Jetzt sage noch einer, die spätestbarocke Opera seria könne nicht hochpolitisch in ganz brand-, ja brandaktuellem Sinn präsentiert werden. Dieses Jahr hat sich das teils vergnügungswillige, teils kunstsinnige Salzburger Festspielpublikum zu Pfingsten (und dann wieder im Sommer) mit einer Giorgia Meloni auf der Bühne zu beschäftigen und mit einem Sturm aufs Capitol in Washington. Metastasios "La clemenza di Tito"-Stoff, von zahlreichen Komponisten vertont und auch von Mozart 1791 noch in so staatstragende wie psychologisierende Affekt-Arien gegossen, liefert die Grundlage. Also jener Stoff, der die Fürsten im 18. Jahrhundert und im Hoftheater dazu ermahnen sollte, milde, besonnen, menschlich zu regieren. Selbst dann noch, wenn sie ein Attentatsversuch ereilt, ein Staatsumsturz im Gange ist. Humanität versus Gewalt also ist das Thema der ernsten Oper voller Charakterzerreißproben, angesiedelt 79 nach Christus in Rom, im Jahr des schrecklichen Vesuv-Ausbruchs, der Tito umgehend Anlass gibt, den Überlebenden mildtätig zu helfen.
Salzburger Festspiele