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Bundestagswahl: Was sagen uns all die Wahlplakate? Eine Kritik in Stil und Inhalt

Bundestagswahl

Was sagen uns all die Wahlplakate? Eine Kritik in Stil und Inhalt

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    Details aus aktuellen Wahlplakaten
    Details aus aktuellen Wahlplakaten Foto: Michael Schreiner

    Ein leise lächelnder Monolith erobert die Straßenränder. In kräftigem Schwarz-Weiß-Kontrast blickt einem dieser Olaf Scholz in klassischer Porträt-Pose überall entgegen auf so viel Rot, wie lange nicht SPD war und sonst höchstens eine Image-Kampagne der Bild oder die neuesten Rewe-Angebote in den öffentlichen Raum tragen.

    Prangten dazu auf den kleineren, hochformatigen Plakaten anfangs die Slogans „Kompetenz für Deutschland“ und „Respekt für Dich“ zwar schon in weißen Großbuchstaben, aber außer der Irritation des Duzens eher zurückhaltend – wuchs zuletzt aber der Monolith zusehends ins große Querformat mit der Zeile „Kanzler für Deutschland“. Und ein kleiner Button erinnerte daran, dass, wer Scholz wolle, SPD wählen müsse.

    Gegen Monolith Scholz nun "Linksrutsch"-Slogans und Annalena Baerbock in Farbe

    Und die K-Konkurrenten? Armin Laschet – zunächst zwar spärlich, aber doch hier und da lächelnd „für ein modernes Deutschland“ werbend, dabei aber sehr konservativ im Porträt in Szene gesetzt: Er ist praktisch ganz aus dem Straßenbild verschwunden. Stattdessen findet sich nun verstärkt die „Stabilität“, für die bislang Markus Söder deutlich fröhlicher auf ebenso konservativen Plakaten stand, auf einem reinen Text-Motiv: präsentiert als Gegenbegriff zum „Linksrutsch“.

    Und Annalena Baerbock, die zunächst grundsätzlich wie alle Grünen in reinen Grünton-Bildern hinter dem Kampagnen-Slogan und jeweiligen Botschaft zurücktrat – das eine den Anspruch der Volksstimmungspartei betextend mit „Bereit, weil Ihr es seid“, das andere geradezu ein Lummerland-Versprechen mit „Wirtschaft und Klima ohne Krise“ (im Gegensatz zu einem pragmatischen Robert Habeck, der einfach ein funktionierendes Land verhieß): Inzwischen tritt die Kanzlerkandidatin im breiter plakatierten Großformat aus dem Grün persönlich hervor und will frisch und in Farbe aktivieren: „Komm, wir ändern die Politik“. Wird der „Linksrutsch“-Fokus, wird die belebte Baerbock noch was nützen gegen den in den Umfragen thronenden Monolithen?

    Mitunter treffen die Botschaften auch interessant aufeinander.
    Mitunter treffen die Botschaften auch interessant aufeinander. Foto: Michael Schreiner

    Die Plakate sind das klassischste Mittel des Wahlkampfs, das ollste auch, wie es scheinen mag. Aber statt aus der Zeit gefallen zu wirken, erweisen sie gerade mit zunehmender Beschleunigung des digitalen Zeitalters eine doppelte Überlegenheit. Wenn die Öffentlichkeit auf Internetplattformen, sozialen Netzwerken und auch durch den Trend weg vom linearen Fernsehens gerade in Blasen und Szenen zu zersplittern scheint und multimedial agierende Politik das mitunter bereits zum sogenannten „Mikrotargeting“ nutzt, also zum gezielten Werben bei Menschen, abgestimmt aus deren algorithmisch erfasste Interessen – die analoge Begegnung mit den überall aushängenden Plakaten im öffentlichen Raum dagegen ist für alle dieselbe, geradezu unumgänglich, und sie zwingt zu ästhetischen und inhaltlichen Festlegungen. Was also erzählen die aktuell aushängenden Exemplare über die jeweiligen und diesen Wahlkampf?

    Und die Plakate der AfD? Sie präsentiert sich in Wahlplakaten seriös!

    Die Provokationen an den Splitterrändern mal beiseite gelassen, bei denen Die Partei am einen Ende regelmäßig eher pfiffig Aufmerksamkeit einheimst, während diesmal am anderen Ende der III. Weg mit voller Stumpfheit danach schreit – es gibt wenige Aufreger. Das liegt wesentlich daran, dass Aldi Süd, äh, Verzeihung: dass sich die AfD, die mit ihren Farben am Straßenrand nun mal immer an den Discounter erinnert, weitestgehend seriös präsentiert.

    Das Erscheinungsbild nur einen Hauch noch weniger modern als die Union, und dazu für ihr Klientel treffsichere, dabei aber gar nicht plume Slogans: statt zuletzt dekolletierte Weinköniginnen mit „Burka? Ich steh’ mehr auf Burgunder!“ nun ein Frau mit Kleinkind und dem Satz: „Ich bin Mutter. Kein ‚gebärendes Elternteil‘.“ Der Kampagnentitel statt zuletzt dem Ausruf „Trau dich, Deutschland!“ nun intuitiv wirkender: „Deutschland. Aber normal.“ Vorbeigeblickt an der Albernheit des traurigen Plakatkindes, das fragt „Darf ich noch nach Kreta, Greta?“ – generell jedenfalls: gute Text-Agentur!

    Auf ihre jeweilige Art einen historischen Zeitpunkt, der genau nach ihnen verlangt, stilisierend versuchen es FDP und Die Linke. Die Gelben, die kaum gelb sind, sondern hauptsächlich mit eher künstlerischen und deutlich weniger kontrastreichen Schwarz-Weiß-Porträts auftreten, meinen generell „Nie gab es mehr zu tun“ – der großformatige Christian Lindner konkretisiert dann auch nicht besonders mit „Wie es ist, darf es nicht bleiben“. Wogegen sich dieser bemüht stilvoll gekleidete Protestparteianklang abgrenzt, wird klar in Großbuchstaben: „Mehr Freude am Erfinden als am Verbieten“. Freiheit von den Grünen!

    SPD soll jetzt heißen: "Soziale Politik für Dich" - also für alle?

    Die Dunkelroten, im Auftritt deutlich weniger rot als die SPD, versucht die generell geringere Wucht im ästhetischen Auftritt durch den Fokus auf ein wie der Parteiname mit Punkt zur Feststellung werdenden Wort: zu „Die Linke.“ kommt „Jetzt.“ – und dazu kommen klare Forderungen. Nicht schön, aber Inhalt.

    Und das Umfrage-Spitzentrio? So phrasennah die Grünen textlich wirken, so mutig war der ästhetische Schritt in Grün-auf-Grün – und so wirkungsvoll ist nun Baerbock in Farbe (damit ist die Nicht-Farbfoto-Koalition mit SPD und FDP aufgekündigt). Ähnlich prägend für das Straßenbild ist da nur noch die SPD mit ihrem Rot und den kontrastreichen Porträts, die Personen konturenreicher erscheinen lassen. Der einzige Inhalt aber, der wirkt (und das Duzen entschuldigt), ist die clevere, aber auf den Plakaten nur klein präsentierte Neuauflösung des Parteikürzel: „Soziale Politik für Dich“. Wobei das verallgemeinerte Du als Zielperson der Kampagne freilich darüber hinwegtäuscht, dass längst nicht alle Zielperson von sozialer Politik sein können.

    Aber im Vergleich zur Union sind das Feinheiten. Denn an deren Kampagne blieb bislang weder ästhetisch, noch inhaltlich etwas haften. Letzte Hoffnung für sie, Wirkung zu erzielen, ist nun ganz plakativ: die Mahnung vor dem „Linksrutsch“.

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