Viel Wirbel schafft viel Aufmerksamkeit. Insofern kann sich die Branche eigentlich freuen, es gab viel davon im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse. Aber natürlich nicht die Art von Wirbel, die man gerne möchte: Viel wirtschaftliche Krise nämlich, nun nicht mehr nur bei kleinen Verlagen, deren Klage zum stetig anschwellenden Grundrauschen zählt, sondern sogar beim legendären Suhrkamp-Verlag. Dann auch dies: Womöglich weniger Sendezeit und damit Aufmerksamkeit fürs Buch, falls der Kultursender 3sat von der Bildfläche verschwinden sollte. Und im Übrigen auch eher deprimierend, womit Italien, das diesjährige Gastland der Buchmesse auf sich aufmerksam machte: Da wollten die Kulturpolitiker der postfaschistischen Meloni-Regierung gerne ohne einen der wichtigsten und regierungskritischen Schriftsteller des Landes nach Frankfurt fahren.
„Streichungspläne bei Kultursendern sind eine fatale Weichenstellung“
Zu Beginn der Buchmesse ist es aber nun so: Der italienische Schriftsteller und Anti-Mafia-Kämpfer Roberto Saviano kommt natürlich nach Frankfurt, auf Einladung seines Münchner Hanser-Verlages. Und Suhrkamp lädt vielleicht nicht zum legendären Kritikerempfang, aber nach der Übernahme des Bauunternehmers Dirk Möhrle wird staunend auf das Buch als offenbar attraktives Investitionsobjekt geschaut. Da passt doch auch diese Meldung zur gestrigen Eröffnung der Messe: In den ersten drei Quartalen dieses Jahres bewege sich der Umsatz der Buchbranche leicht über Vorjahr und damit auf einem stabilen Niveau, berichtete am Dienstag Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, und fügte an: „Das müssen uns andere Branchen erstmal nachmachen“.
Woran das liegt? Vor allem auch daran, dass wieder ganz viele junge Menschen im Lesefieber seien. „Das freut mich besonders“, so Schmidt-Friderichs, auch weil da eine Generation völlig selbstverständlich in der analogen wie digitalen Buchwelt unterwegs sei: Tauschen ihre Buchempfehlungen auf TikTok und Instagram aus, holen sie sich aber noch häufiger offenbar in der örtlichen Buchhandlung. Mahnende Worte aber an die Politik: Man dürfe nicht vergessen, dass jedes vierte Kind die Grundschule verlasse, ohne richtig lesen zu können. Lesekompetenz sei aber Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe, für demokratische Teilhabe: „Nur wer versteht, was in Wahlprogrammen versteht, kann verantwortungsvoll wählen“. Die Politik aber verschließe ihre Augen vor dem zunehmenden Bildungsnotstand. Schmidt-Friderichs kritisierte auch Streichungspläne bei Kultursendern als „eine fatale Weichenstellung“. Kultur könne nur dann Wirkung entfalten, wenn über sie gesprochen wird.
Der Gastlandpavillon: Eine Piazza, „ein Ort, an dem alles geschehen kann“
Im Falle des Buches wird das in den kommenden Tagen in Frankfurt auf jeden Fall geschehen: Über 1.000 Autorinnen und Sprecher reisen an. Auch die italienische Delegation ist nicht so ausgedünnt, wie im Sommer zu erwarten war, als 41 Autorinnen und Autoren in einem offenen Brief an die Buchmesse und den italienischen Verlegerverband nicht nur die Besetzung der offiziellen Delegation, sondern auch die Ausrichtung des Programms kritisierten. Es werde da nicht der kulturelle Austausch, sondern vielmehr „Duette zwischen italienischen Autoren“ gefördert. Nun gibt es unter anderem ein von PEN Deutschland initiiertes Alternativprogramm unter dem Titel „Das andere Italien“. Den Gastland-Pavillon hat Architekt Stefano Boeri als Piazza gestaltet, mit Säulen umgeben, in der Mitte eine geöffnete goldene Hand. Die Piazza sei „ein Ort, an dem alles geschehen kann und nichts unmöglich ist“, so Boeri. Es dürfte dort in den nächsten Tagen auch mal ordentlich Wirbel geben.
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