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Eröffnung des Elektra Tonquartiers: Neuer Konzertsaal in München

Interview

Bekommt München im Bergson Kunstkraftwerk eine neue Wunderschachtel für die Musik?

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    Das Elektra Tonquartier im Bergson Kunstkraftwerk in München bietet Platz für 500 Menschen.
    Das Elektra Tonquartier im Bergson Kunstkraftwerk in München bietet Platz für 500 Menschen. Foto: Georg Stirnweiss

    Herr Blome, das neue Elektra Tonquartier im Bergson-Kunstquartier, ist die eierlegende Wollmilchsau unter den Konzertsälen. Vom Streichquartett bis zu Heavy Metal, vom Sologesang bis zu Techno ist alles möglich. Wie funktioniert das?
    MARCUS BLOME: Wir haben viele Säle geplant, in denen das Programm mit der Zeit immer vielseitiger wurde, doch das Elektra Tonquartier mit seinen 500 Plätzen ist der erste Saal, der von vorneherein mit dem Fokus auf eine möglichst große Bandbreite gebaut wurde. Das ist nicht unerheblich.

    Weshalb?
    BLOME: In vielen Sälen baut man ein elektronisches Akustik-System ein, weil der natürliche Raumklang nicht den Erwartungen oder Wünschen entspricht. Dann gilt es, zu „reparieren“ oder das Spektrum zu erweitern. Im Bergson wurde das System von Anfang an in jede Planung einbezogen und die natürliche Akustik entsprechend ausgerichtet. Beides muss hervorragend sein.

    Aus einem akustisch schlechten Raum könnte man also keinen Spitzensaal wie die Carnegie Hall zaubern?
    BLOME: Nein. Das ist aber auch nicht gewollt. Die Mikrofone, die auf den Oberflächen sitzen, nehmen den echten Schall im Saal auf. Dazu kommt die natürliche Reflexion. Letztlich hängt die Qualität des elektronisch erzeugten Raumklangs ein gutes Stück weit von der Ausgangsqualität der natürlichen Akustik ab. Wir versuchen auch nicht, den Klangcharakter eines Raumes zu verdrehen.

    Am Anfang steht also nach wie vor eine gute Architektur?
    BLOME: Ja, ganz gleich, ob man nun eine lange oder kurze Nachhallzeit haben möchte. Selbst wenn man sagt, ich wähle die kurze und setze die Elektronik drauf, sollte die natürliche Akustik so gut wie möglich sein. Genau das ist im Bergson der Fall.

    Wie variiert man den Klang?
    BLOME: Was die Mikrofone im Raum aufgenommen haben, wird in einem Prozessor verarbeitet und im Fall des Bergson über 80 Lautsprecher wieder eingespielt. Die Veränderung der Nachhallzeit ist sicher am auffälligsten. Wenn ein Kammerchor singt, könnte man den Nachhall wie in einer Kirche steigern. Das funktioniert beeindruckend gut. Man kann aber auch Stärke oder Klarheit variieren, also all die Parameter, die die Tonqualität ausmachen.

    Auch die Transparenz?
    BLOME: Im Prinzip schon. Man mikrofoniert dafür aber nicht jedes einzelne Instrument, wie man das bei einer Aufnahme machen würde, sondern verändert die Raumakustik. Durch die Einstellung der Algorithmen bzw. der Elektronik können zeitliche und räumliche Strukturen der Schallreflexion dahingehend variiert werden, dass die Akustik des Saales eine höhere Transparenz und Durchhörbarkeit erhält. Das ist vergleichbar mit einer baulichen Veränderung der Raumgeometrie. Nur eben elektronisch und per Knopfdruck.

    Nimmt ein geübter Hörer den Unterschied von natürlicher und elektronischer Akustik wahr?
    BLOME: Das kommt auf die Intensität an. Wenn man im Elektra Tonquartier bei einem Streichquartett die Nachhallzeit von einer auf 1,6 Sekunden erhöht – das wäre bei dieser Raumgröße und für Kammermusik ideal –, dann nimmt man das nicht wahr. Im Bergson hat man allerdings nie versucht, die Technik zu verstecken. Man sieht alle 80 Lautsprecher.

    Das hat man früher vermieden.
    BLOME: Es muss auch zum Stil der Architektur passen. Aber vor zwanzig Jahren waren diese Systeme noch nicht so gut, und bei den Musikern wie beim Publikum hat die Akzeptanz gefehlt. Jetzt ist die Qualität da, und wir beobachten ein steigendes Bedürfnis, in Veranstaltungssälen ein sehr breit gefächertes Programm möglich zu machen. Anders ist das wirtschaftlich auch nicht mehr zu betreiben. Da sind elektronische Systeme vergleichsweise preiswert.

    In welcher Größenordnung bewegt sich das?
    BLOME: Im Normalfall weniger als 500.000 Euro. Bezogen auf die Bausumme ist das wenig Geld. Kleinere Städte und Gemeinden können ja keine fünf Säle hinstellen. Wenn für die Grundschule eine Turnhalle mit Mehrzweckcharakter gebaut wird, sollten dort genauso Blasmusikkonzerte und Theateraufführungen möglich sein. Oder ein Vortrag. Natürlich kann man aus einer Turnhalle keinen Wiener Musikverein machen, aber eine passable Akustik für Konzerte ist durchaus herzustellen.

    Bemerken Sie, dass sich der Geschmack durch die stärker gewordene Nutzung von Kopfhörern mit tollem Rundumsound verändert hat?
    BLOME: Wir haben zuweilen schon den Eindruck, dass es bei einem jüngeren Publikum vom Durchhörbaren oder einem natürlichen Raumklang eher in Richtung CD-Aufnahmen geht. Das klassische Konzertpublikum betrifft das kaum. Das ist sicher eine Frage der Philosophie. Die einen wollen die Transparenz und jede Phrasierung hören, die anderen bevorzugen es, von Bruckner eingehüllt zu werden.

    Die Elbphilharmonie in Hamburg ist für viele suboptimal. Wie sicher kann man heute eine gute Akustik planen?
    BLOME: Ich kann mit der Klangästhetik der Elbphilharmonie sehr wohl etwas anfangen und habe bislang überall, wo ich saß, gut gehört. Mir sagt allerdings auch ein transparenter Orchesterklang zu. Ich glaube nicht, dass da etwas schief gegangen ist. Die Akustik des Saals entspricht sicher dem, was sich Yasuhisa Toyota vorgestellt hat. Seine anderen Säle klingen auch so. Mag sein, dass sich der allgemeine Geschmack gerade wieder etwas ändert, aber das spricht ja nicht gegen die Elbphilharmonie. Als Akustiker muss man eine klare Vorstellung davon haben, was man bauen will und wie das klingen soll. Erfahrung spielt ebenso eine große Rolle, und mit den technischen Hilfsmitteln – computerbasierten Simulationen zum Beispiel – kann man auf jeden Fall ausschließen, dass etwas richtig schief geht.

    Akustikexperte Marcus Blome (rechts) sitzt gemeinsam mit seinen Kollegen Josy Friebel (links) und Eckard Mommertz im neuen Elektra Tonquartier. Der Saal ist Teil des Bergson Kunstkraftwerks in München.
    Akustikexperte Marcus Blome (rechts) sitzt gemeinsam mit seinen Kollegen Josy Friebel (links) und Eckard Mommertz im neuen Elektra Tonquartier. Der Saal ist Teil des Bergson Kunstkraftwerks in München. Foto: Georg Stirnweiss

    Zur Person

    Der Akustiker und Musiker Marcus Blome aus Ibbenbüren hat an der Musikhochschule Detmold studiert und u. a. als Tonmeister für die Deutsche Grammophon gearbeitet. Seit 2008 ist er in der Firmengruppe Müller-BBM in Planegg für den Bereich Raumakustik in Kulturbauten tätig. Am Mittwoch, 9. Oktober, wird der von ihm geplante neue Konzertsaal im Bergson Kunstkraftwerk in München eröffnet: Um 18.30 Uhr startet der Eröffnungsabend im Elektra Tonquartier.

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