Der Spezialist für deutsch-französische Fragen Alfred Grosser ist tot. Der Politologe und Publizist starb im Alter von 99 Jahren in Paris, wie sein Sohn Pierre Grosser mitteilte. Alfred Grosser war einer der intellektuellen Wegbereiter des als Élysée-Vertrag bekannten deutsch-französischen Freundschaftsvertrags.
Grosser hat zahlreiche Bücher geschrieben, in denen er den Deutschen half, die Franzosen zu verstehen - und umgekehrt den Franzosen die Deutschen erklärte. Für seine Rolle als Vermittler wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband sowie dem französischen Großkreuz der Ehrenlegion.
Reaktionen von Steinmeier und Scholz
"Der Name Alfred Grosser bleibt für uns Deutsche für immer verbunden mit dem großen Werk der deutsch-französischen Aussöhnung - nach den Epochen der Feindschaft und der großen Kriege", hieß es in einem Kondolenzschreiben von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
"Wohl kaum jemand hat in den vergangenen Jahrzehnten so kenntnisreich, so leidenschaftlich und so überzeugend für das gegenseitige Verständnis zwischen Frankreich und Deutschland gewirkt wie Alfred Grosser." Für sein "Lebenswerk der kritisch-aufrichtigen Verständigung zwischen den Völkern habe sich Grosser "auf seinen scharfen Verstand, seine immense Bildung und schließlich seine große Lebenserfahrung" stützen können, schrieb Steinmeier.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf der Plattform X (vormals Twitter): "Alfred Grosser, geboren in Frankfurt am Main, floh vor den Nationalsozialisten nach Frankreich und wurde Wegbereiter und scharfsinniger Beobachter der deutsch-französischen Versöhnung und Freundschaft. Seine Stimme wird uns fehlen."
Wegbereiter des Élysée-Vertrags
Grosser kam am 1. Februar 1925 in Frankfurt zur Welt. Im Jahr 1933 emigrierte er mit seiner Familie jüdischer Herkunft nach Frankreich, vier Jahre später nahm er die französische Staatsangehörigkeit an. Später konvertierte er zum Katholizismus.
Der deutsch-französische Publizist studierte in Paris Politikwissenschaft und Germanistik. Ab 1955 lehrte er am renommierten Institut d’études politiques de Paris und schrieb für zahlreiche Zeitungen politische Kolumnen. Zu seinem Verhältnis zu Deutschland und Frankreich hat er einmal gesagt: In Frankreich gehöre er dazu, Deutschland begleite er von außen.
Grosser war ein scharfer Beobachter. Mit seiner Kritik hat er nie hinter dem Berg gehalten. Das deutsch-französische Verhältnis sei keine Liebesbeziehung, sagte er einmal in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur in Paris. Und fügte hinzu: Als Frankreichs Präsident Charles de Gaulle 1963 den Élysée-Vertrag unterschrieb, sei es ihm nicht in erster Linie um Annäherung gegangen, sondern darum, Deutschland mit dem Vertrag aus dem Machtbereich der USA herauszuholen.
(dpa)