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Bücher-Journal: Kinder als kaltblütige Killer: Der Erstlingsroman eines Mafia-Kenners

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Kinder als kaltblütige Killer: Der Erstlingsroman eines Mafia-Kenners

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    Roberto Saviano ist mit seinem Sachbuch „Gomorrha“, das die Mafia-Methoden in Italien aufdeckt, bekannt geworden. Mittlerweile steht er unter Polizeischutz. Jetzt hat er seinen ersten Roman veröffentlicht.
    Roberto Saviano ist mit seinem Sachbuch „Gomorrha“, das die Mafia-Methoden in Italien aufdeckt, bekannt geworden. Mittlerweile steht er unter Polizeischutz. Jetzt hat er seinen ersten Roman veröffentlicht. Foto: Cesare Abbate, dpa

    Er hat es wieder getan. Er hat Worte abgeschossen und eine neue, wieder schier unglaubliche Geschichte über die neapolitanische Mafia, die Camorra, erzählt. Wie gewohnt mit Wucht und Gänsehautfaktor. Mit „Der Clan der Kinder“ zeigt Starautor Roberto Saviano erneut, dass seine Berichte aus der verborgenen und rätselhaften Welt der

    Der Roman ist nicht weniger ergreifend als die Sachbücher Savianos

    Zum ersten Mal hat Saviano nun einen Roman geschrieben. Auch wenn die Figuren fiktiv sind, so ist das Buch nicht weniger ergreifend als die Sachbücher des 39-jährigen Autors. Saviano kann in seiner spannenden Erzählung auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen, den er im Vorfeld seines Camorra-Bestsellers „Gomorrha“ undercover in Neapel gesammelt hatte. Er kennt junge wie alte Mafiosi, weiß, wie diese ticken. Einem anderen Autoren hätte man die Geschichte um den Clan des Teenagers Nicolas vielleicht nicht so einfach abgenommen, zu irre klingen manche Schilderungen von den bewaffneten Halbstarken, die aus Gier nach Anerkennung und schnellem Geld zu Killern werden. Saviano glaubt man den Plot aber sofort. Das mag nicht nur an seiner eigenen Biografie liegen, sondern auch an der authentischen Sprache.

    In „Der Clan der Kinder“ sehen die Eltern zu, wie ihr Sohn in die Fänge der Mafia gleitet 

    Nicolas ist der Sohn eines Sportlehrers und einer Wäschereibesitzerin und ist fasziniert von der Macht und dem Reichtum der Clans. Seine Eltern haben mit der Camorra nichts am Hut und sehen ohnmächtig zu, wie ihr Sohn ihnen langsam entgleitet. Die Ohren und Fangarme der Mafia lauern überall. Über einen Freund bekommt Nicolas Kontakt zu einer Mafiasippe seines Viertels – und fortan begleitet ihn der Leser bei seiner Karriere in der Camorra.

    Es lässt einen frösteln, was Nicolas und seine Freunde bereit sind, für ein neues Paar Turnschuhe oder etwas Anerkennung zu tun. Schnell ist klar: Nicolas will kein einfacher minderjähriger Handlanger eines Bosses sein, von denen es in Neapel unzählige zu geben scheint, die auf Motorrollern durch die Stadt rasen und nicht einmal mit der Wimper zucken, wenn sie einen Kinderwagen umfahren. „Treten, rempeln, rennen. Schnell, rotzfrech, rüpelhaft, gewalttätig. So ist es, ein anderes Verhalten gibt es nicht.“

    Weil er niemandem gehören will, beschließt Nicolas also, seine eigene „Paranza“ zu gründen. So werden in Neapel eigentlich Fischerboote genannt, die nachts mit Licht Fische in die Falle locken. So heißen in der süditalienischen Großstadt aber auch Mafia-Untergruppen. Der Originaltitel des Romans lautet daher „La paranza dei bambini“.

    Der Roman hilft, die Denkstrukturen der Mafia zu begreifen

    Es ist nicht nur spannend, Nicolas in die Welt der Mafia zu begleiten, seine Veränderung vom harmlosen Teenager zum kaltblütigen Paranza-Anführer mitzuverfolgen und auch dabei zu sein, wenn es für ihn schmerzhaft wird. Noch interessanter ist es sogar, den Machtkämpfen um Reviere, Geld und Respekt beizuwohnen, sowie die Denkstrukturen der Mafia zu begreifen. Dass Neapel nicht nur in dieser Fiktion ein Problem mit Baby Gangs hat, sondern auch in der Realität, gibt dem Buch eine zusätzliche Wucht.

    Saviano begibt sich in dem Roman nun an die Clan-Basis, um zu zeigen, wie die Mafia tickt, wie Gesetze und Strukturen aussehen. Das wird in der Realität einigen Herren nicht passen. Mit Worten kämpft der Autor nun seit mehr als zehn Jahren gegen die Camorra in seiner Heimatstadt und zahlt dafür einen hohen Preis.

     Seit 2006 „Gomorrha“ erschien, trachtet ihm die Mafia nach dem Leben. Saviano steht unter Polizeischutz, wechselt alle zwei Tage seinen Aufenthaltsort. Er bereut inzwischen, seinen lebensverändernden Bestseller geschrieben zu haben. „Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich es nicht noch mal tun“, sagt er. Saviano bleibt also bis auf Weiteres nur, ein einsames Leben zu führen und immer wieder seine mächtige Waffe abzufeuern. Es ist ihm daher zu wünschen, dass viele seine aufrüttelnden wie spannenden Worte lesen und zu seinen Komplizen im Kampf gegen die Mafia werden.

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