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Bregenzer Festspiele: Webers "Freischütz" in Bregenz: Wo der Teufel die Fäden zieht

Bregenzer Festspiele

Webers "Freischütz" in Bregenz: Wo der Teufel die Fäden zieht

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    Samiel (Moritz von Treuenfels), in der Gestalt des Teufels, reitet auf der Seeschlange
    Samiel (Moritz von Treuenfels), in der Gestalt des Teufels, reitet auf der Seeschlange Foto: Matthias Becker

    Großes Spektakel wünscht sich das Festspielpublikum vom „Spiel auf dem See“ in Bregenz – und Philipp Stölzl hat geliefert. Seine Inszenierung der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber überwältigt vom Vorspiel bis zum Schlussakkord mit Sensationen – die nicht selten vom Grund des Bodensees aufsteigen. Das romantische Werk, 1821 in Berlin uraufgeführt, hat sich Stölzl beherzt zurechtgeschneidert, passgenau für die Seebühne, wo er die Gäste mit opulenten Bildern fesselt. Klang-, Licht- und Feuereffekte verwebt der Regisseur und Bühnenbildner raffiniert mit der Komposition Webers, die hier nicht alleine glänzen darf. Ist das noch Oper – oder eher Fantasy-Theater mit Musik?

    Oper auf der Seebühne in Bregenz: So einen „Freischütz“ gab es noch nie

    So einen „Freischütz“ gab es jedenfalls noch nie. Ein elendes Dorf versinkt im winterlichen Sumpf. Wie Treibgut angeschwemmt ans Bregenzer Ufer ducken sich armselige Hütten und ein windschiefer Kirchturm zwischen abgestorbenen Bäumen. Dieses Kaff ist verdammt. Versehrt wie die Seelen der Menschen nach dem Dreißigjährigen Krieg. In dieser Zeit spielt die Geschichte.

    Ein winterliches Dorf ist die Kulisse für „Der Freischütz“ auf der Seebühne in Bregenz
    Ein winterliches Dorf ist die Kulisse für „Der Freischütz“ auf der Seebühne in Bregenz Foto: Matthias Becker

    Das warme Abendrot über dem See mag so gar nicht zum garstigen Schauplatz passen – doch schnell ist der Sonnenuntergang vergessen, wenn das Kreischen der Krähen Unheil ankündigt und ein Trauerzug zwischen vereisten Hügeln auftaucht. Singend und klagend beschwört die Gemeinde die „Milde des Vaters“. Da lösen sich einige aus der Gruppe, jagen einen Mann vor sich her – und hängen ihn wütend an einem Baum auf. In diesem Moment ergreift der Teufel das Wort – noch bevor der erste Ton der Ouvertüre erklingt. Zwei Stunden später wird der Leibhaftige beim knalligen Finale auch das letzte, mächtige Wort behalten.

    Magie und Übersinnliches waren beliebte Sujets zur Zeit Carl Maria von Webers (1786 – 1826). Im 1810 erschienenen „Gespensterbuch“ fanden der Komponist und sein Librettist Friedrich Kind den Stoff für ihre Oper. Die Sage „Der Freischütz“ geht im Gespensterbuch für die Protagonisten tödlich aus. Die Oper dagegen hält am bitteren Ende etwas Hoffnung bereit. Der Ausgang der Geschichte in Bregenz sei hier nicht verraten. Nur so viel: Stölzl bedient sich beider Versionen – und bastelt daraus ein modernes Märchen mit flapsig-sarkastischem Grundton. Für seine exzentrische Inszenierung hat er die Oper deutlich gekürzt, manche Nummer verfremdet, neue hinzugefügt. Gesprochene Dialoge des Librettos ließ er umschreiben (Mitarbeit Jan Dvorák). Seine Figuren verhandeln in heutiger Sprache Themen, die noch immer von Bedeutung sind: die Brutalität patriarchaler Macht, die Vergeblichkeit naiver Frömmelei, der Irrsinn archaischer Rituale. Und die Lächerlichkeit eines primitiven Männlichkeitswahns. Wenn die Jäger stolz ihre Büchsen zum Himmel recken, wirkt das wie der Wettbewerb: Wer hat den Längsten?

    Regisseur Philipp Stölzl arbeitet in seiner Inszenierung des „Freischütz“ auch mit Ironie und Komik

    In solch entlarvenden Szenen hält die schaurige Show köstliche Komik bereit. Mit Ironie und Karikatur geht Regisseur Stölzl auf Distanz zur Operngeschichte. Fürst Ottokar etwa lässt er in einem krass kitschigen Schlitten auftreten – auch Haar- und Barttracht erinnern an Ludwig II. Der Teufel, bei der Premiere gespielt von Moritz von Treuenfels, ist die zentrale Figur in Stölzls „Freischütz“. Mit dem Publikum flirtend, kleidet er bösen Spott in geschmeidige Reime; als Conférencier führt er mit spitzer Zunge und fiesem Witz durch den Grusel-Abend. Er kommentiert, schmäht und verführt die armen Sterblichen auf der Bühne mit schönen Versprechen. Und die Operngäste mit schönem Zauber, wenn er Nixen mit blinkendem Haarreif zum Ballett in goldene Wogen taucht.

    Samiel, so heißt der Teufel, zieht die Strippen in der tragischen Geschichte vom Schreiber Max, der die Förstertochter Agathe heiraten will und dafür zu allem bereit ist. Unterstützt von seinem Gehilfen Kaspar überredet Samiel Max zu einem magischen Trick und lässt ihn Freikugeln gießen. Wie er gerade lustig ist, greift Samiel ins Geschehen ein, dirigiert auch mal die Streicher oder dreht frech die Uhr zurück, um dem Lauf der Dinge eine neue Wendung zu verpassen. Dabei amüsiert er sich köstlich angesichts von Aberglauben, Scheinheiligkeit und blindem Traditionseifer. In dieser trostlosen Dorfgemeinschaft hat er leichtes Spiel. Nur Ännchen, Agathes Freundin, pfuscht Samiel ins Handwerk, wenn sie einen aufklärerischen Gedanken formuliert oder Agathe den Kopf verdreht und sie zur Flucht anstachelt.

    Bühnenzauber in Bregenz: Eine feuerspuckende Seeschlange steigt aus den Fluten

    So lustvoll, wie der Teufel die Menschen im Stück manipuliert, kostet Philipp Stölzl in Bregenz alle Möglichkeiten des Bühnenzaubers aus. Er entfacht lodernde Flammen im See, erweckt Wasserleichen zum Leben, lässt Raubvögel über der Seebühne kreisen. Eine feuerspuckende Seeschlange steigt aus den Fluten, und der Teufel reitet triumphierend auf einem skelettierten Pferd durchs Wasser. Überhaupt das Wasser: Als erster Regisseur in Bregenz hat Stölzl den See selbst bespielbar gemacht, indem er zwischen Bühne und Tribüne ein Becken einziehen ließ. Solisten und Solistinnen waten hier durchs Wasser, stürzen hinein und singen noch, wenn sie bis zum Hals im Nassen liegen. Dass bei der Premiere Mauro Peter (Max), Sopranistin Nikola Hillebrand (Agathe), Christof Fischesser (Kaspar) und Katharina Ruckgaber (Ännchen) unter diesen Umständen Arien, Duette und Terzette mit nuancenreichem Ausdruck interpretierten, zeugt von großen Stimmen und Begeisterung für diese Inszenierung. Die darstellerische Leistung des Solisten-Ensembles ist grandios.

    Katharina Ruckgaber (links, Ännchen)) und Nikola Hillebrand (Agathe) sowie Mauro Peter (Max) spielen in Philipp Stölzls „Der Freischütz“ auf der Seebühne in Bregenz
    Katharina Ruckgaber (links, Ännchen)) und Nikola Hillebrand (Agathe) sowie Mauro Peter (Max) spielen in Philipp Stölzls „Der Freischütz“ auf der Seebühne in Bregenz Foto: Matthias Becker

    Obgleich der Bregenzer „Freischütz“ durch Bildgewalt, Nervenkitzel und die originelle Deutung in Erinnerung bleibt, trägt doch von Webers Komposition die Geschichte. Regisseur Stölzl übersetzt ihren Rhythmus in Bewegung, ihre Stimmungen in Farb- und Lichteffekte. Zentralen Passagen der Oper gibt er viel Raum, und diesen nutzt Dirigent Enrique Mazzola mit den Wiener Symphonikern um das Leiden und Sehnen der Menschen leidenschaftlich auszuformulieren. Schlüssig ergänzt eine Bühnencombo mit Cembalo, Bass und Akkordeon Webers „Freischütz“ durch einen neuen, eigenen Sound.

    Die Bregenzer Festspiele dauern bis 18. August. Karten 0043/5574/4076.

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