abrufzahlen für Ihre Songs steigen – oder profitieren am Ende doch nur wieder die internationalen Superstars vom Streaming?
Sven Regener: Das läuft für uns eigentlich auch ganz gut, weil wir ein großes Repertoire haben. Ich bin nach wie vor für nutzerbasierte Abrechnungen. Das Geld, das der Fan für sein Abo bezahlt, sollte nicht in einen anonymen Pool geworfen werden, sondern direkt bei denjenigen Künstlern landen, deren Musik er sich anhört. Dadurch, dass die Songs alle einzeln gezählt werden, wird das Thema Album vielleicht etwas in die Defensive gedrängt. Das Albumformat verblasst, wenn da nichts Physisches mehr ist. Aber wir sind davon bis jetzt relativ unbeschadet im Streaming unterwegs.
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