Ohne Dampfmaschine ist die industrielle Revolution unvorstellbar. Jahrtausende lang standen als Antriebsenergie nur tierische und menschliche Muskelkraft sowie die Nutzung von Wind und Wasser mit Mühlensystemen zur Verfügung. Mit der neu entwickelten Kraftmaschine gelang erstmals die effektive Umwandlung von Wärme in mechanische Arbeit und durch die Verbesserungen von James Watt konnten gleichmäßige Drehbewegungen erzeugt werden. Diese waren unabhängig von natürlichen Standortbedingungen mit hoher gleichmäßiger Leistung zum Antrieb von Maschinen geeignet. Deshalb wurde die Dampfmaschine zum Symbol der Industrialisierung und der beginnenden Dominanz der westlichen Welt in der Moderne.
Am 23. September 1824 wurde erstmals in Augsburg mit Dampf gedruckt
Die Kehrseite der Entwicklung? Die massenhafte Umwandlung von Primärenergie in Bewegungsenergie erzeugte einen hohen Verbrauch fossiler Brennstoffe, eine unersättliche Nachfrage nach Kohle. Mit Einsatz der Dampfmaschine beginnt deshalb die industrielle Revolution und zugleich das fossile Zeitalter.
Mit der Dampfmaschine hält eine neue Zeit Einzug in eine Stadt und Region: Das Datum des 23. September 1824, vor 200 Jahren, stellt einen der bedeutendsten Einschnitte in der Wirtschafts- und Kulturgeschichte Augsburgs dar. Denn an diesem Tag wurde zum ersten Mal eine Ausgabe der „Allgemeinen Zeitung“, der damals angesehensten und in Mitteleuropa am weitesten verbreiteten Zeitung, unter Einsatz einer Dampfmaschine gedruckt. Ihr Herausgeber Johann Friedrich Cotta, bedeutendster Verleger seiner Zeit, sandte an diesem Tag ein Exemplar an den bayerischen König Maximilian I. Joseph und erklärte mit Stolz: „Euer Königlichen Majestät habe ich die Gnade in der Anlage die erste Allgemeine Zeitung alleruntertänigst vorzulegen, welche mittels der Dampfmaschine auf Königs und Bauers Schnellpresse heute gedrukt wurde. Alles ging vortreflich und so schnell und ineinander greifend, daß in Einer Stunde 1200 auf beiden Seiten gedrukt wurden, was sonst beinahe das Tagewerk von 2 Buchdruckern ist.“
Sieben Wochen zuvor hatte der König die Cottasche Druckerei in Augsburg noch besucht, kam aber etwas zu früh: Die Schnellpresse war zwar schon im Einsatz, musste aber noch durch ein Schwungrad mit Menschenkraft angetrieben werden. Die Dampfmaschine war im Juli aus England geliefert worden, aber musste zunächst entrostet und zusammengebaut werden.
Wie die Dampfmaschine den Druck in Augsburg revolutionierte
Erst das Zusammenspiel von neuartiger Antriebskraft und der Erfindung einer Druckmaschine, die sie nutzen kann, führt zur Revolutionierung des Druckgewerbes. 350 Jahre lang war die von Gutenberg erfunden Technik des Buchdrucks mit beweglichen Lettern und Handpresse fast unverändert geblieben. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts begann der Buchdrucker Friedrich Koenig aus Eisleben zu überlegen, wie die mühsame manuelle Arbeit an der Handpresse durch eine mechanische Triebkraft mit einer rotierenden Bewegung erleichtert werden könnte. Der Antrieb sollte durch Dampfkraft erfolgen.
Für die Weiterentwicklung seiner Konstruktionsideen musste Koenig – auch um Geldgeber zu finden – nach London gehen, sodass die wichtigste deutsche Erfindung am Beginn der industriellen Revolution, die Druckmaschine, nur in England realisiert werden konnte. 1814 wurde zum ersten Mal eine Zeitung, die Londoner „Times“, mit einer von ihm konstruierten Zylinderdruckmaschine, die von einer Dampfmaschine angetrieben wurde, gedruckt. Der Anpressdruck wurde dabei nicht mehr wie bei der Druckerpresse von einer niedergedrückten ebenen Fläche, sondern von einem sich drehenden Zylinder gewonnen.
Friedrich Cotta zählte zu den ersten Käufern der neuen Druckmaschine
Zu den ersten Käufern der neuartigen Druckmaschine in Deutschland gehörte Friedrich Cotta, der sie Schnellpresse nannte, da sie mit Dampfkraftantrieb so viel leistete wie acht herkömmliche Druckerpressen. Zur Einrichtung der dafür notwendigen größeren Werkstatt und für die Redaktionsräume der „Allgemeinen Zeitung“ hatte Cotta 1823 das Haus in der Karmelitengasse 9 erworben. Die Schnellpresse selbst kam aus der von Koenig und seinem Kompagnon, dem Stuttgarter Maschinenbauer Andreas Bauer, gegründeten Druckmaschinenfabrik, die Dampfmaschine musste in England bei der Firma Murray & Wood in Leeds bestellt werden. Allein ihr Transport nach Augsburg mit mehrfachem Umladen (Hull, Rotterdam, Köln, Mainz, Oberzell) dauerte über dreieinhalb Monate.
Cotta hatte sich über Antriebsarten Gedanken gemacht: Wasserkraft durch einen Bach kam auf der Hochterrasse nicht infrage. Tierische Muskelkraft hätte bedeutet, dass pro Tag zwei jeweils sechs Stunden im Kreis laufende Pferde gebraucht würden. Koenig fiel es daher nicht allzu schwer, Cotta vom Kauf einer Dampfmaschine zu überzeugen. Eine Maschine von der Kraft eines Pferdes verbrauchte nach Koenigs Angaben „uhngefehr 1 Sack Steinkohlen in 12 Stunden“, also annähernd 100 Kilo. Für die schließlich für Augsburg angeschaffte Maschine mit zwei Pferdestärken war also noch mehr nötig. Cotta wollte die neue Schnellpresse für den Druck der „Allgemeinen Zeitung“, aber auch Verlagserzeugnisse einzusetzen, sodass er noch im selben Jahr zusätzlich eine kleinere Schnellpresse und 1826 eine weitere erwarb. Sie wurden von derselben Dampfmaschine angetrieben. Die Druckerei in Augsburg war damit Ende der 1820er-Jahre die modernste in Europa. In der Entwicklung der Zeitung zum leicht erschwinglichen Massenmedium spielte die Stadt eine wichtige Rolle.
Die Einrichtung dieser Schnellpresse löste Ängste aus, die seither den technologischen Wandel fast immer begleiten: Furcht um Leib und Leben aufgrund der vermuteten Explosionsgefahr, Beklemmung vor drohender Arbeitslosigkeit durch die Produktivitätssteigerung und den möglichen Einsatz von angelerntem Personal. Gleichzeitig macht sich der Mangel an für die Betreuung der modernen Technik geeigneten Fachkräften bemerkbar.
Die Cottasche Druckerei löste in Augsburg die industrielle Revolution aus
Die Aufstellung der neuen Maschinen musste deshalb Friedrich Koenig selbst vornehmen. Als die Dampfmaschine dann endlich ab dem 23. September reibungslos lief, kam ein Neffe Koenigs, Carl Reichenbach, nach Augsburg und blieb 20 Jahre lang Oberaufseher der Cottaschen Druckerei. Dann gründete er zusammen mit seinem Schwager Carl Buz 1844 die „C. Reichenbachsche Maschinenfabrik“. Sie spezialisierte sich auf den Bau von Schnellpressen, von Dampfmaschinen mit Dampfkesseln und von Wasserturbinen. Aus diesem Unternehmen entwickelte sich die MAN und mit ihr im 19. Jahrhundert – mit Firmen wie KUKA, Renk und Alpine – die große Tradition des Augsburger Maschinenbaus, die bis heute die industrielle Struktur der Stadt prägt. Die Cottasche Druckerei stellte mit ihrer dampfgetriebenen Schnellpresse vor 200 Jahren die Initialzündung für die industrielle Revolution in Augsburg dar.
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