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Buch: Mit Timur Vermes auf der Suche nach Comicperlen

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Mit Timur Vermes auf der Suche nach Comicperlen

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    Timur Vermes zu "Gung Ho": "Eine super Geschichte, weil es auch so ein Sommerfeeling hat", findet Vermes. Was er noch empfiehlt: "Vatermilch" von Uli Oesterle.
    Timur Vermes zu "Gung Ho": "Eine super Geschichte, weil es auch so ein Sommerfeeling hat", findet Vermes. Was er noch empfiehlt: "Vatermilch" von Uli Oesterle. Foto: Julia Greif

    In der "Comic Company" in München grüßen Asterix- und Obelix-Figuren in einem Schaukasten. Die Regale an den Wänden sind mit Comicbänden gefüllt, zwei Kunden stöbern in der Auslage. Einer ist heute aber nicht zum Kaufen da - er berät: Timur Vermes, der mit dem Roman "Er ist wieder da" bekannt wurde, hat ein neues Buch veröffentlicht, "Comicverführer" heißt es. Darin empfiehlt er Comics, die er selbst mag und nicht "den neuesten heißen Scheiß (...), sondern das Beste aus den letzten fünfzehn bis dreißig Jahren", schreibt er im Vorwort. Er durchforstet mit uns die Comicregale.

    • Für Fans von Dystopischem wie "Die Tribute von Panem" zieht er Gipis "Die Welt der Söhne" aus dem Regal: Vermes schraubt aber die Erwartungen herunter, falls man dachte, ein Double von Jennifer Lawrence würde die Hauptrolle spielen: "Da gibt es kein Happy End und keine sexy Darsteller." Empfehlenswert sei der Comicband, wuchtige 288 Seiten in schwarzweiß, trotzdem. Die Story: In einer apokalyptischen Sumpflandschaft versuchen zwei Brüder, nach dem Tod ihres Vaters zu überleben. Vermes zieht ein weiteres Buch aus dem Regal: "Gung Ho" spielt ebenfalls in einer apokalyptischen Welt, inklusive pubertierender Jugendlicher und Furcht einflößender Raubtiere.
    Jugend im Krieg: In "Gung Ho" scheint zwar die Sonne, aber die Stimmung ist eher düster.
    Jugend im Krieg: In "Gung Ho" scheint zwar die Sonne, aber die Stimmung ist eher düster. Foto: Benjamin von Eckartsberg/Thomas von Kummant, Cross Cult
    • Für Menschen, die als Kind Fan vom "Lustigen Taschenbuch" waren: An Donald Duck-Comics fand Vermes interessant, dass sie sprachlich lustig waren und teilweise wie eine Soap Opera, mit dem reichen und dem armen Onkel. Die Hauptfiguren sind Tiere. Und solche "Funny Animals" finden sich auch wieder in "Donjon": Dort wird das komplette Genre zwischen Fantasy, Schwert und Hexerei parodiert, unter anderem von Lewis Trondheim. Der ließ vor kurzem auch "Herr Hase" in die Welt von Asterix und Obelix eintauchen.
    • Für alle Nostalgiker, die mit modernen Comics nichts anfangen können, gibt es gute Nachrichten: Für die Verlage sind die heute Erwachsenen Premium-Kundschaft, weil sie mehr als nur ein Taschengeld verdienen. Manche Verlage haben sich darauf spezialisiert, Comics von früher zu sammeln und neu herauszugeben. Zum Beispiel "Prinz Eisenherz" vom Bocola-Verlag.
    • Und für Leute, die sich mit dem Text-Bild-Mix von Comics schwertun? Sie könnten von Posy Simmonds begeistert sein, die viel als Cartoonistin für den Guardian gezeichnet hat. Sie erzählt "buchiger", mit viel Text, aber auch sehr böse, zum Beispiel bei "Gemma Bovary", in der die Geschichte an Flauberts "Madame Bovary" angelehnt ist.

    Wie Timur Vermes einen Comic liest und bewertet

    Wie er einen Comic als Kritiker liest, erläutert Vermes in seinem Buch auch. Im Gespräch erklärt er: "Ich glaube nicht, dass ein Comic einfach so gut oder schlecht ist. Sondern man muss begründen können, warum etwas funktioniert oder nicht. Und ich behaupte, man kann das. Und erst dann kann man auch 'ne Runde drüber streiten'." Was er zum Beispiel beachtet: "Ist das Bild gut? Zieht es mich an? Warum zieht es mich an? Ist da zum Beispiel ein ungewöhnlicher Winkel?"

    Comicliebhaber Timur Vermes teilt mit seinen Lesern viele Tipps.
    Comicliebhaber Timur Vermes teilt mit seinen Lesern viele Tipps. Foto: Jörg Koch
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    • Comics, die sich für Eltern und Kinder gleichermaßen eignen: Riad Sattouf beschreibt in "Esthers Tagebücher" die Welt von Esther, der neunjährigen Tochter eines Freundes, aus ihrer Sicht. Der französische Comic erinnere Viele an "Der kleine Nick", meint Vermes, als er auf das Buch zeigt. Er spielt aber in der Gegenwart, mit all ihren Problemen, spart zum Beispiel auch die Angriffe auf Charlie Hebdo nicht aus.
    • Was ist für ihn die "Königsklasse"? "Das ist schwer zu sagen", meint Vermes. Man müsse aber sagen, dass "Asterix" gut funktioniere und gut altere. Die Comics erzählten jedes Mal eine Geschichte, und die Helden stünden in jedem Abenteuer vor einem Problem - "es geht um mehr, als nur darum, Römer zu verprügeln." Was er auch richtig gut findet: "Der Geschmack von Chlor" von Bastien Vivès erzählt eine Geschichte, wie ein junger Mann sich im Hallenbad in eine junge Frau verliebt, und kommt streckenweise ohne Text aus, arbeitet nur mit Blicken, Perspektiven. Vermes findet: "Er hat aus Nichts eine tolle Geschichte gemacht." Er habe seinen Lieblingscomic-Zeichner auch selbst mal getroffen. Vermes lacht bewundernd, als er sich an die Begegnung erinnert: "Der wirkte durchaus selbstbewusst - und das zu Recht." Er kenne aber andere Comiczeicher, die von ihrem Comicverkauf nur in Deutschland nicht leben könnten. "Die geben ihre Rechte zum Beispiel nach Frankreich, wo der Markt größer ist und es mehr Aufträge gibt." Auch solche Aspekte kommen im Buch zur Sprache.

    Direkt rechts vom Eingang steht das Regal mit den Mangas. In Vermes' "Comicverführer" bekommen sie nur ein kleines Unterkapitel. "Ich finde, Mangas verdienen keine Sonderbehandlung, sie sind nur Comics." Er schreibt dann auch, was ihn an Mangas, den japanischen Comics, stört. Er hat aber trotzdem Gute gefunden: "Blame!" zum Beispiel: Das Science-Fiction-Abenteuer erkläre nicht zu viel.

    Gibt es bald eine Comicversion von "Er ist wieder da"? Das sagt Timur Vermes dazu

    Comiczeichnern kann man auf großen Messen wie dem Comicfestival in München über die Schulter schauen. Viele zeichnen den Fans dann auch spontan etwas Kleines. Da wird Vermes zum Fan: "Aus dem Stand etwas schreiben, das könnte ich nicht." Und selbst zeichnen? "Ich habe früher für meine Schwester Geschichten geschrieben, mit kleinen Zeichnungen darin. Als ich im Zivildienst war, entstanden dann Halbcomics, aber das war aufwendig: der Text mit der Schreibmaschine, die Zeichnungen extra dazugeklebt." Irgendwann habe er das eingestellt.

    Im Gespräch kommt Vermes auf die Lage in Deutschland zu sprechen: Hier gebe es keine Comictradition, er schränkt aber ein, nicht nur da. Höchstens ein paar Zeitungsstrips wie "Calvin und Hobbes" hätten es hier in die Zeitungen geschafft. In Deutschland habe man oft eine Abneigung gegen Comics, weil sie nicht in den Kanon von wertvoller Literatur aufgenommen wurden - aber was sage das schon aus?

    In "Vatermilch" schildert Uli Oesterle in einer Graphic Novel Alkoholismus und Verantwortung.
    In "Vatermilch" schildert Uli Oesterle in einer Graphic Novel Alkoholismus und Verantwortung. Foto: Uli Oesterle, Carlsen Verlag Hamburg 2020

    Eine Comicversion von "Er ist wieder da", Vermes' Erfolgsroman, wurde noch nicht veröffentlicht. "Aber ich hätte auch nichts dagegen, wenn jemand das macht." Und auch eine Fortsetzung der Hitler-Satire sei bislang nicht geplant: "Es gibt keinen Grund dazu, weil es keinen Erkenntnisgewinn gibt. Es könnte aber sein, dass mir irgendwann eine erstaunliche Idee kommt."

    Vermes selbst las als Kind, kam durch Freunde mit Comics in Berührung. Aber dann: jahrelanger Stillstand. "Irgendwann findet man Comics nicht mehr sexy, oder ein Mädel soll nicht sehen, dass man noch Micky-Maus-Hefte liest, also räumt man sie weg." Aber später vermisst man die Comics, und für Menschen, denen es so oder ähnlich gehe, hat er auch den "Comicverführer" geschrieben: "Ich glaube schon, dass viele Leute diese Sehnsucht nach Nachmittagen mit Comics und einer Tüte Gummibärchen haben - wie früher als Kind. Da möchte ich ihnen sagen: Das geht immer noch - ihr braucht aber wahrscheinlich andere Comics." Sein Tipp: "Lest, was euch gefällt."

    Von einem Comic-Fan für Comic-Fans: Der "Comicverführer" von Timur Vermes.
    Von einem Comic-Fan für Comic-Fans: Der "Comicverführer" von Timur Vermes. Foto: Joerg Koch

    Timur Vermes, Comicverführer, 272 Seiten, Erscheinungstermin: 25. Oktober 2022,

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