Herr Jonas, angeblich reagieren Sie manchmal ein bisschen aufgebracht, ein bisschen wütend auf die Lage der Welt. Sie schreien dann auch in Ihren Fernseher hinein. Was bringt Sie denn in diesen Tagen in Rage?
BRUNO JONAS: Wer hat Sie da informiert? (lacht) Es ist tatsächlich so, dass ich manchmal daheim vorm Fernseher sitze und dann reinschreie in das Gerät. Dann sagt meine Frau aber: „Der versteht dich nicht …“. Bei „Lanz“ war vor einiger Zeit der Herr Dürr, ein heller Geist von der FDP, zu Gast. Er hat da sehr schlüssig die Klimaschutzpolitik der Ampel-Koalition wiedergegeben, hat das alles sehr widerspruchsfrei dargestellt. Neben ihm sitzt eine Klima-Expertin, eine Journalistin von der Zeit. Sie hört ihm erst aufmerksam zu, und dann sagt sie: „Ich höre das, aber ich fühle es nicht.“ Da dacht‘ ich mir: „Ja leck mich am …! Jetzt hol’ i mir no a Halbe.“ Damit machst du jede Argumentation kaputt. Jemand reiht Argument an Argument und versucht, logisch zu argumentieren, aber dann sagt einer: „Ich fühle es nicht“. Ich glaube, das ist momentan ein signifikantes Phänomen unserer Debattenkultur. In Shakespeares „König Lear“ spricht der Herzog von Albanien ganz am Ende des Stücks: „Lasst uns der trüben Zeit gehorchend klagen, nicht, was sich ziemt, nur was wir fühlen sagen.“ Das ist für mich der Satz zum Zeitgeist. Es geht nicht mehr um das, was sich ziemt, das wäre ja Ästhetik, wäre Streitkultur, dem anderen zuhören, ausreden lassen. Es scheint so, dass wir nur noch empört sein wollen. Und ich bin davon auch nicht ganz frei.
Am vergangenen Mittwoch hat es ja zwei Gelegenheiten gegeben, den Fernseher anzubrüllen. Einmal am Vormittag, bei Donald Trumps Wiederwahl, und dann beim Abendessen, als klar wurde, das wird nichts mehr mit der Ampel.
JONAS: Ich habe nicht geschrien, sondern eher gelacht. Natürlich haben viele gehofft, dass Frau Harris gewinnt, und mir kam so der Gedanke: Moral verliert, Lüge gewinnt. Da ist in den USA ein Kickboxer gegen eine Balletttänzerin angetreten, und der Kickboxer ist besser angekommen. (zuckt mit den Schultern) Aber das ist Demokratie. Wir müssen das akzeptieren. Ich habe letzte Woche einen Kommentar gelesen in der FAZ. Da wurde Trump als „ehrlicher Lügner“ beschrieben. Das mögen die Amerikaner, wenn einer ehrlich lügt.
Was ist das, ein „ehrlicher Lügner“?
JONAS: Wir gehen immer von hohen moralischen Ansprüchen aus, dass in der Politik Wahrhaftigkeit eine große Rolle spielt. Ich glaube aber, die Wahrheit hat in der Politik nichts verloren. Würden Politiker immer die Wahrheit sagen würden, käme Politik zum Erliegen. Ich glaube, Politik braucht eine gewisse Praktikabilität. Man kann da auch von strategischen Wahrheiten sprechen, von Diplomatie. Das gilt ja auch in unserem Alltag. Wenn wir alle in unseren Beziehungen permanent die Wahrheit sagen würden, dann wär‘ aber was los …
Aber hatten Sie nicht das Gefühl, da war jetzt ein Moment der Wahrheit, als Olaf Scholz vor der Kamera die Koalition beendet hat?
JONAS: Nein, ich hab‘ gedacht: Das wirkt falsch. Da spricht ein Rumpelstilzchen. Ich erinnere mich an den Cum-Ex-Skandal, Scholz weiß schon, was er wissen muss und was er auf keinen Fall wissen darf. Das qualifiziert ihn für einen Spitzenjob. Ein guter Politiker muss wissen, woran er sich nicht erinnern kann. Aber in dem, was wir jetzt mit der Ampel erlebt haben, spielt Wahrheit keine Rolle. Das kommt mir eher wie eine Charakter-Komödie vor. So wie Scholz verkündet hat, dass er die Ampel kündigt, war das wohlüberlegt. Er spielte den Gelassenen.
Wie schätzen Sie die Darsteller in dieser Charakter-Komödie ein? Früher hatte man einen Strauß, einen Wehner, da gab es Debatten im Bundestag, die auch mit hohen darstellerischen Fähigkeiten aufgeführt wurden.
JONAS: Im Nachgang, gerade im Vergleich mit den Politikern der Gegenwart, wirkt das alles sehr krass und scharf gezeichnet. Wenn Franz Josef Strauß von „Ratten“ und „Schmeißfliegen“ sprach … (überlegt) … ja da konnte man sich als Linker schon angesprochen fühlen. Das war nicht schön, da wurden Menschen auch persönlich herabgesetzt, da fielen beleidigende, unwürdige Worte.
Und Donald Trump macht ja genau das. Er beleidigt, geht auf Migranten los, schimpft über Frauen in unflätigen Tönen. Aber er kann machen, was er will, es haftet ihm nicht an.
JONAS: Die Leute spüren natürlich, dass Trumps Verhalten absolut daneben ist. Aber ich glaube, er spricht die Menschen an, die sich nicht mehr bevormunden lassen wollen. Die nicht mehr dieses Intellektuelle, etwas Abgehobene, über die Köpfe der Menschen hinweg Sprechende wollen. Dieses belehrende, entmündigende Reden habe ich in Deutschland auch schon wahrgenommen. Das packen die Leute nicht, und dann wählen sie halt einen Trump.
Aber Sie werden bestimmt auch die andere Erfahrung gemacht habe: Viele Menschen reagieren heute viel empfindlicher bei bestimmten Themen. Gibt es Dinge, die Sie heute nicht mehr sagen können?
JONAS: Wenn ich in einer Demokratie das Recht der freien Meinungsäußerung in Anspruch nehme, aber dann sofort beleidigt oder gecancelt werde, oder mit einem Shitstorm rechnen muss, dann entsteht eine Atmosphäre, die mich schon nachdenklich macht. Aber natürlich darf jeder alles sagen. Wir haben Meinungsfreiheit, haben Kunstfreiheit, und als Kabarettist darf ich vom Publikum erwarten, dass ich nicht ernst genommen werde.
Sie stammen aus dem Umfeld des Scharfrichterhauses in Passau, quasi aus der Ursuppe der widerspenstigen, linken Kabarettisten in Bayern. Würden Sie sich da heute noch verorten? Oder haben Sie Ihre Position inzwischen gewechselt? Vom linken Querulanten zum …
JONAS: … Groucho Marx! Der hat einmal gesagt: „Ich bin dagegen, egal, was es ist.“ Und das passt sehr gut zu mir. Schon als kleiner Bub haben mich die Leute gefragt: „Musst du immer dagegen reden?“ Ich war von klein auf vom Widerspruchsgeist erfüllt. Und so wie ich meinen Beruf heute auffasse, geht es mir nicht um links oder rechts. Diese Welt ist nicht so einfach zu beschreiben, die Welt ist komplex, es gibt viele Graustufen. Wenn ich das politische Geschehen beobachte, frage ich mich eher: Wie sinnvoll ist eine Entscheidung? Und im Spektrum von sinnvoll bis sinnlos, da gibt es viele Abstufungen. Sich von vornherein auf eine Links-Rechts-Debatte einzulassen, finde ich als Künstler einschränkend. Das Richtige wird nicht falsch, wenn's der Falsche sagt.
Sind das Gedanken, die Sie beschäftigen, wenn Sie ein Kabarett-Programm schreiben?
JONAS: Schon. Aber ich schreib‘ erstmal drauflos. (lacht) Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir sitzen vor dem Fernseher, die Frau und ich, und hören dem Herr Kiesewetter von der CDU zu. Der sagt: In der Ukraine wird unsere Freiheit verteidigt. Da fragt mich meine Frau: „Wie kommt unsere Freiheit in die Ukraine?“ Ich sag‘: „Unsere Freiheit ist auch schon am Hindukusch verteidigt worden.“ Und meine Frau fragt: „Ja ist unsere Freiheit auf Tournee?“
Ist die Aussage denn falsch, dass unsere Freiheit auch in der Ukraine verteidigt wird?
JONAS: Ich bin Kabarettist und kein Politiker. Aber ich kann mich als Kriegsdienstverweigerer äußern, der damals als 18-Jähriger den Artikel 4 Absatz 3 in Anspruch genommen hat, „niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden“. Und wenn mir mein Gewissen jetzt mitteilt, dass ich gegen Waffenlieferungen bin, dann nehme ich ein Grundrecht in Anspruch. Ich möchte dafür nicht diffamiert und beschimpft werden als „Putin-Versteher“.
Fühlen Sie sich nach wie vor wohl in der Rolle als Kabarettist? Oder würden Sie auch gerne mal zum Beispiel einen Leitartikel für eine Zeitung schreiben?
JONAS: Ich habe ja schon mal für die Süddeutsche Zeitung Kolumnen geschrieben, und die Texte wurden von den Lesern weitgehend falsch verstanden. (lacht)
Haben Sie da ein Beispiel?
JONAS: Zu der Zeit war der Klimaschutz das Top-Thema. Frau Thunberg war die Überfrau mit der Kompetenz für die Klima- und Weltrettung. Toni Hofreiter sagte, dass es um nicht mehr und nicht weniger ginge als um die „Rettung der Menschheit“. Da hab‘ ich mir gedacht, da muss ich doch was dazu schreiben und habe das Thema in der Kolumne sehr ironisch überspitzt dargestellt: Sinngemäß hab ich geschrieben, dass dieser Parlamentarismus viel zu schwerfällig ist. Wir müssen jetzt zu schnellen Entscheidungen kommen. Wenn Kipppunkte erreicht sind, können wir doch nicht mehr warten auf die erste, zweite, dritte Lesung, Vermittlungsausschuss, Bundesrat. Bis dahin ist die Welt untergegangen. Ich schlage also vor, dass wir die Demokratie für ein paar Jahre aussetzen. Wir bräuchten eine Diktatur for Future, war mein satirischer Vorschlag.
Das klingt jetzt aber sehr nach Trump!
JONAS: Wenn es aber nur die eine Wahrheit gibt in der Klimapolitik, wenn die Menschheit jetzt nur noch ein enges Zeitfenster zur Rettung hat … so habe ich argumentiert, in einer Satire. Ich habe darauf wirklich komische Reaktionen bekommen. Die Leut‘ haben sich gewundert, was ist mit dem Jonas los? Sie haben diese Satire ernst genommen.
Wenn wir jetzt nach vorne blicken: Wäre Friedrich Merz ein guter Kanzlerkandidat?
JONAS: Ich weiß es nicht, aber ich habe einen Vorschlag: Wir geben eine Job-Anzeige in Ihrer Zeitung auf und formulieren das Anforderungsprofil für einen Spitzenpolitiker. Was muss er können? Er muss schauspielerische Fähigkeiten haben. Er muss ein gutes Kurzzeitgedächtnis haben. Er muss simplifizieren können, die Komplexität der Wirklichkeit so runterbrechen, dass er zwischen dem Vorwurf des Populismus und der ernsthaften Politik genau hindurchpasst. Er muss große rhetorische Fähigkeiten haben. Zuhören können. Rund um die Uhr verfügbar sein, ohne Urlaub. Fleißig sein. Humor muss er auch haben.
Erwarten wir Unmögliches von so einem Spitzenpolitiker?
JONAS: Hm, ich weiß es nicht. Aber ich glaub‘ … ich könnt’s!
Zur Person
Bruno Jonas, geboren 1952 in Passau, ist Kabarettist, Schauspieler und Autor. Er gehörte dem Ensemble der Münchner Lach- und Schießgesellschaft an. Im Fernsehen war er in Formaten wie „Scheibenwischer“ und „Die Klugscheißer“ zu sehen. Als Bruder Barnabas auf dem Nockherberg las er Politikern die Leviten. Aktuell tourt er mit seinem Monolog „Meine Rede“.
Mir scheint, Bruno Jonas weiß inzwischen selber nicht mehr, was er denkt. Dem ist während seiner Anbiederung an die Mächtigen der Kompass verloren gegangen. Aber vielleicht hatte er auch nie einen. Nur hat das lange niemand gemerkt.
Wahrscheinlich verstehe ich ihn jetzt auch falsch, wie die Leser der SZ bei seinen Kolumnen. Er wirkt verbittert und fast schon beleidigt und erinnert damit ein bisschen an Monika Gruber und Helmut Schleich. Vielleicht täte ihnen eine schwarz-gelbe Regierung fürs eigene Gemüt gut. Dieter Nuhr hat sich besser auf die derzeitige Lage eingestellt. Neben klassischem Grünen-Bashing nimmt er sich auch die AFD relativ brachial zur Brust. Er hat aber auch jetzt schon erkannt, dass wenn die Grünen weg sind, die Leute nach 3 Wochen Friedrich Merz,bestimmt auch wieder schlecht gelaunt sind, weil er sie mit irgendwas fordert. Wehrpflicht z.B..
Lieber Bruno Jonas .. alles gut gesagt.. aber etwas weniger Satire, sonst ordnen sie sich in die Reihe derer ein die sie bemängeln..
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