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Foto: Marius Becker, dpa
Foto: Marius Becker, dpa

Carolin Kebekus (Mitte) demonstrierte mit einem „DCKS Festival“ und hier ihrer Band „BeerBitches“ für mehr Sichtbarkeit von Frauen.

Debatte
14.06.2022

Sind die Rock-Festivals zu männlich?

Von Wolfgang Schütz

Nach den Protesten zu Rock am Ring und Rock im Park stehen die nächsten Groß-Veranstaltungen vor der Tür und damit auch wieder die Geschlechterlage.

Und zu welcher Gruppe gehören Sie? Drei ganz unterschiedliche Reaktionen nämlich sind vorstellbar mit Blick auf die prominentesten Gruppen beim kommenden zweiten großen Festival-Wochenende in Deutschland. Die Zwillingsriesen von „Southside“ in Neuhausen ob Eck und „Hurricane“ im niedersächsischen Scheeßel servieren: Kings of Leon und Rise Against, Seeed und The Killers, Deichkind und Twenty One Pilots.

Reaktion 1 wäre: ganz schön starke und bunte Besetzung, kein Wunder, dass das ausverkauft ist? Reaktion 2: Aber da sind ja alles schon wieder nur Männer, wie neulich bei „Rock am Ring“ und Rock im Park“, weshalb die gute Carolin Kebekus auch ihr provokativ „DCKS“ getauftes Gegenfestival für mehr Sichtbarkeit von Künstlerinnen startete. Oder Reaktion 3: Keine Ahnung, wer diese Bands da sind – aber was soll eigentlich diese nimmer ermüdende Daueraufregung um gerecht repräsentierte Geschlechter in Kunst und Kultur?

Wer regiert die zeitgenössische Popwelt? Beyoncé und Billie Eilish

Nun muss man zum Letzteren ja sagen, dass es durchaus eine nachdenklich machende Zahl ist, wenn die Frauenquote auf den Bühnen der beiden Groß-Festivals am Pfingstwochenende unter fünf Prozent lag – während man auf der anderen Seite in den vergangenen Jahren durchaus den Eindruck gewinnt, dass Künstlerinnen nicht nur in der Breite präsenter werden, sondern auch in der Spitze dominant. Wer regiert die zeitgenössische Popwelt? Beyoncé Knowles und Billie Eilish. Und vielleicht auch ein bisschen Ed Sheeran. Und so listeten denn manche Kritisierende auch auf, wen die Festivals nicht alles an Künstlerinnen hätten einladen können, statt auch noch in zweiter Reihe olle Männer-Bands wie The Offspring zu besetzen.

Es werden da zum Beispiel an prominenteren genannt, allein an solchen, die aktuell auf Tour sind und eine relativ neue Platte haben: Billie Eilish und Duo Lipa und Mary J. Blidge und Pussy Riot und Patti Smith und Alicia Keys und Shirin David und Rita Ora … An mittelprominenten: Sophie Hunger und Florence And The Machine und Megan Thee Stalion und Kat Frankie und Zaz und Cat Power und Little Simz und Neneh Cherry und St. Vincent und Lorde … Und dann noch viele Spartenbekanntheiten wie Courtney Barnett und Beth Hart und Haiyti und Charli XCX … Ohne jedoch zu sagen, dass die zum Teil für andere Festivals gebucht und damit geblockt sind, dass sie fest im eigenen Tourplan eingeschnürt und nicht für Festivals offen sind. Aber vor allem ohne zu sagen, dass sehr viele von ihnen für das Musik-Profil dieser Festivals ungeeignet wären – und wirklich keine Einzige auch als Headliner passen würde. Denn die sind nun einmal ausschlaggebend für die Attraktivität der Veranstaltungen in ihren Zielgruppen. Also bitte: Der feine Flüsterpop von Billie Eilish, wäre sie denn nicht auf eigener Welttournee, als Highlight bei „Rock am Ring“?

Aber gerade in vorderster Reihe war das Angebot immer dünn und ist es bis heute

Ohnehin sind die Frauen als künstlerische Hauptattraktionen in der Geschichte jener zwei Festival-Zwillinge rar gesät. Mal waren einst Annie Lennox mit den Eurythmics oder Alanis Morisette dabei, immer wieder später mal Evanescence, Juliette Lewis mit ihren Licks oder Beth Ditto an der Spitze von Gossip, auch Lily Allen oder Katy Perry traten mal auf, oder The Pretty Reckless, die Guano Apes und Skunk Anansie mit charismatischer Frontfrau. Aber gerade in vorderster Reihe war das Angebot immer dünn und ist es bis heute. Nicht, weil die entsprechenden Künstlerinnen nicht eingeladen würden – sondern weil es sie in diesem Bereich kaum gibt. Doro Pesch wird bei den Metal-Freunden in Wacken als Quotenkönigin dringend gebraucht, Miley Cyrus wäre nicht viel mehr als ein Coup. Ob Sie nun zur Reaktion 1, 2 oder 3 neigen, mal ganz objektiv gefragt: Wer fällt Ihnen da noch ein?

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Das heißt nicht, dass man angesichts dieser Geschlechterlage nicht über die offenbar vor allem in der Rockmusik noch vorherrschenden traditionellen Strukturen sprechen müsste, die Männer eher groß rauskommen lassen als Frauen. Und das heißt auch nicht, Festival-Verantwortliche sollten sich nicht bemühen, mehr Künstlerinnen auf die Bühne zu bringen. Aber die Realität zur Kenntnis nehmen sollte man dabei halt auch: Die Rockstars, die die Massen anziehen, sind fast ausschließlich Männer. Kann man bedauern, ist aber so.

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