Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

Bridgerton, Staffel 2: Kritik - Lohnt sich die Netflix-Serie?

Serie

Bridgerton: Wie die zweite Portion Zuckerwatte

    • |
    Eine Familie in Pastell: die Bridgertons.
    Eine Familie in Pastell: die Bridgertons. Foto: Liam Daniel, Netflix

    Wer mit wem? Und was sagt die Königin? Ach, es braucht gute verlässliche Quellen, um auf dem neuesten Stand zu sein. Eher rhetorisch daher auch die Frage der ominösen Klatschbase Lady Whistledown: „Habt ihr mich vermisst?“ Die Netflix-Gemeinde mit Sicherheit. „Bridgerton“, die bonbonfarbene Kitschserie über eine Adelsfamilie in London im frühen 19. Jahrhundert, war bis zu „Squid Game“ der größte Erfolg des Streaming-Anbieters. Seit Freitag nun läuft die zweite Staffel, versorgt jene Lady Whistledown mit ihrem Skandalblättchen wieder die High Society in Mayfair und auf den Landsitzen mit pikanten Gerüchten ... Ach!

    Was also gibt es Neues? Welche Debütantin wird von der Königin zum Diamanten gewählt? Und: Sind die Featheringtons nun eigentlich pleite? Gemach, gemach, zumal zuerst ja die Fragen zu beantworten sind: Was und wer ist geblieben? Und: Wie sind die Sexszenen? Die Antwort auf die erste hängt mit der Antwort auf die zweite Frage zusammen. Der schöne Duke Simon, gespielt von Regé-Jean Page, der in Staffel 1 mühsam von seiner Heiratsmuffeligkeit befreit wurde, hat jedenfalls keinen Auftritt mehr. Was bedeutet: Page muss also auch nicht mehr seine Familie per WhatsApp mit einem Pfirsichsymbol davor warnen, dass er demnächst wieder nackt zu sehen ist. Ach! Als softpornös wurde die erste Staffel bezeichnet, was die zweite betrifft, können jugendliche Fans insofern aufatmen: Mit einer kleinen Ausnahme weniger Pfirsiche und kein bisschen peinlich, wenn auch die Eltern zusehen.

    Die Herzen schlagen in Bridgerton laut wie Kirchenglocken

    Zumindest Simons elfengleiche Gattin Daphne (Phoebe Dynevor) flaniert weiter durchs Bild: Sie zieht es in Staffel 2 mit Baby immer mal wieder nach Hause zur Familie Bridgerton, wo die nächsten Sprösslinge unter die Haube gebracht werden müssen. Bruder Anthony (Jonathan Bailey), schmuckes, aber stoffelig-snobistisches Familienoberhaupt, soll sich auf Wunsch der Mutter in der beginnenden Ballsaison nach möglichen Kandidatinnen umsehen und führt für die Damen doch eher verstörende nüchterne Bewerbungsgespräche.

    Schwester Eloise (Claudia Jessie), störrischer Blaustrumpf, steht vor ihrem gesellschaftlichen Debüt, fühlt sich aber leider wie „ein Kalb vor einer Auktion“, also als Fleischware unangenehm beobachtet. Und was die schlaue Eloise ja immer noch viel brennender interessiert als all die Gerüchte, ist die Frage, wer eigentlich hinter dem Pseudonym Whistledown steckt? Die Zuschauer wissen es natürlich schon längst ... und ahnen ja auch, wer am Ende wohl mit wem. Im Paralleluniversum der Produzentin Shonda Rhimes und des Showrunners Chris van Dusen schlagen die Herzen laut wie glänzende Kirchenglocken!

    Bridgerton-Welt: Eng geschnürtes gesellschaftliches Korsett

    Nach Staffel 1 ist Staffel 2, wieder angelehnt an eine Romanvorlage von Julia Quinn, so etwas wie die zweite Portion Zuckerwatte – man kann nicht aufhören, hat sich aber schon etwas übergessen. Zu viel Süßes, zu wenig Kerniges. Die Liebesgeschichte hat nicht den gleichen Schmelzfaktor, was nicht an der sparsameren Dosierung von nackter Haut liegt, sondern an der brav-blassen, wenig komplexen Figurenzeichnung und auch am stereotypen Schmonzetten-Erzählmuster: Alphamann trifft Alphafrau, Ego auf Ego, es gibt Missverständnisse, falsche Entscheidungen, auf denen trotzig beharrt wird, bis dann ... Ach! Die Erzählfäden ziehen sich dabei immer wieder zäh in die Länge – ein Königreich für einen Degen!

    Längst hat man sich ja auch schon daran gewöhnt, was in Staffel 1 noch für mediale Debatten sorgte, dass die Serie „colour blind“ besetzt wurde, Geschichte kontrafaktisch erzählt wird. Königin Charlotte (Golda Rosheuvel) ist schwarz wie der halbe englische Adel, eine Liebesheirat hat den Rassismus im Pastellland beendet. Das starre gesellschaftliche Korsett aber ist ansonsten so eng geschnürt wie je: Frauen sollen schön sein und sich mit der Auswahl des Blumenschmucks auskennen. Die Männer stecken derweil fest in ihrer ritterlichen Rüstung, unter der aber natürlich auch zerbrechliche Herzen bumpern. Jung Anthony jedenfalls ächzt schwer unter der Verantwortung, die ihm nach dem Tod des Vaters für die gesamte Familie aufgelastet wird. Sein Bruder Colin klagt: „Man muss sich einen Namen machen, wenn das Leben einen Sinn bekommen soll.“ Seine Schwester Eloise knurrt hingegen: „Wozu sich einen Namen machen, wenn er doch nur auf Tanzkarten erscheint?“

    Optisch opulente Unterhaltung in der zweiten Staffel von Bridgerton

    Ach, klingt eigentlich alles doch gut? Wie kleine Preziosen sind solche Sätze verstreut, machen auch Staffel 2 dann wieder zu etwas mehr „als Rosamunde Pilcher mit Sex“. Nämlich zu wenn auch üppig in die Länge gezogener optisch opulenter Unterhaltung, versetzt mit nadelstichig feinen Botschaften.

    „Habt ihr mich vermisst?“ Auch bei Netflix selbst ist die Frage jedenfalls schon längst beantwortet: Staffel 3 und 4 sind in Planung. Die Königin wird sich derweil wie immer liebevoll um die adelige Gesellschaft kümmern – so wie um die böse gestürzte Heiratskandidatin Kate Sharma (Simone Ashley): „Ich sendete einige Halsketten, um mein Mitgefühl auszudrücken.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden