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Buchtipps: "Die Verlockung des Autoritären" von Anne Applebaum: Szenen einer Spaltung

Buchtipps

"Die Verlockung des Autoritären" von Anne Applebaum: Szenen einer Spaltung

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    "Die Verlockung des Autoritären" von Anne Applebaum: Szenen einer Spaltung
    "Die Verlockung des Autoritären" von Anne Applebaum: Szenen einer Spaltung

    Gibt es nicht schon genug Bücher, die das Erstarken der neuen Rechten in seiner internationalen Breite und nationalen Tiefe ergründen? Mag sein.

    Doch dieses hier ist anders. Und nicht einfach nur, weil es von Anne Applebaum stammt, einer stets klugen und unter anderem auch schon mit Pulitzer Prize geehrten Journalistin und Historikerin. Dass auch Barack Obama dieses Buch in seine Liste der Lieblingsbücher aufnahm, hat mit der besonderen Perspektive zu tun. Denn die gebürtige US-Amerikanerin ist ja nicht etwa Parteigenossin. Applebaum lebt in Polen, ist inzwischen Polin, ist mit dem ehemaligen Minister Radoslaw Sikorski verheiratet, einem Konservativen, ist selbst konservativ. Und sie ist mit vielen Konservativen weltweit vernetzt. Wobei da in Teilen heute gilt: Sie war es. Und genau das ist das Problem, das ein großes politisches ist, hier aber im unmittelbar Persönlichen offenkundig wird.

    Das Buch beginnt und endet mit einer Party - aber einige Gäste fehlen

    Und so beginnt dieses Buch, dessen Titel mit „Die Verlockung des Autoritären“ so analytisch abstrakt daherkommt, wie es endet: mit einer Party. Die eine findet 1999 eher improvisiert im Landhaus statt, freudig vereint feiern jüngere und ältere „Konservative und Antikommunisten“ aus Polen, Europa, den USA. Die andere findet 20 Jahre später statt, der Rahmen zeugt vom gestiegenen Wohlstand im Land, die Gäste aber von einer veränderten Lage. Denn einige von damals sind nicht nur einfach nicht wieder da – sie würden mit den nun Versammelten auch kein Wort mehr reden. Sie sind Gegner, zu Feinden geworden.

    Die Spaltung der Konservativen untersucht Applebaum von Polen ausgehend

    Es ist die Spaltung der Konservativen, die Abspaltung jener neuen Rechten, die hier offenkundig wird und die Applebaum dann von Polen ausgehend untersucht: in Ungarn, Spanien, England, Griechenland, Frankreich, den USA … Nicht in Deutschland, es fällt aber voll ins Beschriebene. Denn es geht der Autorin ja eben um keine Systemanalyse, sondern um das Verstehen im Konkreten, sichtbar gemacht an eigenen Begegnungen. Darunter auch Boris Johnson, der vom Rad steigt, als er sie auf der Straße sieht und in den nächsten Pub einlädt – war ja doch mal Schulfreund ihres in der Abgrenzung nach rechts auch nicht immer ganz sattelfesten Ehemanns.

    Autoritarismus - das Verlangen des Drittels der Bevölkerung, das keine Komplexität aushält

    Aber Autoritarismus? Das ist für Applebaum nach der Verhaltensökonomin Karen Stenner schlicht das Verlangen des Drittels „der Bevölkerung jedes beliebigen Landes“, das keine Komplexität aushält, lieber Homogenität will. Was links wie rechts sein kann. Aber die Nutznießer unserer Zeit – für Applebaum genährt durch gedankenpolizeiliches Auftreten von links – sind eben die Rechten, die mindestens in immer größerer Stärke in Parlamenten sitzen, wenn nicht in der Regierung. Und sich nach langer Zeit nun auch wieder international vernetzen.

    Ihre Mechanismen: „mittelgroße Lügen“, Verächtlichmachung von „Eliten“, zu denen sie nicht selten eben noch zählten, von Liberalität; das Säen von Chaos, das systematische Herunterreden des Ist-Zustandes; das Übertreiben von Gefahren und das Ausspielen von Opferrollen … Und der sich eben vielerorts überraschend schnell einstellende Erfolg – auch befördert durch die neuen Mittel im Internet – hat den Kurs bestätigt und treibt den Parteien die letzte Liberalität aus. Siehe eben auch AfD.

    "Gemeinsam können wir Lügner und Lügen bekämpfen"

    Ob ein griechischer Gesprächspartner Applebaums recht hat, wenn er resignierend meint, eine plurale Gesellschaft sei bei der Veranlagung des Menschen immer nur eine zeitlich begrenzte Ausnahmeerscheinung? Die Autorin selbst – und damit ist sie eben sicher auch bei Obama – plädiert dagegen: „Da alle Autoritarismen spalten, polarisieren und Menschen in verfeindete Lager treiben, müssen wir im Kampf gegen sie neue Bündnisse eingehen; gemeinsam können wir Lügen und Lügner bekämpfen, und gemeinsam können wir darüber nachdenken, wie Demokratie im digitalen Zeitalter aussehen kann.“ Wobei, optimistisch klingt sie auch nicht gerade: „Wie Flüchtlinge, die sich auf dunklen Wegen zu einem fernen Ziel durchkämpfen, müssen wir durch die Nacht finden, ohne zu wissen, ob wir jemals ankommen werden.“

    Anne Applebaum: Die Verlockung des Autoritären. A.d. Engl. von Jürgen Neubauer. Siedler, 208 Seiten, 22 Euro. Zur Leseprobe.

    Mehr Buchtipps finden Sie hier: Empfehlungen unserer Redaktion - zehn Bücher für das Frühjahr.

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