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212 Stunden – das Games of Thrones-Epos neu auf CD

Interview

Stefan Kaminski hat „Game of Thrones“ als Hörbuch eingesprochen. Wie kämpft man sich da durch?

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    „Ich bin einer, der sich gerne einlässt“. In diesem Fall auf ein Mammutprojekt: Stefan Kaminski hat das Game of Thrones-Epos eingesprochen.
    „Ich bin einer, der sich gerne einlässt“. In diesem Fall auf ein Mammutprojekt: Stefan Kaminski hat das Game of Thrones-Epos eingesprochen. Foto: Anita Back

    Sind Sie ein Game of Thrones Fan, Herr Kaminski? 
    STEFAN KAMINSKI: Ich bin begeistert von dem Stoff von George R.R. Martin. Ich bin einer, der sich gerne einlässt. Auf Geschichten, die tief sind. Mit Figuren, die scharf gezeichnet sind und mit überraschenden Entwicklungen. Wo die Sprache schön ist. Davon bin ich Fan. Als typischer Game-of-Thrones Fan sehe ich mich nicht. Aber „Das Lied von Eis und Feuer“ hat mich gefesselt. Ich konnte mich darin mit all meinen Qualitäten ausleben. Das war ein Hochgenuss, über den ich sehr, sehr glücklich bin.

    Wie haben Sie sich denn dem gewaltigen Stoff genähert? Durch Lektüre, die Filme, die Drehorte? 
    KAMINSKI: Die Game-of-Thrones-Serie hatte ich tatsächlich noch nicht gesehen. Ich habe mich Band für Band vorgearbeitet. Es ist natürlich wertvoll, wenn man als Transporteur einer Geschichte weiß, wohin sich Figuren entwickeln. Deswegen war es total gut, dass es diese opulent und auch sehr gut umgesetzte Serie dazu gab. Die habe ich von vorne bis hinten durchgeguckt. Auch in den Bereich hinein, wo es dann nicht das Ende von George R.R. Martin war, sondern das der Produzenten, die da ganz schnell zum Schluss kommen wollten. Das alles habe ich mir reingezogen, und ich habe auch festgestellt, dass die Figuren sehr gut und sehr genau gezeichnet waren. Ich habe mir das im Originalton angesehen und war begeistert. Aber auch erschrocken von vielen Dingen. Wie da Tabu über Tabu gesprengt wurde, Sachen vollkommen brutal dargestellt waren, wie Kinder und Frauen behandelt wurden. Und ich habe festgestellt beim Lesen, was ich ja parallel dazu getan habe, dass George R.R. Martin sehr viel mehr Abstufungen hat, dass da sehr viel Feinsinn und auch Hintergrund für die Figuren zum Tragen kommt, der in der Serie so gar nicht transportiert wird. Die Serie hat mich also unterstützt, aber das Feeling habe ich durch das Buch bekommen. Ich habe allergrößten Respekt für den Autor.

    Das ganze Epos allein einzusprechen ist ja eine wahnsinnige Herausforderung. War Ihnen das von Anfang an klar?
    KAMINSKI: Ja, auf jeden Fall. Ich wusste, dass die Geschichte Millionen Menschen in den Bann gezogen hat – allein schon durch die Serie. Es gibt ja wahnsinnig viele Dinge im Internet, die man dazu finden kann, vom Blog bis hin zu ganzen Anthologien oder Stammbäumen. Es ist eine eigene Geschichte, eine eigene Landschaft, ein eigener Planet. So wie beim Herrn der Ringe. Für mich war es ein Riesengeschenk, diese grandiose Geschichte wie ein Pop-up-Hörbuch entfalten zu dürfen. 

    Kann man sich auf diese Mammut-Aufgabe überhaupt vorbereiten? Mit 20 Jahren Hörbuch-Erfahrung sind Sie natürlich ein geübter Sprecher.
    KAMINSKI: Das ist wie bei einem Sänger oder einem Organisten, einem Rockmusiker. Die wissen, was in ihnen steckt, lassen sich aber auch überraschen. So mache ich es auch. Aber ich brauche natürlich das Wissen um die Geschichte. Ich will wissen, wann wer spricht, und das schreibe ich mir alles ein, meine ganzen Betonungen, die Hebungen und die Senkungen. Das entsteht im Flow. Ich lese den Text durch, mache meine Anmerkungen. Dann gehe ich ins Studio und lasse mich sozusagen von mir selbst und meinen Vibrationen überraschen. Erst dort gehe ich in die Figuren.   

    Aber wie entwickeln Sie die unterschiedlichen Stimmen? Wie macht man das, dass man sowohl einen kleinen Jungen sprechen kann, eine junge Frau, einen alten Mann bis zum Rabenkrächzen? Wie bekommt man das hin?
    KAMINSKI: Das ist so etwas wie eine Spezialität von mir. Es gibt verschiedene Menschen, die so was können. Für mich ist das eine ganz kindliche Herangehensweise. Ich spiele gern. Ich denke mir gern was aus. Ich habe ganz viele Informationen aus dem Text. Von einem sehr gut beschreibenden George R.R.Martin, der bei vielen detailreich die stimmlichen oder körperlichen Besonderheiten beschreibt. Und wenn ich mir vorstelle, da ist jemand zahnlos oder hat ein Holzgebiss (klingt als hätte er ein Holzgebiss). Das ist natürlich ein super Hinweis. Ich orientiere mich in meinem Leben, beobachte sehr viel, nehme ganz viel auf. Und das baue ich dann ein. Dabei nehme ich jeden Satz, jedes Wort und jeden Atemzug so ernst, wie es die Figuren verdienen. Das ist einfach eine Klaviatur, die ich bediene. Ich habe schon als Kind Hörspiele aufgenommen und Geschichten in verschiedenen Rollen erzählt. Das kann ich. Ich bin ich sozusagen viele, ohne wahnsinnig zu sein. 

    Sie haben 100 Tage im Studio verbracht. Das sind mehr als drei Monate. Wie kommt man da wieder raus aus dieser Fantasiewelt?
    KAMINSKI: Für mich war das ein Zeitraum von Februar bis November, weil wir das natürlich nicht am Stück machten, sondern jeden Monat ein bis zwei Bände, ausgenommen in den Sommerferien. In der Zeit begab ich mich in die Fantasiewelt, verschwand für vier Stunden lesend unter dieser Glocke und war danach fix und fertig. Dann ging ich nach Hause und bereitete noch ein bisschen fürs nächste Buch vor oder befasste mich mit ganz eigenen Sachen, traf Freunde, aß mit der Familie. Das ist überhaupt kein Problem. Das Lesen ist ein Arbeitsprozess. Und aus dem geht man dann einfach, wie wenn man von der Arbeit kommt, wieder raus. 

    Das Hörbuch ist aber nicht nur eine Herausforderung für die Macher, sondern auch für die Hörenden mit 212 Stunden Laufzeit. Man müsste also knapp neun Tage Tag und Nacht hören. Wie geht man damit um? Wie viele Stunden kann muss man dranbleiben, um nicht den Faden zu verlieren? 
    KAMINSKI: Also wenn man ein begeisterter Hörer ist von Fantasy oder von Hörbüchern überhaupt, kriegt man das schon hin. Man kann für sich im Auto hören, beim Einschlafen, gemütlich am Nachmittag oder am späten Abend. Und man verliert ja nicht gleich den Faden. Das ist wie bei einer Serie. Da hat jeder sein Tempo. Das Ganze ist schlicht und ergreifend eine breite Geschichte, die sich, wenn man hineinwächst, aufklappt wie ein unglaublicher Kosmos an Figuren. 

    Es gibt die Bücher und den Film, der das Ganze zu einem internationalen Phänomen gemacht hat. Was kann das Hörbuch denn zu diesem Hype noch beitragen? 
    KAMINSKI: Also um den Hype geht es mir null. Mir geht es um das Erzählen einer Geschichte. Darum, lesende Landschaft zu sein auf eine Weise, die irgendwo zwischen Buch und Film liegt. Ich bin Schauspieler, und ich will natürlich mit meiner Art zu lesen die Menschen erreichen. Hier habe ich die Chance, mit meiner Spezialität der Vielfarbigkeit und mit der emotionalen Einlassung diese Geschichte noch auf eine andere Weise zu erzählen. Das ist mein Anspruch. 

    Auch Podcasts boomen derzeit dank Streaming. Hören scheint wieder en vogue. Könnte Hören das Lesen ablösen. 
    KAMINSKI: Ich glaube, alles hat weiterhin seinen Platz. So wie hoffentlich auch die KI nicht die natürliche Intelligenz ablöst, die NI. Ich möchte gerne ein Votum abgeben für die natürliche Intelligenz, dass Menschen sich beschäftigen, dass sie reflektieren, dass sie lesen, dass sie hören, dass sie schauen und dass sie miteinander ins Gespräch kommen. Ich denke, ein gutes Buch wird nicht vom Markt verschwinden, auch nicht ein gutes Hörbuch. Sicherlich wird es eher Streaming sein. Aber wenn uns mal der Saft ausgeht und die Masten schweigen, wird jeder froh sein, dass er noch ein gutes Buch oder Hörbuch im Schrank hat. Denn da entfaltet sich eine Welt, an der man selbst beteiligt ist, Kino im Kopf.

    Schon vor Jahren gab es mal einen großen Trend hin zum Hörbuch. Da schossen die Hörbuchverlage geradezu aus dem Boden und alle wollten mitmachen. Man war überzeugt, dass gedruckte Bücher nicht mehr so gefragt seien und Hörbücher die nächste große Sache. Wiederholt sich da etwas? 
    KAMINSKI: Nein, das glaube ich nicht. Es gibt so viel auf dem Markt, Filme, Bücher, Hörbücher und jetzt noch diese Geschichte. Dann gibt es womöglich bald eine Schwemme von KI geschriebenen oder gesprochenen Texten, Retortenzeug. Da besteht die Gefahr, dass wir uns alles abnehmen lassen von einer sich selbst weiterentwickelnden KI. Damit würden all die Science-Fiction-Filme Wirklichkeit werden. Aber noch können wir selbst agieren. Ich habe mir neulich einen Block gekauft und einen schönen Stift. Ich will wieder Sachen aufschreiben. Ich habe mir wieder Schallplatten geholt und Geld für einen Plattenspieler ausgegeben. Und als ich zwei Wochen krank war, habe ich wieder Murakami gelesen. So etwas inspiriert mich. Ich glaube, das muss man auch der jüngeren Generation vermitteln. Ich lese viele Kinderbücher ein für Vier- oder Fünfjährige. Ich mache diesen Job ja auch, weil ich mich als Kind einmal von Geschichten habe begeistern lassen, die mir liebevoll vorgetragen wurden. Das wollte ich selber machen, deshalb bin ich kreativ geworden.

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