„Heute ist die Beerdigung meines Vaters, und für mich ist es die Auferstehung meiner Mutter“ – so beginnt „Ein anderes Leben“ von Caroline Peters. Es ist ihr erstes Buch als Autorin, ihr Debüt in der Literatur. Denn in ihrem „anderen Leben“ ist die 53-Jährige Schauspielerin: Sie spielt im Ensemble am Wiener Burgtheater ebenso wie in Spiel- und Kinfilmen. Unvergessen: Ihre Rolle als mondäne Kommissarin, die in der Eifel strandet, im Krimi „Mord mit Aussicht“. Jetzt aber Rollenwechsel, Caroline Peters schreibt einen Roman und er beginnt mit dem Tod: Der Vater gestorben, die Mutter auch, ein Trauerspiel? Nein. Peters, die auch im Schauspiel als Komödiantin gefeiert wird, gräbt sich mit schwarz grundiertem Humor in eine Familiengeschichte. Die Hauptrollen spielen drei Schwestern von drei verschiedenen Vätern, aber von eben derselben – Mutter. Und diese Mutterfigur formt und fantasiert Peters, in biografischer Anlehnung, aus dem Leben ihrer eigenen Mutter.
Erst Klaus, dann Roberto, schließlich Peter – alle drei Männer hat die Heldin Hanna der Reihe nach geheiratet. Sie alle waren Freunde in Studientagen, streunten zu viert durch Heidelberg, nannten sich ein „vierblättriges Kleeblatt“ und tauchten ein in die Nachkriegswunderaufbruchsstimmung. Und aus diesen Lieben entstand mit den Jahren und Ehen eine Troika von Töchtern. Je ein Kind pro Mann: Laura, Lotte – und die Jüngste, die Erzählerin des Romans.
Caroline Peters: Vom Burgtheater zur Bestseller-Autorin
Der Wahnsinn scheint bei dieser gepuzzelten Familie regelmäßig anzuklopfen. Dank Mutter Hanna. „In einem Anfall von Wahnsinn konnte bei Hanna so einiges passieren: Abendkleider wurden gekauft oder mit dem Bügeleisen verbrannt, Kinder in der Kita oder am Bahngleis vergessen, Kochtöpfe auf dem Herd stehen gelassen oder Wildfremde von der Straße zum Mittagstisch eingeladen, weil jemand schlecht ausgesehen hatte und wir ja genug hatten.“ Hanna, die Show-Frau, die in Party-Gesellschaft schon mal dazu aufforderte, die Wodkagläser an die Wand zu schmeißen – hat sie auf einer Moskau-Reise so gelernt. Und tagsüber war sie die Fachfrau hinter der Uni-Bibliotheks-Theke, die jungen Slawistik-Studenten mit Tipps zur Literatur köderte, sie mit Fachwissen ansäuselte, bis ihnen die Wangen glühten.
Als die Familie Peter beerdigt – Papa drei, genannt „Bow“ -, steht die Jüngste vor einem Wollknäuel an Fragen, in die das Leben der Mutter verwickelt scheint. Fragen zur Herkunft – Flucht, Hunger und Kriegsängste, die Jahrzehnte nachwirken. Fragen zur Liebe – Väter, die um die Gunst der Töchter ackern; Väter, die der Mutter aber den Weg zur Freiheit versperren. Und vor allem: Fragen zum Geheimnis der Sprache. Hanna war eine Poetin, Wortspielerin und Wortforscherin.
„Ein anderes Leben“: Familiendrama mit Humor
Caroline Peters beschreibt in ihrem Roman den Versuch, die unerzählte, unergründete Geschichte einer Frau freizulegen. In Interviews erklärt sie immer wieder: Ihre eigene Mutter war die Inspiration für die Figur Hanna, der Rest des Romans ist aber Fantasie und Legende.
Man kann so ein autobiografisches Buchprojekt wie ihr Schauspielkollege Joachim Meyerhoff angehen: Sich selbst und Verwandte aus dem Leben greifen und dann als Figurenkabinett in Szene setzen, ohne doppelten Boden, starke Schminke und Retusche. Oder man macht es wie Caroline Peters: Man nimmt den Kern eines Menschen – und dichtet ihm ein Leben auf den Körper, ein etwas anderes. Die Erzählerin des Romans scheint gar nicht das Bedürfnis zu spüren, sich mit Liebenswürdigkeit in die Herzen hineinzumonogolisieren. Die Schauspielerin tritt aus dem Scheinwerferlicht. Bühne frei für: die Mutter.
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