Invasive Arten, Dürre, Starkregen: Der Klimawandel bedroht auch kulturelle Güter. Mit dem Erhalt von Denkmälern, historische Gärten, Archiven, Museen und Co. haben sich in Kassel rund 100 Experten aus Wissenschaft und Praxis bei einer zweitägigen Fachtagung beschäftigt. «Das kulturelle Erbe steht vor großen Herausforderungen», sagte Hessens Kunst- und Kulturminister Timon Gremmels (SPD) am Rande der Veranstaltung.
Bilder, Bücher und Gebäude müssten klimaresilient gemacht werden, erläuterte er. So müssten etwa Bestände vor Überschwemmungen durch Starkregen geschützt werden. Die Ausstellungswelt müsse neu gedacht werden. In der Grimmwelt in Kassel etwa seien die Vitrinen mit besonders wertvollen Exponaten mit Feuchtigkeitsmessern ausgestattet. Die Pflanzung in historischen Parks und Gärten müsse geändert werden, ohne dabei den historischen Kern zu verändern.
Fahrplan gefordert
Seit Russland im Februar 2022 die Ukraine angegriffen habe, müsse zudem auch der Schutz des Kulturerbes bei Bedrohungslagen in bewaffneten Konflikten bedacht werden. «Es ist es höchste Zeit, einen Fahrplan auf den Weg zu bringen», sagte Gremmels. Es gelte Notfälle, die sich zu echten Katastrophen entwickeln können, frühzeitig zu identifizieren, um im Bedarfsfall entsprechend handeln zu können. «Was passiert bei einer Überflutung? Haben wir Rettungspläne für unser Kulturgut vor Hochwasser? Was passiert im Falle eines Krieges? Haben wir Pläne, welches Kulturgut wir schützen, welches Kulturgut wir retten? Dazu müssen wir Pläne erarbeiten.»
In den vergangenen Jahren seien in Hessen eine Reihe von Notfallverbünden entstanden. Das Hessische Landesarchiv habe zudem bereits ein Papier vorgelegt, das eine Handhabe bei konkreten Bedrohungslagen in bewaffneten Konflikten darstelle. Laut dem Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, Markus Hilgert, sind darin unter anderem Abstimmungsprozesse zwischen den Einsatzkräften und den Verantwortlichen für das Kulturgut vor Ort sowie technische Fragen geregelt.
Notwendige Prioritätensetzung
Doch die Brisanz des Themas sei noch nicht wirklich angekommen, sagte Gremmels. Zumal es gelte, all diese Aufgaben in einer Zeit knapper werdender finanzieller Ressourcen zu bewältigen. Dazu sei es auch notwendig, Prioritäten zu setzen. Es werde schmerzhafte und harte Diskussionen darum geben, wo auch Sammlungen aufgelöst werden müssten. «Aber diese Diskussionen muss man aus der Stärke heraus führen. Und man muss sie mit Konzepten und mit einer klaren Haltung führen.»
«Wir müssen aufhören zu träumen», sagte auch die Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar, Ulrike Lorenz. «Priorisieren heißt auch Depriorisieren.» Auch im Kulturbereich könne man nicht mehr nur auf Wachstum setzen. Für diese Transformation brauche es tragfähige Zukunftsstrategien und eine souveräne Kulturpolitik.
Kulturelles Erbe als Identitätsstifter
Gremmels betonte die Bedeutung kulturellen Erbes. Einrichtungen wie Archive, Museen und Bibliotheken bewahrten gemeinsame Erinnerung, hielten sie lebendig und bezeugten unsere Identität und unsere Geschichte. «Sie sind die Voraussetzung für eine vielfältige, offene, demokratische Gesellschaft.» Kulturerbe resilient zu machen, bedeute auch, unsere Demokratie resilient zu machen.
Dazu ist laut Markus Hilgert ein breiter Aushandlungsprozess über die Priorisierung sowie kulturelle Bildung und Forschung nötig. Es brauche Wissen über das kulturelle Erbe, um dessen Geschichte erzählen zu können. «Denn über Geschichten entsteht Identifizierung. Und wir könnten keine Geschichten erzählen, wenn es nicht die Forschung gäbe.»
Als Vorsitzland der Kulturministerkonferenz 2024 hatte das Land Hessen zu der Tagung mit dem Titel «Die Zukunft des kulturellen Erbes - Welche strategisch-politischen Konzepte braucht es?» eingeladen. Anhand der Ergebnisse sollen laut Gremmels eine Roadmap, ein politisches Papier sowie ein Tagungsband erarbeitet werden.
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