Da spiel ein Tenor den Macho auf der Bühne: „Gern‘ hab ich die Frau‘n geküsst, hab nie gefragt, ob es gestattet ist“, singt er – und bald schwelgt die Sopranistin an seiner Seite: „Hab‘ nicht gewusst, was Herzleid ist! Warum hast du mich wachgeküsst?“ Pardon, aber ist das nicht ein bisschen ... gestrig? Es gab eine Zeit, da galt die Operette als vergessenswerte Gattung, als zu lieblich, zu altbacken, ein Fossil aus dem 19. Jahrhundert. Aber: Die Operette erlebt heute ihre Wiederentdeckung auf den Bühnen. Was hat die kleine Schwester der Oper zu bieten? Mehr als Schmäh, Show und hochtoupierte Gefühle? Starsopranistin Diana Damrau hat jetzt in Bad Wörishofen, beim „Festival der Nationen“, einen Operettenabend gestaltet. Ihr gelingt damit ein hingebungsvolles Plädoyer für diese Musik. Die Augsburger Philharmoniker begleiten sie, Ernst Theis dirigiert, und ein Tenor, der kurzfristig einspringt, gewinnt das Publikum für sich.
Diana Damrau widmet sich mit Leidenschaft der Operette
Singt sie Operette, wird der Saal zu ihrer Manege: Diana Damrau beherrscht die Zirkustricks der Gattung, und das Publikum in Bad Wörishofen genießt es. Wirbeln, zwinkern, schmollen, flirten, ganz große Pantomime in wallenden Kleidern. Operette? Steht ihr gut. Das hat Damrau, Sopranistin von Weltrang aus dem schwäbischen Günzburg, zuletzt als Rosalinde in der „Fledermaus“ an der Bayerischen Staatsoper bewiesen. Aber zündet diese Magie auch ohne Kulisse und Inszenierung? An diesem Abend geht das Konzept auf – und nicht nur, weil Damrau Spaß am Spiel hat. Die Stärke ihrer Stimme spielt sie am schönsten in leisen Tönen aus, in manchen Momenten fast gehaucht vor Seligkeit, aber nie bröckelnd – dafür lassen die Augsburger Philharmoniker ihr elegant den Raum („J‘ai deux amants“ aus André Messagers „L‘amour masqué“). Aber dann packt sie das Publikum auch mit höchsten Tönen, die sie in die Atmosphäre feuert (“Mein Liebeslied muss ein Walzer sein“ aus dem „Weißen Rössl“) .
Mehr als nur ein Ersatz an Damraus Seite: Tenor Thomas Blondelle. Er ist für den Sänger Nikolai Schukoff eingesprungen. Der Belgier Blondelle ist im Schwergewichts-Register des Musiktheaters (Wagner-Partien in „Rheingold“ oder auch „Tannhäuser“) ebenso zu Hause wie in der vermeintlich fluffig-leichten Operette. Jedes Wort rollt ihm klar verständlich über die Lippen, und das in einem Heldenton, der Glanz ausstrahlt, ohne die Saalakustik zu zerschmettern. Dazu spielt er seine Rollen mit Lust an der Attitüde: „Da geh ich ins Maxim“, schäkert er als Dandy Danilo aus Léhars „Lustiger Witwe“. Zu Franz Grothes „Hundert volle Gläser“ gibt er den angeschwippsten Lebemann.
Die Augsburger Philharmoniker konzertieren beim Festival der Nationen
Den vollen Operetten-Charme brettern Damrau und Blondelle auf die Bühne, wenn sie einander im Duett anschmachten. Sie singen „Tanzen möcht ich“ aus der „Csardasfürstin“, ihre Stimmen schmiegen sich aneinander, ohne sich wechselseitig die Show zu rauben. Und im Turtel-Lied „Ein kleiner Flirt“, arrangiert von Erich Wolfgang Korngold, klingt die alte Gattung frisch entstaubt.
Das Konzert bietet ein angenehmes Hin-und-Her von viel und selten gehörten Stücken. Auch Zwischenspiele des Orchesters verschaffen Abwechslung: Der Ritt über die Landkarte führt vom „Indianer-Galopp“ von Johann Strauß Vater zum „Egyptischen Marsch“ seines Sohnes. In solchen Stücken steckt natürlich viel Karl May, viel klischeebeladenes Fernweh. Fein klingt die Musik trotzdem: Das Schlagwerk findet auf engem Bühnenraum die Bandbreite von Piano bis Fortissimo. Schon ab Strauß‘ „Fledermaus“-Ouvertüre überzeugen die Holzbläser in lyrischen Passagen, neben Streichern, die sich auf Zack präsentieren. Die Philharmoniker bieten eine wache Leistung und diese Energie beschleunigt den Abend. Noch einmal zu zweit im Walzer-Takt gekreiselt, das Kleid übers Parkett gewirbelt, drei schmelzende Zugaben. Operette? Entzückt. Starker Applaus und seliges Lächeln im Publikum.
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