Literatur ist für Salman Rushdie das Gegengift zu Fanatismus. "Literatur zeigt die Welt als einen reichen und komplexen Ort, was das Gegenteil einer engen, rigiden Weltsicht ist", sagte der 76-Jährige kurz vor der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels. "Literatur zeigt uns eine Welt der Offenheit und Unterschiedlichkeit und damit der Toleranz." Dafür kämpft der indisch-britische Autor - unter Einsatz seines Lebens.
Geboren wurde Rushdie im Jahr der indischen Unabhängigkeit 1947 in Mumbai als Sohn eines Geschäftsmanns. Über seine Kindheit in Indien sagte er einmal, sie habe ihn beschenkt mit "wundervollen Geschichten aller Art". Mit 14 Jahren wurde er auf einem englischen Eliteinternat zum Grenzgänger zwischen den Kulturen: In Rugby machte er die schmerzhafte Erfahrung, "nicht nach meinem Charakter, meiner Person beurteilt zu werden, sondern nach meiner Herkunft".
Seinen Durchbruch hatte er mit dem Buch "Die Mitternachtskinder", das 1981 mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet wurde und später zum besten Booker-Prize-Gewinner aller Zeiten gewählt wurde. Rushdie erzählt darin von der Loslösung Indiens von Großbritannien anhand der Lebensgeschichte von Kindern, die exakt in der Stunde der Unabhängigkeit geboren wurden und übernatürliche Fähigkeiten haben.
Der Roman "Die satanischen Verse" versetzt auf kunstvolle Weise Figuren aus dem Koran in die Gegenwart, was radikale Muslime als Blasphemie empfanden. Irans Revolutionsführer Ajatollah Chomeini rief zur Tötung Rushdies auf und setzte ein Kopfgeld auf ihn aus. Die Fatwa richtete sich auch gegen alle an der Verbreitung des Buches Beteiligten. Ein japanischer Übersetzer wurde getötet. Rushdie musste untertauchen, erhielt Polizeischutz.
Er verarbeitete diese quälenden Jahre 2012 in seiner Autobiografie "Joseph Anton" - benannt nach seinem Decknamen in jener Zeit. Rushdie zog nach New York und beschloss, dass er sich nicht mehr verstecken will. Er sei nicht mehr eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit und brauche auch keine Bodyguards mehr, sagte er mehrfach in Interviews.
Dann aber holte ihn die Fatwa doch noch ein: 2022 wurde er während eines Vortrags in den USA mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. "Es war eine knappe Sache, ich bin froh, immer noch hier zu sein", sagte Rushdie am Freitag in Frankfurt. Er verdanke sein Überleben den Ärzten, die ihn achteinhalb Stunden lang operierten. Der Autor ist seither auf einem Auge blind.
Rushdies Stil wird als magischer Realismus bezeichnet, in dem sich realistische mit fantastischen Ereignissen verweben. Dennoch sieht er sich unbedingt der Wahrheit verpflichtet - und dem freien Wort. Rushdie veröffentlichte mehr als zwei Dutzend Romane, Sachbücher und andere Schriften. Im Jahr 2007 wurde er von der Queen zum Ritter geschlagen. Nun folgt der Friedenspreis des deutschen Buchhandels.
(dpa)