Wie ehrenvoll ist es für einen Künstler, zu einer Einzelausstellung seiner Werke ins New Yorker Guggenheim-Museum gebeten zu werden! Und wie peinlich ist es, kurz vor Eröffnung wieder ausgeladen zu werden! Fragt sich nur: peinlich für wen? Für den Künstler oder das Museum? Eben dies, die Absage einer geplanten Guggenheim-Ausstellung, ist dem deutschen Künstler Hans Haacke 1971 widerfahren. Was nur hatte der 1936 in Köln Geborene spätere documenta- und Biennale-Venedig-Teilnehmer verbrochen? Die Frankfurter Ausstellungshalle Schirn rekapituliert es jetzt in einer so bedeutsamen wie gehaltvollen Retrospektive zu diesem (sozial-)politisch agierenden Künstler.
Das New Yorker Guggenheim-Museum sagte eine Ausstellung von Hans Hacke kurzfristig ab
Haacke hatte Grundbücher durchforstet, um die Geschäfte der New Yorker Shapolsky-Immobiliengruppe mit ihren rund 70 Gesellschaften offenzulegen, die Häuser in Elendsquartieren steuersparend untereinander verkauften und mit Hypotheken belasteten, letztlich auch Eigentum verschleierten. Haacke listete 142 Grundstücke auf, fotografierte die Häuser und wollte die Dokumentation im Guggenheim-Museum zeigen. Doch dessen damaliger Direktor erklärte, dass er einen „Fremdkörper“ im Organismus seines Museums habe abwehren müssen – und blies die Schau sechs Wochen vor Eröffnung ab.
Es blieb nicht die einzige Absage für Haacke, der auch durch die Mittel des investigativen Journalismus zu den Vätern politischer Konzeptkunst zählt. Gleichzeitig gelang es ihm, seine Projekte künstlerisch, ja ästhetisch darzustellen, wie in deutlichster Ausprägung sein sarkastisch goldgerahmtes „Altar“-Ölporträt von Ronald Reagan belegt – 1982 im Zusammenhang mit der Pershing-Atomwaffen-Stationierung in Deutschland säuberlich per Pinsel gemalt.
1974 wiederum wurde Haacke bei einer Gruppen-Ausstellung des Kölner Wallraff-Richartz-Museums ausgeladen. Diesmal hatte er es gewagt vorzuschlagen, ein berühmtes Bild des Instituts – Manets Spargelstillleben von 1880 – auf einer Staffelei zu zeigen und es mit der Darstellung jener Personen zu umgeben, die das Bild einmal erworben hatten. Darunter sollte sich auch Hermann J. Abs, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank befinden, der eine federführende Rolle beim Ankauf des Bildes für das Richartz-Museum gespielt hatte, aber öffentlich in starker Kritik stand nicht nur wegen seiner 19 Vorstandsposten, sondern vor allem auch wegen seiner Rolle, die er im deutschen Nationalsozialismus gespielt hatte. Dass er nun samt seiner Vorstandsposten porträtiert werden sollte, war für den damaligen Direktor untragbar: Ausladung.
Haackes „Pralinenmeister“ erregte Anstoß in Köln
Und noch ein drittes Mal durfte Haacke plötzlich nicht mehr zeigen, was er zu zeigen gedachte: 1981 konzipierte er unter dem Titel „Der Pralinenmeister“ eine Arbeit, die die Eigeninteressen und Kunstmarkt-Verflechtungen des deutschen Schokoladenproduzenten, Kunstsammlers und Mäzens Peter Ludwig beleuchtete. Die Kölner „Westkunst“-Ausstellung lehnte die Präsentation kurzfristig ab.
Wie verlief Haackes Weg zu derlei Themen? Auch dies wird in Frankfurt plastisch dargelegt. Nach seinem Studium an der Staatlichen Werkakademie von Kassel stand er zunächst den Künstlern der ZERO-Gruppe und der Minimal Art nahe, interessierte sich daneben aber auch für biologische, physikalische, ökologische Kreisläufe und Systeme, wie dann etwa Arbeiten zu einem Ameisenstaat, einem Kondensationswürfel und einer Rheinwasseraufbereitungsanlage dokumentieren. Von der Darstellung dieser Systeme war es nur noch ein kleiner Schritt zur Darstellung gesellschaftlicher Strategien und Methoden. Haacke wurde mit seiner endgültigen Übersiedelung nach New York Mitte der 60er Jahre zum wegbereitenden Polit-Künstler.
1993 gewann Hans Hacke den Goldenen Löwen der Biennale in Venedig
Für Deutschland arbeitete er freilich weiter. 1987 prangerte er auf der documenta die Konzerninteressen von Deutscher Bank und Mercedes Benz im politisch sanktionierten Rassentrennungsstaat Südafrika an; 1993 erinnerte er im deutschen Pavillon der Biennale Venedig anhand eines beeindruckenden (und mit dem Goldenen Löwen ausgezeichneten) Trümmerfelds an die Geschichte des Baus im Nationalsozialismus.
Und 2000 startete dann seine wohl bekannteste deutsche Aktion, die Installation DER BEVÖLKERUNG. Für einen Holztrog, aufgestellt in einem Lichthof des Berliner Reichstags, waren alle Bundestagsabgeordnete aufgefordert, aus ihrem Wahlkreis einen Zentner Erde mitzubringen. Bei jeder Änderung der Parlamentsbesetzung ist der Prozess durch Wegnahme und Zuführung von Erde zu erneuern. Demnächst wieder…
Hans Haacke: Retrospektive; Schirn Frankfurt, Laufzeit bis 9. Februar
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